Gelsenkirchen. Gemeinden suchen nach Investoren. Auch Junge kehren der Kirche den Rücken. Propst Markus Pottbäcker blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft.

Katholische Kirchengebäude und Gemeinden stehen vor einem drastischen Wandel in ihrer Geschichte. Viele Gläubige müssen auf Gottesdienste in ihrer Heimatgemeinde verzichten. Kirchen schließen, die Pfarreien suchen gemeinsam mit dem Bistum nach Investoren für eine zukünftige Nutzung bereits entweihter Gotteshäuser. Der Kirche laufen die Gläubigen davon, es fehlt an finanziellen Mitteln für die Unterhaltung.

Propst Markus Pottbäcker ist Realist, sieht die Fehler, die die katholische Kirche im Laufe der Jahrzehnte mit ihrer strengen Glaubensauslegung gemacht hat. Der Missbrauchskandal in den letzten Jahren habe zusätzlich dazu geführt, dass Gläubige sich von der Kirche abwendeten. Auffallend ist, dass vor allem auch junge Leute ausgetreten sind. Sie fühlen sich nicht mehr heimisch in ihrer Kirche. Bei der Zukunftsplanung gilt für den höchsten Amtsträger in Gelsenkirchen der Grundsatz, Glaube, Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln. Dies sei nicht von Zahlen abhängig. Markus Pottbäcker ist optimistisch, dass auch in Zukunft die Botschaft Christi bei den Menschen ankommen werde.

Altengerechte Wohnungen in St. Antonius geplant

Die soziale Rolle der Kirche wird bei der Frage, was aus den Gebäuden wird, bedeutender. Auf Dauer erhalten bleiben St. Augustinus (Altstadt), St. Thomas Morus (Ückendorf), St. Hippolytus (Horst), St. Urbanus (Buer), St. Barbara (Erle), St. Michael (Hassel) und Herz-Jesu (Resse). Für alle anderen Gotteshäuser müssen Investoren für Folgenutzungen gefunden werden.

So sollen in St. Antonius in der Feldmark Jung und Alt eine gemeinsame Zukunft haben. Altengerechte Wohnungen sind nach dem Verkauf neben einem Ausbau des Kindergartens geplant. Sicher ist, dass nur die stadtteilprägenden Türme, die der in Gelsenkirchen lebende und schaffende Architekt Josef Franke entworfen hatte, erhalten bleiben sollen. Das Mittelschiff bleibt nicht bestehen. Das Pfarrheim wird aufgegeben, in die Planung integriert. Sechs Investoren hatten sich gemeldet, das zukünftige Gebäude wieder mit Leben zu füllen. Eine Entscheidung soll in den nächsten Wochen fallen, anschließend müssten geplante Umbauten noch durch die städtischen Behörden genehmigt werden.

St. Joseph in Schalke soll erhalten bleiben

Blau-weiße Stutzen und ein passender Fußball. Ein Fenster in der St. Joseph-Kirche in Schalke zeigt eine ganz besondere Interpretation des heiligen Aloisius.
Blau-weiße Stutzen und ein passender Fußball. Ein Fenster in der St. Joseph-Kirche in Schalke zeigt eine ganz besondere Interpretation des heiligen Aloisius. © Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services

In St. Joseph kann sich Markus Pottbäcker beim Projekt Offene Kirche Schalke eine Zusammenarbeit mit der Stiftung Schalker Markt vorstellen. „Unser Ziel ist es“, so Pottbäcker, „das Gebäude zu erhalten. Durch Ausstellungen wie Kultur im Turm wollen wir ins Gespräch kommen und den Charakter des ehemaligen Kirchengebäudes im Bewusstsein der Menschen halten.“ Der Heilige Aloysius wird auch weiterhin als Fußball spielender Schutzpatron S04-Fans inspirieren. Der Saal im Haus Eintracht soll Menschen im Stadtteil als Anlaufstelle dienen und Heimstätte für Pfadfinder bleiben.

St. Anna bleibt multifunktionales Gebäude

Die Kirche in St. Anna bleibt als multifunktionales Gebäude erhalten. Das Gebäude ist an das Sozialwerk St. Georg verkauft worden.

Im Verkaufsverfahren befindet sich St. Franziskus in Bismarck. Vor zwei Jahren wurde hier der letzte Gottesdienst gefeiert. Das Gebäude wird einschließlich Pfarrhaus und Pfarrheim verkauft. Die Verhandlungen seien weit fortgeschritten, bestätigt Propst Pottbäcker. Entschieden sei noch nichts. Alle Gremien im Bistum müssten noch angehört werden. Vorgesehen ist eine Wohnbebauung. Den Gottesdienst besuchen können Gläubige nach wie vor in St. Elisabeth in Heßler. Spätestens 2030 schließen auch hier die Türen. Sollten sich vorher Investoren finden, die ein schlüssiges Konzept vorlegen, könnte auch schon früher die letzte Messe gefeiert werden.

Gebäude der Hl Familie in Bulmke soll 2022 aufgegeben werden

In der Gemeinde Hl Familie in Bulmke soll das Gebäude im nächsten Jahr aufgegeben werden. Gottesdienst können die Gläubigen im Oblatenkloster an der Wanner Straße feiern. Polnisch sprechende Katholiken in der Stadt, denen der Bochumer Patres die Messe las, müssen eine neue kirchliche Heimat finden.

Soll erhalten bleiben: Die Thomas Morus Kirche in Ückendorf.
Soll erhalten bleiben: Die Thomas Morus Kirche in Ückendorf. © FUNKE Foto Services | Thomas Schmidtke

In Herz Jesu Hüllen könnte sich Markus Pottbäcker eine ökumenische Kooperation mit der evangelischen Gemeinde vorstellen. In der Dreifaltigkeitskirche in Bismarck findet einmal in der Woche sonntags Gottesdienst statt. Doch den Gemeinden fehlen die Priester. Pfarrer Mattauch ist nach Essen delegiert worden, Pfarrer Quint hat seelsorgerische Aufgaben in Japan übernommen. Zu Ostern wird nach dem Weggang von drei Franziskaner-Patres auch das denkmalgeschützte Gebäude von St. Josef in Ückendorf aufgegeben. Erhalten bleibt die denkmalgeschützte Kirche von Thomas Morus in Ückendorf.

Baumeister Gottfried Böhm war im Juni dieses Jahres im Alter von 101 Jahren gestorben. Auch in St. Barbara tickt die Uhr. Noch steht allerdings nicht fest, in welchem Jahr die Aufgabe erfolgen wird. Als bitter empfindet Markus Pottbäcker die Situation für katholische Christen in Rotthausen. Denn in Mariä Himmelfahrt sind die Kirchenportale seit 15 Jahren geschlossen. Das Gebäude, bei dem Turm und Chorraum unter Denkmalschutz stehen, hat nach einer Brandstiftung zusätzlich gelitten.

Über allen Gedankenspielen stehe stets die finanzielle Machbarkeit

Ein Problem beschäftigt den Seelsorger zusätzlich. Die Inventarisierungsliste der unteren Denkmalbehörde könnte Investoren von möglichen Kirchenankäufen abhalten. Denn noch ist nicht klar, welche Gebäude noch zu Denkmälern erklärt werden könnten. Auch die Kirche, weiß Pottbäcker, hat eine kulturbewahrende Funktion. Über allen Gedankenspielen stehe stets die finanzielle Machbarkeit einer zukünftigen Nutzung.

Zur Person Markus Pottbäcker

Markus Pottbäcker ist als Propst der Oberhirte in Gelsenkirchen. Zuständig ist er sowohl für die Gemeinden in Alt-Gelsenkirchen als auch für Buer. Die Augustinus-Kirche in der Innenstadt und die St. Urbanus-Kirche in Buer werden mehr und mehr zu zentralen Gemeinden der katholischen Gläubigen.

Der 55-Jährige ist ein Mann des Ruhrgebiets. Er wurde 1966 in Duisburg geboren, ist im Alter von 28 Jahren zum Priester geweiht worden. In Oberhausen und Essen war er zunächst als Seelsorger tätig.

Als Jugendseelsorger arbeitete er für die Stadt Essen und für das Bistum. Nach seiner Tätigkeit als Pastor in Essen wurde er 2014 nach Buer versetzt, arbeitete zusätzlich als Pfarrer in der Altstadtgemeinde. Seit 2015 ist er Stadtdechant in Gelsenkirchen.

In Buer ist das Kirchengebäude von St. Theresia in Hassel verkauft, St. Pius ist bereits abgerissen udn hat einem Seniorenheim Platz gemacht, St. Ludgerus wird aufgegeben. In Verhandlungen mit Investoren stehen die Verantwortlichen von St. Joseph in Scholven. Auf der Schließungsliste steht auch St. Hedwig in Resse. Am Standort von St. Ida in Resser Mark ist eine Wohnbebauung vorgesehen.

Als gutes Beispiel nachbarschaftlichen Engagements sieht Markus Pottbäcker den Eigentümerwechsel bei St. Bonifatius an der Cranger Straße. Ein ortsansässiger Bäcker hat das Gebäude gekauft. Das ehemalige Pfarrheim dient als Veranstaltungsraum, ein Cafe lädt zum Plausch unter den Anwohnern. Markus Pottbäcker scheint der Grundoptimismus eingepflanzt. Er weiß. Nicht nur die Gläubigen bleiben der Kirche fern, auch der Nachwuchs an Seelsorgern fehlt. Auch wenn es mit 11 verbleibenden Priestern eng mit der Betreuung werde, blicke er zuversichtlich in die kirchliche Zukunft.