Essen/Gelsenkirchen. Der 57-Jährige aus Gelsenkirchen, der wegen Steuerhinterziehung vor Gericht steht, hat sich zu den Vorwürfen geäußert. Das sind die Details.

Es war viel Selbstkritik zu vernehmen in Saal 001 des Essener Landgerichts an diesem Mittwochvormittag. Der Prozess gegen den 57-jährigen Geschäftsmann aus Gelsenkirchen wurde fortgesetzt, und nach der Verlesung der Anklage vor zwei Wochen und dem Auszug aus dem Vorstrafenregister vom vergangenen Mittwoch nahm jetzt der Angeklagte selbst erstmals ausführlich Stellung zu dem, was ihm und drei Mitangeklagten von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird.

Und das ist eine ganze Menge. Wie berichtet, soll der 57-Jährige gemeinsam mit Helfern Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. „Ich will mich umfassend einlassen“, kündigte der Angeklagte an, das zeige, dass er sich seiner Verantwortung stelle. „Ich will festhalten, dass ich im beruflichen und privaten Bereich viele Fehler begangen habe“, sagte er. „Deswegen bin ich in U-Haft. Ich setze mich mit diesen Fehlern auseinander und werde mit den Konsequenzen leben.“ Er dankte seiner Ehefrau und seinen erwachsenen Kindern für den Halt, den sie ihm in dieser schweren Zeit gäben.

Der Gelsenkirchener schildert seine Lebensgeschichte

Der 57-Jährige schilderte seinen Lebenslauf, beschrieb, wie er aus kleinen Verhältnissen kommend, von klein auf hart gearbeitet hätte. Im Jurastudium habe er seinen späteren Geschäftspartner kennengelernt, der im Spielhallengeschäft tätig war. Schon in den 80er-Jahren habe es Manipulationen an Geldspielautomaten gegeben - „das war in der Szene so üblich“, sagt der Unternehmer. [Lesen Sie auch: Steuerbetrug, Erpressung: Gelsenkirchener zweifach angeklagt ]

Schon während des Studiums habe er sein erstes Gewerbe angemeldet, ein Examen habe er nicht gemacht: „Ich wollte mir die Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen, nicht nehmen lassen“, sagt er. Das Geschäft mit dem Glücksspiel florierte: Irgendwann betrieb er nicht nur Spielhallen, sondern kaufte und verkaufte sie auch. In dieser Zeit, um die Jahrtausendwende, habe er auch seinen heute 49-jährigen Mitangeklagten kennengelernt, der habe damals angefangen, für ihn zu arbeiten.

„Hatte das Gefühl, kurz vor dem Burnout zu stehen“

2012 habe es dann einen Wendepunkt gegeben. Als der Glücksspielstaatsvertrag in Kraft trat, verschlechterten sich die Rahmenbedingungen für Automatenbetreiber deutlich. Er habe daraus seine Konsequenten gezogen und sich auf anderen Geschäftsfeldern umgetan. Er betrieb ein Hotel in Bayern, Gastronomiebetriebe in NRW und kaufte Immobilien, darunter auch in Gelsenkirchen.

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Doch das sei ihm bald zu viel gewesen. „Heute weiß ich, dass ich zu viele Projekte gleichzeitig betrieben habe und mir die Sache über den Kopf gewachsen ist“, gestand er. „Ich war überfordert und hatte das Gefühl, kurz vor einem Burnout zu stehen.“ Auch privat sei es nicht mehr rund gelaufen: Neben seiner Ehefrau habe er eine Geliebte gehabt, mit der er erst im September 2021 einen weiteren Sohn bekam – weil er seit Februar in U-Haft sitze, habe er diesen aber noch nicht sehen können.

Verhältnis zum Mitangeklagten ist inzwischen zerrüttet

Glaubt man der Staatsanwaltschaft, war die andere Konsequenz, die der Geschäftsmann aus dem Glücksspielstaatsvertrag zog, der Entschluss, Steuern zu hinterziehen. Laut dem 57-Jährigen jedoch sei es der 49-jährige Mitangeklagte gewesen, der die treibende Kraft dabei war. Der 57-Jährige habe damals erwogen, Spielhallen zu schließen, der 49-Jährige habe dagegen vorgeschlagen, nicht alle Einnahmen dem Staat zu melden, auch, weil er „Existenzängste“ gehabt habe. Dafür habe der 57-Jährige Verständnis gehabt, auch habe er seine Mitarbeiter behalten wollen: So sei es zu den Steuerhinterziehungen gekommen. Für den technischen Vorgang der Manipulation sei allein der 49-Jährige zuständig gewesen.

Das Verhältnis der beiden ist inzwischen zerrüttet, obwohl es laut dem 57-Jährigen zunächst freundschaftlich gewesen sein soll. Der Unternehmer warf seinem Angestellten vor, mehr manipuliert zu haben als ursprünglich abgesprochen, dabei soll sich der 49-Jährige kräftig selbst bedient haben. „Ich bin tief enttäuscht und fühle mich von ihm hintergangen“, sagte der 57-Jährige. Er bestritt auch, dass die Zahlen, die die Staatsanwaltschaft genannt hatte, richtig seien: Während die davon spricht, dass pro Monat Beträge von bis zu 150.000 Euro hinterzogen worden seien, sind es laut dem Angeklagten eher Beträge zwischen 20.000 und 60.000 Euro gewesen.

Antrag auf Entlassung aus der U-Haft

Auch der 49-Jährige sagte umfassend aus – anders als seinem ehemaligen Chef, der seine vorbereitete Aussage vorlas, fiel es dem Jüngeren offensichtlich nicht leicht, vor Gericht zu sprechen. Mühsam suchte er nach Worten, verhaspelte sich oft, verstrickte sich bisweilen in Widersprüche. Er behauptete, er habe sich relativ frei an dem Schwarzgeld bedienen dürfen: Sein Chef habe ihm gesagt, „ich soll mir nehmen, was ich brauche.“ Das seien pro Monat zwischen 3000 und 6000 Euro gewesen.

In der nächsten Woche wird weiterverhandelt. In der Zwischenzeit muss das Gericht über einen Antrag befinden: Die Anwälte des 57-Jährigen beantragten eine Aussetzung der Untersuchungshaft.

Darum geht es in dem anderen Prozess gegen den 57-Jährigen

Der Gelsenkirchener Geschäftsmann muss sich zusätzlich wegen „versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung“ verantworten. Mit Komplizen soll der Unternehmer versucht haben, 200.000 Euro von seinem Opfer zu erpressen. Prozessauftakt ist am 12. November.

Zu dieser Anklage gibt es jetzt neue Details. Demnach sollen zwei Personen in die Wohnung eines mitangeklagten Gelsenkircheners gelockt und dort verprügelt worden sein. Das sollte der Forderung Nachdruck zu verleihen, das Geld innerhalb von 24 Stunden zu beschaffen. In der Anklage ist von Prellungen, Frakturen und lockeren Zähnen die Rede. Bei den beiden Attackierten soll es sich um zwei Bekannte der Tochter des Unternehmers handeln.