Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener Stadtwerke machen Millionenverluste. Geschäftsführer Harald Förster spricht über einen Stellenabbau und zeitgemäße Maßnahmen.

Für Harald Förster war es ein besonders ereignisreiches Jahr. Seit April ist der Mülheimer nicht mehr nur Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGW, sondern führt zudem noch die Stadtwerke-Gruppe (SG) und zeichnet sich somit verantwortlich für Bäderbetrieb, Emschertainment, Gelsen-Log, Gelsen-Net, Revierdialog und natürlich den Zoo. Alles in allem eine sehr reizvolle, aber auch fordernde Aufgabe, wie Förster im WAZ-Interview verrät. Zumal der 53-Jährige in seinem neuen Job nichts Geringeres vollbringen soll, als das 7,3 Millionen Euro schwere und strukturelle Defizit der Stadtwerke zu eliminieren.

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Wie soll das eigentlich gelingen, Herr Förster?

Die Stadtwerke-Gruppe befindet sich derzeit in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation. Es besteht Konsens zwischen Gesellschaft, Stadt und Aufsichtsrat, dass wir eine ganze Reihe von Konsolidierungsmaßnahmen durchführen müssen, die durchaus zu Änderungen und teilweise auch zu Einschnitten führen werden. Klar ist aber auch, dass man eine so heterogene Unternehmensgruppe, wie die Stadtwerke, nicht von heute auf morgen auf eine schwarze Null bringt.

Aber Sie haben schon eine Idee, wo Sie Geld einsparen können?

Wir haben einzelne Einsparpotenziale bereits aufgedeckt. Wir schauen uns hierbei die einzelnen Organisationseinheiten, Dienstleistungen der SG-Gruppe und auch unser Leistungsportfolio ganz genau an. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, sich nur mit einem Thema wie z. B. der Organisation unserer Unternehmensgruppe zu befassen. Ganz im Gegenteil, wir müssen an vielen Stellschrauben drehen, um unsere Effizienz zu verbessern, unsere Aufbau- und Ablauforganisation zu verändern sowie unsere Zusammenarbeit mit der Stadt Gelsenkirchen auszubauen. Und bei alledem ist es enorm wichtig, dass wir sowohl organisatorisch als auch technisch am Puls der Zeit bleiben. Sie können sich sicherlich vorstellen, das alles ist nicht mal eben nebenbei erledigt und benötigt eine gewisse Zeit.

„Effizienz verbessern“ bedeutet dann auch, Stellen abzubauen?

Die SG-Gruppe braucht effizientere und flexiblere Strukturen, die uns eine schnelle Reaktion und eine optimale Zusammenarbeit über Bereiche und Gesellschaften hinweg erlauben. Das heißt auch, dass wir uns auf Prozesse und Projekte konzentrieren, die am Ende des Tages wichtig für die Stadtgesellschaft in Gelsenkirchen sind und/oder die ein nachhaltiges Geschäftsmodell besitzen. Dies ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SG-Gruppe und für die gesamte Organisation ein Kultur- und Verständniswandel, den wir in den nächsten Jahren realisieren wollen. In Übereinstimmung mit Markus Karl als Aufsichtsratsvorsitzendem, der Gesellschafterin und dem Aufsichtsrat wollen wir vorrangig betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Ich gehe dennoch davon aus, dass wir nach Umsetzung einzelner Maßnahmen merken werden, dass Stellen in der SG-Gruppe entbehrlich sind, das kann aber häufig auch durch natürliche Fluktuation ausgeglichen werden. Dennoch ist natürlich auch die Belegschaft aufgefordert, sich auf Veränderungen einzustellen, und von ihr wird ein hohes Maß an Flexibilität gefordert sein.

Man wird den Eindruck nicht los, dass die Stadtwerke in der Vergangenheit als Geldgeber und Dienstleister für Politik und Verwaltung in der Stadt herhalten mussten, selbst wenn die Aufgaben aus unternehmerischer Sicht nicht immer sinnvoll waren. Sie sagen, es hat da einen Kultur- und Verständniswandel gegeben. Was bedeutet das?

Grundsätzlich ist die Übernahme städtischer Aufgaben durch Stadtwerke nichts Verwerfliches und selbstverständlich auch kein Fehler. Stadtwerke sind generell für die Daseinsvorsorge in einer Stadt da, sie bieten Leistungen für alle Bürgerinnen und Bürger auf einer Grundlage definierter qualitativer und quantitativer Standards an. Aber – und damit kommen wir zu unserer jetzigen Situation, in der wohlgemerkt auch andere Stadtwerke stecken – die Zeiten haben sich halt geändert!

Was heißt das?

Ganz einfach gesagt, wir haben in Teilbereichen, die in den letzten Jahren noch sehr profitabel waren, wie z.B. der Verpachtung der Energienetze, einen erheblichen Rückgang der Erlöse zu verkraften, daher ist die Kasse der Stadtwerke nicht mehr so gut gefüllt wie noch vor einigen Jahren. Es fällt natürlich schwer, bei rückläufigen Erlösen auf der anderen Seite die liebgewonnenen Leistungen im gleichen Tempo zu reduzieren. Daher muss unser Leistungsportfolio im Freizeit- und Kulturbereich gemeinsam mit der Stadt Gelsenkirchen auf den Prüfstand gestellt und neu verhandelt werden. Wir können nicht einfach so weitermachen, sondern müssen unsere Dienstleistungen entweder entsprechend der Kosten vergüten lassen oder hinsichtlich des Umfangs anpassen. Beides fällt selbstverständlich schwer, auch der städtische Haushalt ist ja aktuell, zusätzlich beeinflusst durch Corona, nicht auf Rosen gebettet.

Beschlossene Sache ist, dass das Zentralbad abgerissen und neu gebaut wird – unabhängig davon, ob Gelsenkirchen den Zuschlag für die Polizei-Hochschule bekommt – und auch das Sport-Paradies soll als modernes Spaßbad neu gebaut werden. Ein großes Bad im Süden der Stadt, eines im Norden. Gemessen an den Besucherzahlen reicht das doch allemal, oder etwa nicht? Was halten Sie davon, die Bäder in Horst und Heßler darüber hinaus auch noch zu betreiben, wie es die Politik möchte?

Letztendlich obliegt es natürlich der Stadt und damit dem Rat, über die notwendige Ausstattung von Schwimmbädern zu entscheiden. Dennoch ist festzuhalten, dass die aktuelle Bäderlandschaft aus einer Zeit stammt, in der Gelsenkirchen fast 400.000 Einwohnerinnen und Einwohner hatte. Das neben einem veränderten und vielfältigeren Freizeitverhalten ein Rückgang um fast 40 Prozent der Bevölkerung sich dann auch bei den Bädern niederschlagen sollte, ist eigentlich offensichtlich. Daher erscheinen die Bäderbeschlüsse aus dem Jahr 2018 sehr optimistisch. Perspektivisch können die Stadtwerke mit zwei leistungsfähigen Bädern – eines im Norden und eines im Süden – die Versorgung der Bevölkerung, der Schulen und der Vereine im Schwimmbereich sicherstellen. Zunächst einmal konzentrieren wir uns darauf, diese Neubauten auf den Weg zu bringen, erst dann können ja Anpassungen geprüft werden. Wird dann eine über die Grundversorgung hinausgehende Bäderlandschaft von der Politik bei den Stadtwerken bestellt, würden sich die Stadtwerke darüber sehr freuen und ein faires Bewirtschaftungsangebot unterbreiten. Hierbei sollte jedoch auch in der aktuellen Situation, die ja stark vom Begriff des „Klimanotstandes“ geprägt ist, nicht vergessen werden, dass Bäder ziemlich große Energieverbraucher mit entsprechendem CO2-Fußabdruck sind. Das gilt übrigens leider mindestens genauso für Eislaufhallen.