Gelsenkirchen-Horst. Bürgerschaftliche Putz-Aktion: Welche Zwischenbilanz Hans-Georg Kouker aus Gelsenkirchen-Horst zieht. Und warum er sich nicht entmutigen lässt.
Hier Getränkedosen, dort Zigarettenkippen oder rot bekleckste Pommesschalen: Die Beschwerden über die Vermüllung von Straßen und Grünanlagen, sie reißen nicht ab. Auch Hans-Georg Kouker (63) ärgert(e) sich maßlos darüber, immer wieder Slalom laufen zu müssen um den Abfall in seinem Stadtteil. Bis er es leid war und aktiv wurde: So gründete er im Frühjahr 2021 die Initiative „Horst putzt sich raus“ und hat seither jeden letzten Samstag im Monat einen Termin mehr in seinem Kalender – wie viele andere Horster auch. Zum Jahresende zieht er eine Zwischenbilanz, auch übers Anfangen.
Nur Meckern, nein, das war noch nie die Sache des 63-Jährigen. Dann schon lieber das Machen, erst recht das Anstiften. Der langjährige Vorsitzende des Handwerksmeistervereins Horst-Emscher 1894 weiß: Nur gemeinsam lässt sich viel bewegen.
Bestandsaufnahme für Gelsenkirchen-Horst im Mai 2021 war wenig schmeichelhaft
Dass sich etwas ändern müsse in Horst, darin waren und sind sich viele vor Ort einig: „Das Erscheinungsbild des Stadtteils hat sich in den letzten Monaten und Jahren verschlechtert. Im öffentlichen Raum findet sich mehr Müll als früher, manche Ecken haben ein regelrechtes Schmuddel-Image“, lautete die wenig schmeichelhafte Bestandsaufnahme, als er im April/Mai die ersten Aufrufe für die Aktion in sozialen Netzwerken postete.
Dass sich die Situation aber auch wirklich verbessern lasse, wenn man nur erst einmal damit anfange: Davon konnte Kouker in den vergangenen sieben Monaten tatsächlich zahlreiche Akteurinnen und Akteure überzeugen.
Bislang wurden laut Initiator Kouker rund sieben Tonnen Abfall eingesammelt
Wie viele seither einmal monatlich mit den von Gelsendienste bereitgestellten Handschuhen, Greifern und Müllbeuteln gegen 10 Uhr morgens losgezogen sind, kann er zwar nicht beziffern, „weil sich die Teilnehmenden ja nirgendwo vorher melden oder registrieren müssen. Aber wenn ich nach dem Einsatz durch die Straßen gehe, stelle ich fest: Horst ist viel sauberer geworden!“
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So muss es sein, wenn man den Zahlen glaubt: Insgesamt rund sieben Tonnen Abfall haben die Helferinnen und Helfer seit dem Start im Mai vor ihrer eigenen Haustür und in den Straßen aufgelesen, sagt Kouker: zahllose Tetrapacks, Chipstüten, Getränkeflaschen, „schrecklich viele Masken“, immer wieder Fastfood-Verpackungen, hin und wieder Spritzen. Was die Ehrenamtlichen bis um 13 Uhr an den zwei zentralen Punkten – den Marktplätzen Horst-Nord und -Süd – abgegeben haben, wurde von Gelsendienste dann abgefahren.
Aktion hat sich mittlerweile rumgesprochen – auch Schulen machen mit
„Am Anfang musste ich bei den Geschäftsinhabern immer wieder erklären, was es mit der Aktion auf sich hat, wenn ich ein Plakat aufhängen wollte. Mittlerweile hat sich das Projekt aber so herumgesprochen, dass die Grundschule am Schloss Horst, die Nordsternschule, die Schule an der Sandstraße und die Gesamtschule Horst sich beteiligen, zwar nicht am Aktionstag Samstag, sondern erst montags oder dienstags, aber sie machen mit. Und das zählt! Auch die Kinder von der Kita Diesterwegstraße sind dabei“, freut er sich.
Jeden letzten Samstag im Monat
Die Aktion „Horst putzt sich raus“ findet an jedem letzten Samstag im Monat zwischen 10 und 13 Uhr statt.
Auf den Marktplätzen Horst-Nord und Horst-Süd können sich Interessierte kostenlos Handschuhe und Müllsäcke abholen und Greifer ausleihen, um Abfälle leichter sammeln zu können. Auf den Marktplätzen kann der Unrat auch wieder abgegeben werden. Gelsendienste fährt ihn dann ab und entsorgt ihn.
Ein fester Stamm von 20 bis 30 Personen sei immer mit dabei, in Horst-Süd allerdings mehr Leute als in -Nord. Ob es daran liegt, dass in Süd besonders viele „Hotspots“ zu finden seien, wie er meint – etwa die Marken-, Harthorststraße, Schloss- und die Industriestraße zwischen Post- und Grabbestraße sowie der Spielplatz Diesterwegstraße („eine Katastrophe“)?
Mit Unverbesserlichen diskutiert Initiator Kouker gar nicht erst
Kouker zuckt mit den Schultern. „Wichtig ist, dass wir dran bleiben und die Leute sehen: Es ergibt Sinn, sich zu engagieren. Wenn wir etwa Kinder für das Thema Abfallvermeidung und -entsorgung sensibilisieren, strahlt das hoffentlich auch auf die Eltern aus.“
Dass sich nicht alle begeistert nach Pommesschale & Co bücken, räumt der 63-Jährige durchaus ein. „Es gibt auch Leute, die auf die Stadt verweisen und es nicht einsehen, den Müll anderer aufzusammeln. Mit denen diskutiere ich dann aber nicht, die sind unverbesserlich. Ich bin überzeugt, dass nichts zu tun, die absolut schlechteste Variante ist.“
Projekt soll das Wir-Gefühl in Gelsenkirchen-Horst stärken
Es geht ihm nicht nur darum, Horst (wieder) attraktiver zu machen durch diese Wohnumfeld-Verbesserung. Sein Anliegen ist es auch, das Wir-Gefühl zu stärken. „Die Menschen sollen sich wieder mehr mit Horst identifizieren. Dann werfen sie den Müll vielleicht erst gar nicht mehr auf die Straße, sondern sofort in die Papierkörbe.“
So plant er, noch einmal das Gespräch mit Imbiss-Betreibern zu suchen, ob sie sich eine geringe Pfandgebühr auf Verpackungen vorstellen können. „So könnte man die Vermüllung reduzieren.“
Als Einzelkämpfer sieht er sich nicht. „Der Funke ist übergesprungen“, ist er guten Mutes, „Horst putzt sich raus“ im nächsten Jahr fortzusetzen. „Wir haben damit jetzt angefangen und lassen uns nicht entmutigen! Wenn jeder monatlich auch nur eine halbe Stunde vor der eigenen Haustür aktiv wird, ist schon viel gewonnen!“