Gelsenkirchen. Das Ausländeramt steht erneut in der Kritik. Eine Leserin erhebt schwere Vorwürfe, fordert, dass sich etwas ändert. Was die Behörde dazu sagt.

Zu Kritik kam es in der Vergangenheit immer wieder. Und auch dieser Tage lässt sie nicht ab. Etwa: Wie kann es sein, dass man 14 Monate auf einen Termin warten muss, um wichtige Dinge zu klären. Im Zentrum: Die Ausländerbehörde der Stadt Gelsenkirchen. Drumherum: Menschen, die sich nicht richtig, nicht gut behandelt fühlen; die Kunden, bei denen die Arbeit des Ausländeramtes ganz direkten Einfluss auf ihr Leben hat. Was hat es mit der Kritik auf sich? Ist sie berechtigt?

Gelsenkirchens Ausländeramt: Erneut gibt es Vorwürfe und Kritik

Vor wenigen Tagen erreichte die Redaktion die E-Mail einer jungen Gelsenkirchenerin. Sie lebt seit über 20 Jahren in dieser Stadt, ist selbst Mitte 20. Und diese junge Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörde.

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„Seitdem ich denken kann war die Ausländerbehörde Gelsenkirchen immer ein Problem“, sagt sie. Sie nennt Beispiele, etwa die zu vollen Räume oder die langen Wartezeiten. „Aber seit der Corona-Krise ist es echt unmenschlich geworden dort“, fährt sie in ihrer Mail fort. Der Wachdienst beispielsweise lasse „einen nicht mal aussprechen“.

„Das, was da abgeht, ist echt katastrophal“, sagt eine junge Gelsenkirchenerin

„Ich glaube, ich spreche für viele ausländische Bürger aus Gelsenkirchen, wenn ich sage: Da muss sich dringend was ändern“, schreibt sie auch. Sie schlägt vor, etwa mehr Personal einzustellen, geht noch einen Schritt weiter, wirft Beschäftigten sogar rechte Tendenzen vor. Ihre Schilderungen schließt sie unter anderem mit den Worten: „Das, was da abgeht, ist echt katastrophal.“

18.500 neue Fälle in sechs Jahren

Die Stadtverwaltung hat eine so genannte Organisationsuntersuchung mit Personalbedarfsrechnung für die Ausländerbehörde angesetzt – das Amt auf dem Prüfstand sozusagen. Durch die Pandemie sei die 2020 ins Stocken gekommen, berichten Olbering, Kinzel und Sulkowski. Mittlerweile stehe die Untersuchung aber kurz vor dem Abschluss.Am 1. Januar 2015 lag die Zahl der nichtdeutschen Einwohner in Gelsenkirchen bei 41.424. Mit Stand 29. Januar 2021 lag die Zahl der Nichtdeutschen bei 59.919. „Somit sind 18.500 Fälle für uns dazugekommen“, erklärt Daniel Sulkowski.

Die junge Frau ist nicht die einzige, die die Zustände an Gelsenkirchens Ausländerbehörde kritisiert. Allein bei einer ganz normalen Google-Suche finden sich schnell negative Bewertungen und Beschwerden. Das Ergebnis ist mitnichten repräsentativ, soll hier aber trotzdem erwähnt werden: 158 Google Rezensionen ergeben in der Summe eine Bewertung von anderthalb von fünf Sternen. Nebenbei: Einige von Gelsenkirchens Nachbarstädten, wie beispielsweise Essen oder Bochum, schneiden ähnlich schlecht ab.

„Wir sehen uns seit 2015 einer Riesen-Herausforderung gegenüber“

Das Gelsenkirchener Ausländeramt steht in der Kritik - eine Leserin macht den Mitarbeitern dort schwere Vorwürfe.
Das Gelsenkirchener Ausländeramt steht in der Kritik - eine Leserin macht den Mitarbeitern dort schwere Vorwürfe. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Termin im Hans-Sachs-Haus. Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referates für Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Waldemar Kinzel, Abteilungsleiter Ausländerangelegenheiten, und Daniel Sulkowski, Teamleiter Aufenthaltsangelegenheiten für Flüchtlinge, wollen Stellung nehmen zu den Vorwürfen. Und geben einen Einblick in die Arbeit der Ausländerbehörde – vor allem während der Corona-Krise.

„Wir sehen uns seit 2015 einer Riesen-Herausforderung gegenüber“, beginnt Olbering. Diese Herausforderung sei etwas zeitversetzt gekommen, fest steht aber: „Das Arbeitsaufkommen hat sich enorm erhöht.“ Vor sechs Jahren suchten Hunderttausende Flüchtlinge eine Zuflucht in Deutschland. Der Referatsleiter gibt zu, dass dieses Ereignis die Ausländerbehörde, ihre Mitarbeiter an ihre Grenzen und darüber hinaus gebracht hat.

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Die Mehrarbeit ab dem Jahr 2015 habe, so berichtet es Daniel Sulkowski, „zu einem enormen zeitlichen Verzug geführt“. Die schlichte Formel war damals: Mehr Arbeitsaufwand bei weniger Personal. „Es gab Personalausfälle und zudem ein Problem, die Stellen zu besetzen“, so Sulkowski weiter.

Die Ausländerbehörde stieg 2016 auf ein Terminvergabeverfahren um

Da die Lage sich als immer unzufriedenstellender erwies, ist die Behörde im Jahr 2016 auf ein Terminvergabeverfahren umgestiegen. Das habe zunächst zu einer „großen Zufriedenheit geführt“, erinnert sich der Teamleiter. Doch der Terminvorlauf wurde mit der Zeit, mit den Wochen und Monaten, immer größer.

Was die Arbeit des Ausländeramtes seit dem Frühjahr 2020 zusätzlich erschwert: Corona. Derzeit ist es für den Publikumsverkehr geschlossen. Und schon während des ersten Shutdowns im Frühjahr 2020 wurde klar, dass nach den Lockerungen kein normaler Betrieb möglich sein würde. In den vergangenen Monaten ging die Arbeit trotzdem weiter. Die Mitarbeiter hätten „im stillen Kämmerlein die Anliegen geprüft“, so Sulkowski – Anträge abgearbeitet, da, wo es ging, Dokumente gefertigt, ausgefüllt und per Post versandt.

Vorsprachen spontaner Art gibt es nicht mehr, eine Einladung nur, wenn nötig. Etwa wenn biometrische Daten abgegeben werden müssen. Die langen Wartezeiten auf einen Termin, das Warten auf wichtige Dokumente – das kann zu großer Not führen, wissen auch die 53 Mitarbeiter der Ausländerbehörde. „Das stellt uns vor organisatorische Herausforderungen, aber es soll am Ende niemand einen Nachteil haben“, verspricht Hans-Joachim Olbering. Wegen eines abgelaufenen Aufenthaltstitels muss also niemand bangen, Überbrückungs-Bescheinigungen helfen beim weiteren Gang zu den Ämtern.

Null-Toleranz-Strategie der Behörde im Umgang mit Rassismus

Und was ist mit dem Rassismusvorwurf oder den Vorwürfen des Wachdienstes gegenüber? „Der Wachdienst ist angehalten, freundlich zu sein“, betont Hans-Joachim Olbering. Wenn sie anderes mitkriegen, „würden wir entsprechend einschreiten.“ „Wir weisen die Kritik zurück“, sagt auch Waldemar Kinzel. Direkt mit den Vorwürfen der jungen Gelsenkirchenerin konfrontiert reagiert er: „Das tut schon ein bisschen weh.“ Und verweist auf die Null-Toleranz-Strategie der Behörde im Umgang mit Rassismus – die sowohl für den Wachdienst als auch alle Mitarbeiter der Behörde gilt.