Gelsenkirchen-Buer. 58-Jährige tritt in Bielefeld eine neue Stelle an. In Gelsenkirchen-Buer setzte sie Akzente in der Jugend- und Flüchtlingsarbeit.
Als Karla Wessel 1994 nach Buer kam, trat sie ihre erste Stelle als Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Buer durchaus mit gemischten Gefühlen an. Freudig, ja sicher, aber auch skeptisch: Fünf Jahre sollte sie am selben Ort leben und arbeiten? Für die 32-Jährige damals schwer vorstellbar. Nun, es wurden 26 Jahre - und jetzt ist es der offizielle Abschied von der Trinitatis-Kirchengemeinde am Sonntag, 4. Oktober, der ihr schwer im Magen liegt.
„Der Alltag in der Coronakrise läuft gerade langsam an. Gruppen wie die Frauenhilfe können sich wieder treffen und auch mit mir plaudern. Und dann eröffne ich, dass ich mit meiner Familie nach Bielefeld ziehe und dort eine neue Stelle antrete“, berichtet die 58-Jährige. Dennoch: „In mir ist ein Impuls, nicht das gesamte Berufsleben in einer Pfarrstelle zu verbringen. Und da meine Frau im April das Personaldezernat der Landeskirche Bielefeld übernommen hat, war jetzt der Zeitpunkt gekommen, auch meine berufliche Zukunft zu hinterfragen.“
Gelsenkirchener Pfarrerin will sich mit Islam und Didaktik auseinandersetzen
Karla Wessel hat sich also für den Aufbruch entschieden, in jeder Hinsicht: Vor einigen Jahren nach Recklinghausen verzogen, wo ihre Frau Katrin Göckenjan das Amt der Superintendentin angetreten hatte, steht nun nicht nur die Verlagerung des Lebensmittelpunktes mit der gemeinsamen Pflegetochter (13) an, sondern auch ein Gastsemester Theologie an der Uni Paderborn.
„Ich möchte mich mit islamischer Theologie auseinandersetzen, weil ich oft mit Migranten zu tun hatte. Außerdem will ich in Sachen Didaktik Anregungen sammeln, wie wir mit dem schwindenden religiösen Wissen umgehen sollen“, so Karla Wessel.
Betreuung von Flüchtlingen ist ihr ein besonderes Anliegen
Was sie aus den 26 Jahren in Buer mitnimmt? Farbige Erinnerungen an mehrere Kirchenasyle etwa. „Ende der 1990er Jahre haben wir im Gemeindehaus der Apostelkirche einen Kosovo-Albaner betreut, später waren wir mit der Lukas-Kirchengemeinde an einem Wanderkirchenasyl von 21 Personen beteiligt, die u.a. im Stephanushaus untergebracht waren. Eine spannende Zeit!“ Auch Help-Laden und Cafe Kontakt sind ihr wichtig, zwei Projekte, die 2015 entstanden sind und bis heute laufen: das eine als Beratungs- und Unterstützungsangebot für Flüchtlinge, das andere als Kontakt- und Begegnungsort für Einheimische und Flüchtlinge.
Warum sie sich immer wieder für Flüchtlinge einsetzt? „Fremde stehen unter dem besonderen Schutz Gottes. Da ist es unser Auftrag als Christen, uns um sie zu kümmern“, betont sie, dankbar, „dass das Presbyterium das Engagement jeweils beschlossen und mitgetragen hat.“
Vereinigung mit zwei anderen Gemeinden 2007 „haben wir ganz gut hingekriegt“
Überhaupt sei es in Buer immer leicht gewesen, engagierte Leute zu finden. Ob nun aktuelle politische Themen oder der Jugendaustausch mit Gemeinden aus Kanada und Tansania: „Es war toll, in fremde Welten einzutauchen!“
Eine große Herausforderung sei die Vereinigung der Gemeinden Markus (Hassel), Advent (Scholven) und Buer im Jahr 2007 gewesen. „Ich finde, wir haben das gut hingekriegt“, freut sie sich, dass immer mehr Gläubige das große Ganze im Blick haben. Auch die Zusammenarbeit im Pfarrerteam sei „unglaublich toll“.
Liturgische Nächte mit Jugendlichen in der Kirche
Dabei war es ihr immer „ein Herzensanliegen, biblische Geschichten zu erzählen und Gottes gute Botschaft weiterzugeben in Gottesdiensten mit Kindern oder Erwachsenen, in der Heilig-Abend-Feier und auf dem Friedhof.“
Stelle wird im Frühjahr neu ausgeschrieben
Pfarrerin Karla Wessel verabschiedet sich am Sonntag, 4. Oktober, offiziell nicht einmal, sondern - wegen der Teilnehmerbegrenzung in der Corona-Pandemie - dreimal. Allerdings sind alle Termine bereits ausgebucht.
Ihre Stelle soll im Frühjahr neu ausgeschrieben werden. Bis dahin übernehmen Pfarrerin Antje Grüter, Pfarrer Stefan Iwanczik und Pfarrer Matthias Siebold Aufgaben wie Taufen, Beerdigungen, Trauungen, Konfirmanden-Unterricht und Gottesdienste.
Dass sie in Buer im Pfarrteam und in der Gemeinde immer wieder Neues ausprobieren konnte, schätzt sie sehr. „Ich erinnere mich an beeindruckende liturgische Nächte mit Jugendlichen in der von Kerzen erhellten Kirche. Auch viele Schulgottesdienste waren klasse. Man spürt, dass es auch in Zeiten schwindender Religiosität einen Hunger nach Glauben und Gott gibt.“
Den hofft sie auch in Bielefeld zu finden, wo sie ab März 2021 zu je 75 Prozent in der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde und zu 25 Prozent mit Flüchtlingen arbeiten wird - der rote Faden ihrer Zeit in Buer, den sie dann in Ostwestfalen weiterspinnt.