Gelsenkirchen-Scholven. Plastikmüll wird zu Pyrolyseöl: Bei BP und Sabic in Gelsenkirchen entstehen so in Polymeranlagen neue Kunststoffe. Das Verfahren ist wegweisend.

BP und die Sabic Polyolefine GmbH, Unternehmensnachbarn mit langjährigen Geschäftsbeziehungen an der Pawicker Straße in Scholven, wollen vereint die Kreislaufwirtschaft im Bereich der Petrochemie am Raffinerie- und Chemiekomplex in Gelsenkirchen vorantreiben. Sie haben haben eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Die neue Zusammenarbeit werde dazu beitragen, die Herstellung zertifizierter zirkulärer und damit nachhaltigerer Kunststoffprodukte zu steigern, teilen beide Konzerne mit.

In der Raffinerie Gelsenkirchen verarbeitet BP alternatives Öl zu Propylen und Ethylen

Diese Kunststoffprodukte, so genannte Polymere, gehören zum so genannten „Trucircle-™“ Portfolio von Sabic. Sie werden durch fortschrittliches Recycling hergestellt, indem gemischter und gebrauchter Kunststoff, der ansonsten verbrannt oder auf einer Deponie landen würde, zu Pyrolyseöl umgewandelt wird, erklärt das Unternehmen das Verfahren. In der Raffinerie Gelsenkirchen verarbeitet BP dieses alternative Öl zu Propylen und Ethylen, woraus in einem weiteren Schritt Sabic in den Polymeranlagen am Standort Kunststoffe produziert. Die Eigenschaften dieser Kunststoffe seien völlig identisch mit denen, die ausschließlich aus fossilen Rohstoffen hergestellt worden sind, so Sabic-Pressesprecherin Michaela Stamm. Sie können zudem wieder und wieder recycelt werden. Nach erfolgreichen Tests im vergangenen Dezember hat die Polymerproduktion mit dem alternativen Ausgangsmaterial Anfang 2021 begonnen.

Bis zu 30 Prozent der Ethylen- und Propylenproduktion aus nachhaltigen Rohstoffen

BP betreibt in Gelsenkirchen in seinem komplexen Raffinerie- und Petrochemie-Standort mit rund zwei Millionen Tonnen Produktionskapazität eine der größten Olefinanlagen Deutschlands „Dies ist ein wichtiger Meilenstein für unsere Vision, bis 2030 bis zu 30 Prozent unserer Ethylen- und Propylenproduktion aus nachhaltigen und recycelbaren Rohstoffen herzustellen. Es ist eine großartige Leistung des Gelsenkirchener Teams, diese neue Initiative mit unseren Partnern bei Sabic nach mehr als einem Jahr Vorbereitung auf den Weg gebracht zu haben. Gleichzeitig ist es ein Beispiel dafür, um was es bei der kürzlich bekanntgegebenen Net Zero Strategie von BP geht,“ betont Wolfgang Stückle, Vice President Refining and Specialities Solutions Europe und Africa bei BP.

Standards entlang der Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum Endprodukt

Die Basischemikalien von BP und die speziell zertifizierten zirkulären Polymere von Sabic sind zudem im Rahmen des Programms International Sustainability and Carbon Certification plus (ISCC+) anerkannt. ISCC+ soll als Gütesiegel Standards entlang der Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum Endprodukt sichern. Es dient ebenso als Basis für ein sogenanntes „Massenbilanzsystem“. Für jede Tonne zirkuläres Ausgangsmaterial, das in die petrochemische Anlage eingespeist wird und fossiles Ausgangsmaterial ersetzt, kann somit eine Tonne der Produktion als nachhaltig produziert eingestuft werden.

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Sabic hält 12.540 Patente weltweit

Sabic mit Hauptsitz in Riad, Saudi-Arabien, produziert weltweit in Amerika, Europa, dem Nahen Osten und im asiatisch-pazifischen Raum und stellt unter anderem Chemikalien, Rohstoffe und Hochleistungskunststoffe, Düngemittel und auch Metalle her.

Der Umsatz wird für 2019 mit 37,3 Milliarden US-Dollar (ca. 30,8 Milliarden Euro) angegeben. Der Konzern verfügt weltweit über 12.540 globale Patentanmeldungen

„Sabic engagiert sich stark im Aufbau einer neuen Kreislaufwirtschaft, in der Kunststoff niemals zu Abfall wird. Durch fortschrittliches Recycling können wir die Produktion nachhaltigerer Materialien steigern und die Ressourcen unseres Planeten mit Bedacht nutzen, während wir konventionelle Ansätze wie Deponierung und Verbrennung reduzieren. Fortschrittliches Recycling spielt im aktuellen Recycling-Mix eine entscheidende Rolle, da es den Wert von Kunststoffabfallströmen erfassen kann, die traditionell ignoriert oder weggeworfen wurden “, sagt Fahad Al Swailem. Der Vice President PE & Sales bei Sabic kündigt an: „Wir bauen unsere Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden weiter aus. Diese neue Initiative mit unserem langjährigen Partner BP bringt uns einen Schritt weiter, um unsere Vision zu verwirklichen.“

BP investiert in die Raffinerien in Gelsenkirchen

BP hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 oder früher ein klimaneutrales Unternehmen zu sein. Auch dafür wird der Aral-Mutterkonzern BP Europa SE seinen Raffinerie-Standort Gelsenkirchen grundlegend modernisieren und dafür zwei Milliarden Euro in die Hand nehmen. In Deutschland beschäftigt der Konzern (mit Produkten und Dienstleistungen der Marken BP, Aral und Castrol) rund 4600 Mitarbeiter. In Gelsenkirchen sind an den Standorten Horst und Scholven noch rund 2000 Mitarbeiter beschäftigt. Unterm Strich rund 100 Stellen sollen bis Ende 2021 abgebaut werden. In den lokalen Werken werden insgesamt 14 verschiedene Arten von petrochemischen Produkten mit einem Jahresvolumen von etwa drei Millionen Tonnen hergestellt.