Gelsenkirchen-Scholven. BP will bis 2050 klimaneutral werden. Der Konzern setzt dabei auf Kunststoff-Recycling, einen US-Partner und die Fläche für die Norderweiterung.

Spätestens bis 2050 will BP klimaneutral wirtschaften und die CO2-Intensität seiner Raffinerie-Produkte reduzieren. Das hat Auswirkungen auf die Produktion. Im März 2021 haben BP und die Sabic Polyolefine GmbH bereits angekündigt, vereint die Kreislaufwirtschaft im Bereich der Petrochemie am Raffinerie- und Chemiekomplex in Gelsenkirchen vorantreiben zu wollen. Dazu wurde eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Nun scheint BP beim Recycling ein wesentlich größeres Rad drehen zu wollen: Geprüft wird die Ansiedlung einer innovativen Anlage für Kunststoff-Recycling. Für den Bau, teilt der Konzern mit, wäre „die Fläche der sogenannten Norderweiterung ideal“.

BP will in Gelsenkirchener Raffinerien Einsatz von fossilem Rohöl deutlich reduzieren

Was BP in begrenztem Umfang mit Sabic projektiert hatte, könnte künftig auf der rund 58 Hektar großen Fläche nordöstlich der Raffinerie Scholven in großem Stil umgesetzt werden: „Gemeinsam mit einem Partner könnte dort künftig aus Kunststoffen wie zum Beispiel gebrauchten Verpackungen und Plastikflaschen sogenanntes Pyrolyseöl produziert und anschließend in der Raffinerie für die nachhaltige Herstellung beispielsweise von Propylen und Ethylen genutzt werden.“ Der Einsatz von fossilem Rohöl ließe sich so deutlich reduzieren. Das Vorhaben wäre somit „ein wichtiger Impuls für die Transformation der Raffinerie und ihrer Produkte hin zur Klimaneutralität“, erklärt das Unternehmen.

Die Norderweiterungs-Fläche in Scholven soll in der engeren Prüfauswahl sein

Marktführer bei Tankstellen

BP betreibt in Scholven und Horst einen Raffinerie und Petrochemiestandort und zählt mit rund 2000 eigenen Beschäftigten zu den großen Arbeitgebern in Gelsenkirchen. In Deutschland beschäftigt BP rund 4600 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz 2019 wird mit 31 Milliarden Euro beziffert. Der Konzern wertet seine Pläne rund um die Norderweiterung als deutliches Bekenntnis zum Standort Gelsenkirchen.

Zum Konzern gehören neben BP Produkte und Dienstleistungen der Marken Aral und Castrol. Mit 2400 Aral-Stationen ist BP Marktführer im Tankstellengeschäft.

Nach WAZ-Informationen erwägt der US-Konzern Brightmark, sich auf der einst für die Norderweiterung des Raffineriestrandorts vorgesehenen Fläche zwischen A 52, Ulfkotter Straße (224), Halde Scholver Feld und der Lüttinghof-Zufahrt „In der Kämpe“ anzusiedeln. Die Fläche in Scholven soll in der engeren Prüfauswahl sein. Aus Sicht von BP scheint Brightmark („ein globales Unternehmen für Abfalllösungen mit der Mission, Abfall neu zu denken“) ein idealer Partner zu sein. Beide Seiten haben bereits im September eine Absichtserklärung für eine engere Zusammenarbeit im Bereich Kunststofferneuerung unterzeichnet.

2015 erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster den Bebauungsplan für unwirksam

Im Schulterschluss mit dem mehrheitlichen Teil der Gelsenkirchener Politik und der Verwaltung verfolgt BP seit über einer Dekade das Thema Norderweiterung des Chemiestandorts Scholven. 2015 erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster den Bebauungsplan jedoch für unwirksam. Der Stadt Gelsenkirchen waren bei der Aufstellung formale Fehler unterlaufen. Ausgelöst hatte das Verfahren ein Polsumer Bürger mit seiner Klage. Er fürchtete „eine Zunahme von immissionsträchtigen Tätigkeiten im festgesetzten Industriegebiet, die an seinem Wohnort nachteilige Auswirkungen haben könnten“, so das OVG damals.

Öffentlich positionierten sich danach besonders die Grünen weiterhin gegen die Erweiterung. Sie sehen räumliche Alternativen auf den Raffinerie- und vor allem den Uniper-Flächen (Lesen Sie auch: Grüne wollen Flächenkonzept für Uniper und BP). Ansonsten herrscht weitgehend Ruhe im Verfahren, das BP nun neu aufrollt. Damit die Überlegungen Gestalt annehmen könnten, müsse als Erstes die planungsrechtliche Genehmigungsgrundlage auf Basis eines Bebauungsplans geordnet werden. Hierzu fänden erste Gespräche mit der Stadt Gelsenkirchen statt, verdeutlicht der Konzern. Bei der Verwaltung geht man davon aus, das an den neuen Plänen orientierte Planverfahren im Februar, März 2022 einzuleiten.

Raffinerieleiter: Kunststoffrecycling ist mit einer innovativen Technologie verbunden

Raffinerieleiter José Luis García Galera.
Raffinerieleiter José Luis García Galera. © BP

„Die Norderweiterung ist und war für uns richtungsweisender Teil einer nachhaltigen Zukunft für die Raffinerie. Die Idee könnte sich zu einem Leuchtturmprojekt für die Region entwickeln“, erklärt Raffinerieleiter José Luis García Galera, denn „das Thema Kunststoffrecycling ist mit einer innovativen Technologie verbunden, die es so in Deutschland noch nicht gibt.“ Damit könnten in Gelsenkirchen künftig Kunststoffprodukte im Zuge einer Kreislaufwirtschaft einer Wiederverwertung zugeführt werden, statt auf dem Müll oder in der Müllverbrennung zu landen.

Bebauungsplan soll in einem Neuaufstellungsverfahren angepasst werden

„Wir wollen unsere Raffinerie im Dialog mit der Stadt sowie politischen und gesellschaftlichen Vertretern weiterentwickeln“, betont García Galera. Der für die Norderweiterung notwendige Bebauungsplan solle nun in einem Neuaufstellungsverfahren entsprechend angepasst werden. Dessen positiver Abschluss sei von zentraler Bedeutung für den dortigen sogenannten Fremdfirmenhof wie auch für die weiteren Planungen. Die Fläche biete eine ideale Anbindung sowohl an die lokale Infrastruktur als auch an die Raffinerie. Gemeinsam, so der Raffinerieleiter, habe man nun die Chance zahlreiche Arbeitsplätze zu schaffen und den „Innovationsstandort Gelsenkirchen sowie die Chemieregion des nördlichen Ruhrgebietes zu stärken“.