Gelsenkirchen-Ückendorf. Mit großen Ambitionen wurde die Gelsenkirchener Kirche zum Spielort umgebaut. Wie Stoppok, Tess Wiley und Technik sich beim „Soundcheck“ schlugen.

Es fehlt fast nur noch der Glockenschlag, aber Glocken hängen längst nicht mehr im Turm. Dafür öffnet sich pünktlich das Portal der Heilig-Kreuz-Kirche für die gut 50 Besucher, die schon auf dem Platz an der Bochumer Straße gespannt gewartet haben. Eckig und dunkel, dieser Eindruck schwindet im Foyer umgehend, weiße Wände und freundliches Licht empfangen die Premierengäste.

Es ist „Soundcheck“ angesagt am gleichzeitig jüngsten wie ältesten Spielort der Stadt, der mit immensem Aufwand umgebauten, umgestalteten Kirche. Was wohl alle an diesem Abend beherrscht, ist Staunen, Neugier und gerade an dieser Stätte sicher auch: Unglauben.

Gewaltige Bögen und Raum nach oben

Denn es ist, als wäre diese Umwidmung des nun außer Dienst gestellten Sakralbaus diese Umwidmung in seinen bald 100 Jahre alten Backsteinmauern angelegt gewesen. Dabei ist das doch kein Konzertraum, er kann es eigentlich nicht sein, mit diesen geradezu gewaltigen Bögen in dem Gewölbe, dem Kirchenschiff, mit einer Bühne in der Apsis nach Osten, über der so dermaßen viel Raum ist.

Sie genossen den „Stapellauf“: Tess Wiley und Stefan Stoppok stellen die Ton- und Lichttechnik in der Gelsenkirchener Heilig-Kreuz-Kirche auf die Probe.
Sie genossen den „Stapellauf“: Tess Wiley und Stefan Stoppok stellen die Ton- und Lichttechnik in der Gelsenkirchener Heilig-Kreuz-Kirche auf die Probe. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Immerhin haben auch das Taufbecken und die beiden Beichtstühle draußen klar gemacht, was das so lange Zeit gewesen ist. Bis zu 800 Besucher sollen es nun werden können, dann kommt auch die Empore noch dazu. Für den Auftakt sind 200 Karten in den freien Verkauf gegangen. Insgesamt fünf Veranstaltungen umfasst diese „Soundcheck“-Reihe, um Licht- und Tontechnik und alle anderen Abläufe auch für die Crew von Emschertainment gründlich zu testen.

Vorab ist schon klar: Alle sind ausverkauft. Wer auf Pannen gespannt war, wird sicherlich positiv überrascht sein. Bestenfalls spielen sich Stefan Stoppok und Tess Wiley in bester Laune die Bälle zu, holen entspannt aus, plaudern, witzeln. Und genießen die Zeit an diesem ungewöhnlichen Ort.

Geschäftsführer von Gelsenkirchener Emschertainment plagt das Lampenfieber

Das Eckige des Gelsenkirchener Backsteingebäudes verliert sich im Inneren mit viel Licht und seinen gewaltigen Bögen.
Das Eckige des Gelsenkirchener Backsteingebäudes verliert sich im Inneren mit viel Licht und seinen gewaltigen Bögen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Sven und Toby an der Lichttechnik lächeln jedenfalls: „Ziemlich gechillt. Wir freuen uns auf den Test, das ist eine große Herausforderung.“ Helmut Hasenkox, Geschäftsführer der Emschertainment, ist deutlich aufgeregter „wie vor einer Schiffstaufe.“

Auf der Bühne beschreibt er dann „Wir machen das jetzt 30 Jahre, keine Ahnung, wie viele tausend Veranstaltungen das waren, und ich bin so was von aufgeregt.“

Dabei ist das hier „doch nur ein Testlauf“, richtig losgehen soll es erst im Januar. Immerhin haben sie ihn schon überrascht, erzählt er kurz und begeistert, als es um die „Soundcheck“-Abende ging, möglichst mit verschiedenen Formaten.

Künstler-Größen wollten bei Probelauf alle gleich dabei sein

„Ich habe nicht damit gerechnet, dass ein Stoppok, eine Gerburg Jahnke und die Neue Philharmonie gleich sagen: Klar, machen wir.“

Um so mehr freut es ihn, dass Stoppok die Reihe mit Tess Wiley eröffnet. Immerhin hat der das letzte Konzert vor Corona „am 4. März 2020 bei uns gegeben“, in der Kaue, mit seinem Programm „Jubel“.

Lockere zwei Stunden stemmen Stoppok und die Texanerin Tess Wiley mit Pause. Dann zeigt sich, dass es passt. Die ersten Karten mit insgesamt elf (bangen?) Fragen, die vorab verteilt wurden, landen prompt ausgefüllt in den Sammelboxen. Die Anreise, die Parksituation, die Temperatur und Luftqualität, Akustik und Sicht, Ambiente und Lichtdesign „in der HKK“, die Crew fragt umfassend nach. Wer will, kann für Facebook beim Kamera-Kurzinterview seinen Eindruck hinterlassen.

Publikum zeigt sich beeindruckt und begeistert

Die großen Augen und entspannten Mundwinkel rundum machen aber klar: Sie haben alle darauf gewartet und sind nicht enttäuscht, nicht im Mindesten. Sondern beeindruckt und schwer begeistert.

Eine Seniorin schildert kurz, was sie alles in der Kirche erlebt hat, Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten, Feiertage, und wie froh sie ist, dass die Kirche nun wieder genutzt werden kann, und das in dieser Form, „offen für alle“.

Akustik transportiert vollen Klang glasklar bis in die letzte Stuhlreihe

Es ist das Licht, das den immensen Raum über der Bühne nutzt und in wechselnd satten Farben für eigene Stimmungen sorgt. Es ist die Akustik, die bis in die letzte Stuhlreihe für umfassenden, vollen Klang sorgt und dabei gerade die leisen Passagen glasklar transportiert. Denn auch die gibt’s bei Stoppok.

Wenn alles gut geht

Wer bei der Premiere nicht dabei sein konnte, den tröstete Stefan Stoppok: „Wenn alles gut geht, komm’ ich im November und Dezember wieder.“

Dann allerdings solo, und zwar am 25. November und 15. Dezember jeweils mit seinem Programm „Echter Klang statt Fake Noise!“, jeweils in der Kaue an der Wilhelminenstraße. Tickets kosten 31,40 Euro über eventim. Infos: www.emschertainment.de/veranstaltungen/

Dabei ist dem heute Abend mehr nach Spaß, danach, seine große Erleichterung nach der langen Zwangspause mit einer kongenialen Partnerin auszuleben. Immer wieder spielt er auf die Pandemie an, „ich muss mich ja erst mal wieder dran gewöhnen, Leute vor mir, hinter mir, neben mir zu haben“. Dabei warnt er auch: „Ihr könnt jetzt aber auch nicht mehr umschalten, wie die ganze Zeit zu Hause im Internet, da müsst ihr durch.“ Sie wollen aber auch gar nichts anderes, „vereinsamt, wie ihr durch das viele Home-Office geworden seid“.

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Stoppok und Tess Wiley liefern an diesem Abend mit immenser Spielfreude; die locker besetzten Reihen vor ihnen lassen sich nur zu gern animieren, mitzusingen und im Wechsel zu antworten.

Bei „Hauptsache, dein Herz singt“ stehen alle, und sie lassen ihn nicht ohne Zugabe gehen.