Gelsenkirchen-Buer. Wie ein verzweifeltes Paar mit Baby versucht, sich den Traum vom Haus in Gelsenkirchen-Buer doch noch zu erfüllen. Es sucht schon seit Jahren.
Nein, natürlich wollen sie nicht fünf oder zehn Jahre älter sein. Jetzt, wo Baby Matilda da ist, fühlt sich alles richtig an, so wie es ist: Mama Magdalena Mohr (33) in Elternzeit, Papa Jan Letailleur (34) glücklich in seinem Job als Lehrer – und als Eltern, versteht sich. Trotzdem: Hätten sie sich früher getroffen, wäre es wahrscheinlich einfacher gewesen, ein Eigenheim in Buer zu finden. Nach zwei Jahren vergeblicher Suche ist das Paar mittlerweile so verzweifelt, dass es nun ungewöhnliche Wege geht.
„Wir haben fast alles probiert bei unserer Suche nach einem Haus in Buer oder Hassel: Internetportale durchforstet, Immobilienabteilungen von Banken aufgesucht, Freunde und Bekannte angesprochen, auch unsere Familien halten Augen und Ohren offen. Aber der Markt vor Ort ist wie leer gefegt – oder es werden Mondpreise verlangt“, berichtet Magdalena Mohr.
Gelsenkirchener Paar versucht, mit Flyern auf seine Haussuche aufmerksam zu machen
So ratlos waren die werdenden Eltern im Sommer, dass sie die Flucht nach vorn antraten. Frei nach dem Motto: Wenn unser Traumhaus noch nicht auf dem Markt ist, müssen wir es vielleicht dorthin schubsen. So ließen sie Hochglanz-Flyer mit ihrem Anliegen im DinA6-Format drucken – und warfen sie eigenhändig in Tausende Briefkästen in Buer.
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„Wir suchen ein neues Zuhause in Gelsenkirchen-Buer!“ heißt es auf dem Flugblatt. Als „glückliches Paar“ stellen sie sich da vor, das „schon seit längerer Zeit ein Eigenheim mit einem schönen Garten“ suche, „bisher leider ohne Erfolg“.
Mittlerweile ist Baby Matilda mit dabei, wenn sie die Flyer in die Briefkästen werfen
„Möchten Sie Ihr Haus verkaufen?“ Oder kennen Sie vielleicht jemanden, der seine Immobilie in Gelsenkirchen-Buer oder näherer Umgebung veräußern möchte?“, so die direkte Ansprache, verbunden mit der Bitte, in einem solchen Fall Kontakt aufzunehmen. Ein Versuch, auf Immobilien aufmerksam zu werden, bevor sie ins Portfolio von Makler oder Maklerin wandern.
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Rund drei Monate ist es her, dass sie die ersten Flyer eingeworfen haben. Mittlerweile ist die sechs Wochen alte Matilda im Kinderwagen mit dabei, wenn sie ihre Runden durch die Straßen drehen und Briefkästen mit den Zetteln bestücken. Seither haben immer mal wieder Leute angerufen oder gemailt und versprochen, die Augen offenzuhalten. Allein: Fündig geworden ist die junge Familie noch nicht.
„Wir brauchen jetzt ein Haus und nicht erst in 20 Jahren“
„Die Rückmeldungen waren alle sehr freundlich. Das hat uns ermutigt, diesen Weg weiterzugehen“, erzählt Magdalena Mohr, die als Lehrerin für die Fächer Englisch und Kunst an der Gesamtschule Berger Feld arbeitet. Lebensgefährte Letailleur ergänzt: „Es frustriert und deprimiert uns schon, dass es selbst mit zwei Lehrergehältern offenbar unmöglich ist, hier in Buer ein Haus zu kaufen.“ Ihnen sei bewusst, dass der Immobilienmarkt womöglich völlig überhitzt ist, „aber wir brauchen jetzt ein Haus und nicht in 20 Jahren. Und wer sagt uns denn, dass die Lage nicht noch dramatischer wird?!“
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Dass sie weiterhin täglich Immobilien-Portale durchsuchen, versteht sich von selbst. „Aber wenn mal was Interessantes aufploppt und ich Jan den Link schicke, dann ist das Angebot oft schon wieder entfernt, wenn er sich meldet. Einfach, weil es schon genug Interessenten gibt, wie es dann heißt. Auf jede Anzeige melden sich Hunderte.“
Ein Altbau hätte ein Charme, aber auch ein Neubau ist gut vorstellbar
Allzu konkrete Vorstellungen von ihrem Traumhaus wagen die Zwei gar nicht mehr zu formulieren: „Wir sind offen für alles, was mindestens 120 Quadratmeter groß ist“, sagt der Mathe- und Sport-Lehrer, der an einer Schule in Borken unterrichtet. „Wichtig ist uns nur ein großer Garten, weil wir naturverbunden sind. Gerade für Kinder gibt es doch nichts Schöneres, als im eigenen Garten herumzutoben“, meint Magdalena Mohr mit Blick auf Matilda, die gerade in ihrem Arm eingeschlafen ist.
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Ein Altbau mit hohen Decken und vielen Fenstern, einer großen Wohnküche („ich koche so gerne“), ja, das hätte schon Charme, sagt sie. Zwei Arbeitszimmer seien auch nötig, schließlich will die junge Mutter nach der Elternzeit wieder zurück in den Job. „Wir erkundigen uns aber auch nach jüngeren Gebäuden oder Neubauten, wie sie etwa in Hassel am Stadtteilpark entstehen“, sagt sie.
Gelsenkirchen-Buer zu verlassen, können sie sich nicht vorstellen
Ob sie dort Chancen haben, ist allerdings offen: „Als ich vor ein paar Monaten bei der RAG Montan Immobilien als Bauherr nachgehakt habe, hieß es schon, dass sich für die 40 geplanten Eigenheime mehr als 500 Interessenten gemeldet hätten.“ Trotzdem hat Letailleur dort einen Termin vereinbart.
Online-Tool der Stadt zeigt verfügbare Wohnbauflächen
Ein Online-Tool der Stadt Gelsenkirchen zeigt interaktiv verfügbare Wohnbauflächen an. Die Karte verweist überwiegend auf Baulücken, aber auch auf größere mögliche Entwicklungsflächen, welche kurz- bis mittelfristig bebaubar und zum Teil bereits erschlossen sind.Im Stadtsüden liegen solch kurzfristig bebaubare Flächen an der Richardstraße (ehemaliges Gelände Schalker Verein), an der Schwarzmühlenstraße, an der Flora-/Schlesierstraße sowie am Graf Bismarck II. Mittelfristig bebaubare Lücken befinden sich an der östlichen Kanalstraße und an Graf Bismarck III. Im Norden lassen sich zum Beispiel Flächen an dem ehemaligen Gebäude der Stadtwerke in Horst, an der ehemaligen Kokerei Hassel und an der Hanfstraße vorfinden. Bauinteressierte müssen allerdings erst mit der Stadt Kontakt aufnehmen um zu klären, ob eine baurechtliche Genehmigungsfähigkeit vorliegt. Info: https://www.gelsenkirchen.de/de/infrastruktur/bauen_und_wohnen/baugebiete_und_grundstuecke/baulueckenkataster.aspx
Den Einzugsbereich zu erweitern und den Großraum Buer zu verlassen, nein, darauf wollen sie sich nicht einlassen. „Wir sind hier in Buer aufgewachsen und verwurzelt und schätzen den Kleinstadt-Charme“, so die 33-Jährige.
Die Klagen darüber, dass der Stadtteil in eine soziale Schieflage zu kippen drohe, die können die Bueraner so nicht nachvollziehen. „Ich habe mal in Essen und in Dortmund gelebt. Das ist dort eine ganz andere Liga“, stellt sie klar und blickt auf den Stapel mit den Flyern. Von 3000 Exemplaren sind noch Hunderte übrig. „In den nächsten Wochen ist die andere Hälfte von Buer dran. Wir geben die Hoffnung nicht auf.“
Das Paar Mohr/Letailleur ist per Mail erreichbar: magdalena.mohr@gmx.de und janletailleur@gmx.de
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