Gelsenkirchen. 2G: Was nun? Eine Gelsenkirchenerin hat eine Medikamentenintoleranz und darf nicht geimpft werden. Regeln für Leute wie sie sind bislang ungenau.

Als wir Petra Sänger-Heinze telefonisch erreichen, kommt sie gerade vom Testen zurück. Bei ihr ist der Gang in ihre Stammapotheke mittlerweile fast so alltäglich wie das Putzen der Zähne. „Ich bin 64 Jahre alt und leide seit zirka 25 Jahren an einer ausgeprägten Medikamentenintoleranz“, erzählt sie. „Aus diesem Grund kann ich aus medizinischer Sicht nicht geimpft werden.“ Bislang bekam sie bei Vorlage ihres ärztlichen Attests einen kostenlosen Schnelltest. Aber jetzt, wo ein Negativ-Test nicht mehr ausreicht, um an weiten Teilen des öffentlichen Lebens teilzunehmen, fragt sich die Bueranerin: „Was passiert jetzt mit mir? Werde ich nun völlig ausgeschlossen?“

Gelsenkirchenerin über 2G: „Man wünscht sich schon, man sei infiziert“

2G - das ist Sänger-Heinzes Sorge – wird das Leben für sie enorm erschweren. „Man hat schon ganz verrückte Gedanken“, gibt sie zu. „Man fängt an, sich zu wünschen, dass man sich infiziert, damit man das Genesenen-G hat.“ Im Gesundheitsamt habe man ihr noch nicht mitteilen können, wie mit Menschen umgegangen werden soll, die sich nicht impfen können. „Ich habe die Sorge, dass da Willkür entsteht, dass der ein hü sagt und der andere hott.“

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Aber ist die Sorge berechtigt? Wir fragen das Landesgesundheitsministerium, welche Regelungen für Menschen wie Petra Sänger-Heinze gelten – und erhalten lediglich einen Verweis auf die jüngsten Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz von Donnerstag (18. November) als Antwort. Darin heißt es: „Für Personen, die nicht geimpft werden können und für Personen, für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt, sind Ausnahmen von [...] Zugangsbeschränkungen vorzusehen, um eine Teilhabe an entsprechenden Angeboten zu ermöglichen.“ Zudem seien Ausnahmen für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren möglich.

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Was heißt das konkret? NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verwies in einer Pressekonferenz am 16. November darauf, dass man nach der Ministerpräsidentenkonferenz sofort mit den kommunalen Spitzenverbänden reden werde, sich folgend im Kabinett mit dem Entwurf einer Verordnung befassen werde und im Verlauf der kommenden Woche, also ab dem 22. November, dann in die Umsetzung gehen wolle. Für Petra Sänger-Heinze bleiben bis dahin die ungenauen Formulierungen von „Ausnahmen“, an denen sie sich orientieren kann und muss.

2G beim Friseur: Kein Haarschnitt mehr für jeden Ungeimpften?

Immerhin gibt es für den Gelsenkirchener Weihnachtsmarkt bereits mehr Sicherheit. Die Stadt hat mit Blick auf den Weihnachtsmarkt schon gesonderte Regeln festgelegt. In einer Allgemeinverfügung vom 18. November heißt es: Die 2G-Zutrittsbeschränkung gilt nicht für Schwangere, Kinder unter 13 Jahren und „Personen, denen aus ärztlich bescheinigten Gründen eine Impfung nicht empfohlen wird“ – also Personen wie Petra Sänger-Heinze. Sie müssen stattdessen einen aktuellen Test vorweisen und den „Nachweis über das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes mitführen.“

Den Weihnachtsmarkt wird die 64-Jährige also weiter besuchen dürfen. Aber die Sorge bleibt, dass andere Bereiche des öffentlichen Lebens für sie erst einmal verschlossen bleiben – etwa der Friseursalon. „Für mich bleibt eine enorme Unsicherheit.“

Gelsenkirchens Friseur-Innungsobermeister Holger Augustin gibt – zumindest für seinen Salon – Entwarnung. Er würde nach dem aktuellen Stand trotz 2G-Regel so verfahren, wie er es auch bislang mit Kunden getan hat, die ein Attest vorgelegt haben, um von der Maskenpflicht befreit zu werden. „Ich würde ein Attest und einen tagesaktuellen Schnelltest fordern“, sagt er. Vorerkrankten Menschen oder Menschen mit einer Unverträglichkeit „kann man ja jetzt nicht plötzlich einen Haarschnitt verwehren.“