Gelsenkirchen. Die Stadt Gelsenkirchen hat erstmals Geld geerbt – und davon gar nicht wenig. Was nun passieren soll, wohin das Geld geht, wer dahinter steckt.
So etwas hat es in Gelsenkirchen noch nicht gegeben! In all den Jahren Stadtgeschichte – (wahrscheinlich) niemals. Das allein kann ein Grund zur Freude sein, der andere liegt in der Natur der Sache: Die klamme Stadt Gelsenkirchen bekommt wie aus dem Nichts finanzielle Unterstützung. Der Stadt wurde Geld vermacht, viel Geld. Was es mit der Erbschaft auf sich hat.
Gelsenkirchen und die Erbschaft: Wie die Stadt unerwartet an Geld kam
Eigentlich ist die Nachricht nur an eine nüchterne Vorlage im Ausschuss für Soziales und Arbeit geknüpft. Die Mitglieder beraten in ihrer jüngsten Sitzung die Beschlussvorlage mit dem Titel „Inanspruchnahme eines Erbes zu Gunsten der Armen der Stadt“ – und stimmen mehrheitlich zu.
Hinter den gedruckten Worten werden schon bald einige gute Taten stecken – doch der Reihe nach. „Die Erbschaft kam für uns aus heiterem Himmel“, erklärt Jan-Peter Totzek, Kommunikationschef bei der Stadt Gelsenkirchen. Bereits im Jahre 2018 sei die Stadt vom Amtsgericht über die Erbschaft informiert worden.
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„Das ist das erste Mal, dass uns so etwas passiert ist“, weiß Totzek ebenfalls zu berichten. Das sorgte gerade am Anfang aller Erbschafts-Planungen für eine gewisse Unsicherheit – wie geht man damit um, für was verwendet man das Geld, wer wählt die Menschen und Organisationen aus, die von dem Geld profitieren können?
Klar hingegen war von Anfang an, mit welchem Posten zu rechnen ist: ganz genau 179.208,36 Euro hatte der Gelsenkirchener Georg Friedrich Opretzka der Stadt vererbt. „In seinem Testament verfügte Herr Opretzka, dass seine Sparguthaben den „Armen der Stadt“ zukommen sollten“, heißt es in der Ausschuss-Vorlage.
Erbschaft in Gelsenkirchen: So sollen die knapp 180.000 Euro eingesetzt werden
Um das Geld sinnvoll einzusetzen, da, wo es doch so dringend gebraucht wird, kam die Verwaltung auf die Idee, besonders förderungswürdige Projekte durch eine Findungskommission aus Mitgliedern von Politik und Verwaltung zu ermitteln. Grundlage dafür sollte ein Interessenbekundungsverfahren der freien Träger sein. „Das ganze Verfahren wurde durch Corona auf Eis gelegt“, erläutert Totzek.
Stillstand gab es aufgrund der Pandemie nur bedingt: Im Verlauf des vergangenen Jahres hatte das Referat Soziales der Stadt eine verwaltungsinterne Abstimmung über mögliche Projekte angestoßen. Gekita, das Referat Kinder, Jugend und Familien, die Koordinierungsstelle Senioren- und Behindertenbeauftragte und das Referat Soziales haben daraufhin mehrere Ideen eingereicht.
Ein Großteil des Erbes für Gelsenkirchen wandert in einen Hilfsfonds für Senioren
Stand jetzt sind 155.000 Euro des knapp 180.000 Euro hohen Erbes schon genau verplant. Mit dem größten Teil des Erbes, in Summe 50.000 Euro, soll eine Art „Hilfsfonds“ für Seniorinnen und Senioren entstehen: Dieser Hilfsfonds macht Gelder frei für kleine monetäre Hilfen für all die Menschen, deren Einkommen knapp über der Einkommensgrenze für den Bezug von Sozialleistungen liegt. Auch die Inanspruchnahme von Fahrdiensten, Entrümpelungen, Umzügen, Hausmeisterdiensten und vielem mehr könnten darüber finanziert werden. Federführend beteiligt ist die Koordinierungsstelle Senioren- und Behindertenbeauftragter (SBB).
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So sollen 20.000 Euro für wetterfeste Kleidung für Kinder in Gelsenkirchener Kindertagesstätten ausgegeben werden. Winterjacken, Gummistiefel und Co. sollen nicht nur gelagert, sondern auch bedarfsgerecht verteilt werden. Mit der Bereitstellung seien in der Vergangenheit bereits positive Erfahrungen in 20 Kitas gemacht worden, heißt es in der Verwaltungsvorlage.
Weitere 15.000 Euro fließen in die Obdachlosenhilfe – und das passend vor der kalten Jahreszeit. Denn mit dem Geld sollen 50 Schlafsäcke der Marke „Sheltersuits“ gekauft und Trägern wie etwa dem Regenbogenhaus, dem Weißen Haus, dem Wilhelm-Sternemann-Haus oder dem Verein „Warm durch die Nacht“ zur Verfügung gestellt werden. Ein Sheltersuit, zu deutsch Schutzanzug, ist am Tage nicht nur wärmender Mantel, sondern kann zur Nacht auch zum schützenden Schlafsack umgewandelt werden. Auch ein Rucksack lässt sich aus dem nachhaltig produzierten Kleidungsstück machen. [Lesen Sie auch:So geht es Gelsenkirchener Wohnungslosen im Corona-Winter]
Eine Erbschaft für Gelsenkirchen: Geld für Schulmaterial, Spielmöglichkeiten, Kleidung
Für 5000 Euro können sich bedürftige Kinder über Schulmaterial wie etwa Stifte, Malkästen, Schnellhefter und vieles mehr freuen. Mit 5000 Euro soll das Projekt „Erzählinsel“ zur Förderung der deutschen Sprache unterstützt werden, um die Arbeit an sechs Standorten und 30 Terminen pro Jahr zu ermöglichen. Mit 10.000 Euro soll Vollwaisen geholfen werden, ganz konkret mit einer Förderung durch Trauerbegleitung.
Erbe ist für andere Städte Tagesgeschäft
Die Stadt Gelsenkirchen stand zum ersten Mal vor der Situation, Geld zu erben. Die knapp 180.000 Euro sollten für die Unterstützung von armen Menschen eingesetzt werden, so die Bedingung.
Dafür habe sich die Stadt bei anderen Städten umgehört, zum Beispiel in München: „Das ist da Tagesgeschäft, da passiert sowas häufiger“, wie Stadtsprecher Jan Totzek erklärt.
Die Spielmöglichkeiten (Neubau einer Kombination aus Spielgeräten und einem Allround-Spielfeld) an der Flüchtlingsunterkunft an der Katernberger Straße sollen mit 30.000 Euro erneuert werden, die Flüchtlingsunterkunft an der Adenauerallee hat bereits neue gebrauchte Spielgeräte bekommen, hinzu kommen soll aber noch ein Allround-Spielfeld mit Basketballkörben und Fußballtoren. Die Kosten hier: 10.000 Euro. Am Jugendzentrum Diburger Straße sollen mindestens 10.000 Euro in die Errichtung einer Multisportaußenanlage fließen.
Die restlichen Gelder aus dem Erbe, knapp 24.200 Euro, sollen dann fließen und neue Projekte fördern, wenn „weitere, ähnliche Projektideen aufgezeigt werden“, heißt es in der Vorlage auch.
Dass die Stadt plötzlich zum Erben wurde, sei vorher also nicht bekannt gewesen, erläutert Stadtsprecher Jan Totzek, es gab keinerlei Vorgeschichte oder Kontakt zu dem Mann, dem die Armen der Stadt so am Herzen lagen. Wer war Georg Friedrich Opretzka? Die Stadt kann es nicht sagen – aber dafür das, dankbar: „Das ist Geld, das gut eingesetzt werden kann“, so Jan Totzek.