Gelsenkirchen. Wie der Gelsenkirchener Propst Markus Pottbäcker zu der Aktion #OutInChurch steht. Teilnehmende riskieren mit sexuellem Outing ihre Kündigung.
„Ich bin schwul, und das ist gut so“: Was SPD-Spitzenpolitiker Klaus Wowereit 2001 viel Respekt einbrachte, das ist als öffentliches Bekenntnis 2022 noch immer nicht selbstverständlich – jedenfalls für Funktionsträger der katholischen Kirche. 125 von ihnen outen sich nun trotzdem als queer bei der Aktion #OutInChurch und riskieren mit ihrer Forderung nach Respekt die Kündigung. Mit Stadtdechant Markus Pottbäcker als verantwortlichem Dienstherr in Gelsenkirchen würde ihnen das so nicht drohen, sagt er.
„Für Mitarbeitende der St. Augustinus Gelsenkirchen GmbH und in meinem Verantwortungsbereich gilt die arbeitsrechtliche Regel nicht“, wonach zur Achtung von „Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre“ auch die heterosexuelle Orientierung gehöre, erklärte der Propst der Pfarreien St. Augustinus und St. Urbanus auf WAZ-Anfrage. Die St. Augustinus GmbH ist Arbeitgeber von aktuell rund 4500 Fachkräften in den Bereichen Medizin, Pflege und Pädagogik an insgesamt fünfzehn Standorten in Gelsenkirchen, Gladbeck und Bottrop-Kirchhellen.
Gelsenkirchener Propst: Ehe-Sakrament nur Heterosexuellen spenden
Dass Beschäftigte der Caritas, von katholischen Kliniken oder Kindergärten sich genötigt fühlten, ihre sexuelle Orientierung und damit einen Teil ihrer Identität zu verbergen, „finde ich traurig und falsch.“ Zwar halte er es aus theologischen Gründen für richtig, dass das Ehe-Sakrament Heterosexuellen vorbehalten bleibt, er befürworte und praktiziere aber „andere Formen der Wertschätzung für gleichgeschlechtliche Paare“, etwa einen Segen. Wie berichtet, hatte sich die Amtskirche Anfang 2021 dagegen ausgesprochen und damit viel Kritik provoziert.
Ob sich auch Akteurinnen und Akteure aus Gelsenkirchen an #OutInChurch beteiligen, ist unklar, da einige auch ohne Namensnennung Position beziehen. Fakt ist aber, dass auch Propst Pottbäcker queere Funktionsträger hier vor Ort kennt, die mit ihrer sexuellen Orientierung nicht an die Öffentlichkeit gehen. Ob aus Sorge um den Arbeitsplatz, vor Diskriminierung durch Gemeindemitglieder oder einfach nur, „weil das ja nicht jeden etwas angeht“, weiß er nicht.
Gelsenkirchener Pastor Steinrötter: Kirchliches Arbeitsrecht überdenken
Wie Pottbäcker findet auch Pastor Bernd Steinrötter es „schlimm“, wenn Teilnehmende der Initiative #OutInChurch darauf verweisen, ihnen als queeren Menschen werde „die Liebe Gottes vorenthalten oder abgesprochen“? Er plädiert dafür, das kirchliche Arbeitsrecht in diesem Punkt „zu überdenken“.
Betroffene würden aus Angst vor einem Job- und Ansehensverlust zu einem Doppelleben mit Vertuschung genötigt. „Aber wenn jeder von Gott geschaffen ist, dürfen wir ihm nicht die Liebe entziehen mit dem Argument, er entspreche nicht der vermeintlichen Norm“, betonte Steinrötter, der sich schon Anfang 2021 klar für die Segnung homosexueller Paare stark gemacht hatte.
Evangelisches Pfarrerinnen-Paar aus Gelsenkirchen lebte und arbeitete jahrelang in Buer
In der evangelischen Kirche in Gelsenkirchen ist die Benachteiligung homosexueller Paare offenbar kein oder kaum ein Thema: In der jetzigen Trinitatis-Kirchengemeinde Buer lebten und arbeiteten die Pfarrerinnen Katrin Göckenjan und Karla Wessel als (Ehe-)Paar jahrzehntelang zusammen. Viele vor Ort wussten um ihre Orientierung.
2013 verließ Katrin Göckenjan Buer und wurde Superintendentin im Kreis Recklinghausen, 2020 dann Personaldezernentin in der Westfälischen Landeskirche. Karla Wessel wechselte im September 2020 auf eine neue Pfarrstelle nach Bielefeld. Sie heirateten, nachdem die Evangelische Kirche von Westfalen 2019 die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare in die Trauordnung aufgenommen hatte.
In der ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ kommen viele queere Funktionsträger der katholischen Kirche zu Wort. Der Film ist auch nach der Erstausstrahlung am Montag, 24. Januar, 20.15 Uhr, in der Mediathek zu sehen.
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