Gelsenkirchen. Das Gelsenkirchener Impfzentrum schließt zum 30. September. So viele Menschen wurden geimpft – und das bereitet dem Impfzentrumsleiter Sorge.

An den Premieren-Tag erinnert sich Ansgar Stening noch ganz genau – wie wahrscheinlich viele andere, für die der 8. Februar 2021 so besonders war. Tags zuvor hatte es zu schneien begonnen, bald darauf sollten weite Teile NRWs unter einer dichten Schneedecke liegen. Doch dieser Montag im Winter, er hat für viele Menschen auch noch eine ganz andere Bedeutung: Das Gelsenkirchener Impfzentrum nahm seinen Betrieb auf. Nun ist Schluss – ein letztes Mal noch, um 18.45 Uhr an diesem 30. September 2021, wird in der Emscher-Lippe-Halle ein Piks gegen Covid-19 gesetzt.

Gelsenkirchener Impfzentrum schließt – so geht es nun weiter

Ansgar Stening war von Anfang an mit dabei. Der Leiter des Impfzentrums sieht sich als Teil eines großen Ganzen, eines großen Teams, das in den vergangenen Wochen und Monaten, wie er sagt, zu „einer Familie zusammengewachsen ist“. Warum? „Weil wir das hier schnell zu unserer gemeinsamen Aufgabe gemacht haben.“ Darauf sei er sehr stolz, auch auf die „sehr professionelle und herzliche Zusammenarbeit“.

Blick ins menschenleere Impfzentrum in der Gelsenkirchener Emscher-Lippe-Halle: Erst am Nachmittag wird es wieder öffnen – dann zum letzten Mal.
Blick ins menschenleere Impfzentrum in der Gelsenkirchener Emscher-Lippe-Halle: Erst am Nachmittag wird es wieder öffnen – dann zum letzten Mal. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Diese gemeinsame Aufgabe liest sich in genauen Zahlen ausgedrückt so: Stand 29. September wurden in der Emscher-Lippe-Halle seit Anfang Februar 88.392 Erstimpfungen, 86.310 Zweitimpfungen und 347 Boosterimpfungen verabreicht. In Summe macht das 175.049 einzelne Impfungen. Rund 90 Mitarbeiter zählte das Impfzentrum – von den Gelsenkirchener Hilfsorganisationen, mit dabei waren beispielsweise auch Ärztinnen und Ärzte, Ehrenamtler, Sicherheits- und Reinigungskräfte.

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Ganz zu Beginn war das Impfzentrum auf durchschnittlich 1000 Impfungen pro Tag ausgelegt. In sechs Impfkabinen sollten die Menschen immunisiert werden. Eine Anforderung des Landes bewirkte, dass weitere vier Impfkabinen hinzukamen. In der Spitze hätten an der Adenauerallee bis zu 2000 Impfungen gemacht werden können. Die Zahl haben sie nicht ganz geknackt: Der arbeitsreichste Tag im Impfzentrum war der 30. Juni 2021 mit insgesamt 1635 verabreichten Impfungen. In der vergangenen Woche lag die Zahl bei durchschnittlich 400 bis 500 Impfungen, ein Großteil Zweitimpfungen, pro Tag.

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Innerhalb kürzester Zeit wurde das Zentrum im vergangenen Jahr ein-, und hergerichtet. Am 4. Dezember kam der Erlass, das Impfzentrum bis zum 15. Dezember betriebsbereit zu melden. Es sollte ja alles schnell gehen – doch erstmal kam es anders. Acht Wochen mussten bis zu ersten Impfung vergehen. Der Grund, viele werden sich erinnern: der Mangel an Impfstoff.

Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge und Krisenstabsleiter Ludger Wolterhoff kamen am letzten Tag des Gelsenkirchener Impfzentrums noch schnell vorbei, um „Danke“ zu sagen.
Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge und Krisenstabsleiter Ludger Wolterhoff kamen am letzten Tag des Gelsenkirchener Impfzentrums noch schnell vorbei, um „Danke“ zu sagen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Nach vielen tausend Impfungen ist es heute still an diesem besonderen Ort, noch ist die gesamte Infrastruktur da, wo sie hingehört. Die ersten PCs sollen noch am Donnerstagabend abgeholt werden. Es schwingt Wehmut mit. Und dann kündigen Gelsenkirchens OB Karin Welge und Krisenstabsleiter Luidger Wolterhoff ihren Besuch an. Vor der Ratssitzung wollen sie noch ein Mal das Impfzentrum sehen, sich verabschieden – vor allem „Danke“ sagen. Ansgar Stening ist gerührt.

Wie sieht er acht Monate Impfzentrum in der Retrospektive? Zuerst, zu Beginn der Impfkampagne, da seien die Menschen mit einem Lachen und glücklich aus den Impfkabinen herausgekommen, berichtet Stening. Mittlerweile, so sein Eindruck, werde die Impfung als Zwang empfunden. Nicht beim Gros der Menschen, diese Stimmung sei aber wahrnehmbar. „Das Impfgeschäft ist in den letzten Wochen sehr sehr zäh geworden“, so der 43-Jährige weiter.

Schließung des Impfzentrums: „Wir haben bei Weitem noch nicht alle erreicht“

„Schade, dass wir nicht bei einer Impfquote von 80 Prozent liegen“, sagt der Feuerwehrmann Stening in diesem Zusammenhang auch. „Das ist unser Ziel, das muss unser Ziel sein: Den Anteil der geimpften Bevölkerung signifikant zu steigern.“

Wie geht’s nun weiter? „Wir haben bei Weitem noch nicht alle erreicht“, sagt Ansgar Stening. Aber es klingt nicht nach Resignation, viel mehr nach neuer Herausforderung. 68 Prozent der Gelsenkirchener sind vollständig, 72 Prozent bereits einmal geimpft. Immerhin liegt Gelsenkirchen über dem Bundesschnitt von 64 Prozent. Da geht noch was.

Zweitimpfung bei niedergelassenen Ärzten

Mit Stand 30. September liegen die Kosten für das Impfzentrum (Miete, Betriebspersonal, Sicherheitsdienst) laut Impfzentrumsleiter Ansgar Stening bei 4,764 Millionen Euro. Die Kosten werden unter anderem vom Land übernommen, nicht von der Stadt.

Wenn das Impfzentrum nun schließt, haben viele Gelsenkirchener ihre Zweitimpfung noch nicht erhalten. Hierfür stehen niedergelassene Ärzte im Gelsenkirchener Stadtgebiet zur Verfügung. Ein Liste hat die Kassenärztliche Vereinigung erstellt, die unter dem Link corona-kvwl.de/zweitimpfung zu finden ist.

Der Impfbus wird noch mehr Einsätze und Standorte (an)fahren, soll nunmehr verstärkt ganz niedrigschwellig die Möglichkeit zur Immunisierung bieten. An fünf von sieben Tagen soll der Bus bis zum Ende des Jahres unterwegs sein. Hinzu kommen die koordinierenden Covid-Impfeinheiten (Kocis), hierhin wandert das Know-How aus dem Impfzentrum. Die Kocis mit 5,5 Stellen sollen das Impfgeschehen in der Stadt beobachten, den Einsatz des Impfbusses oder die große Herausforderung der Auffrischungsimpfungen koordinieren.

„Ich weiß, was man in dieser Stadt erreichen kann, mit Unterstützung von vielen guten Leuten“, sagt Ansgar Stening mit ruhigem Tonfall. Sein beeindruckendster Moment? Der erste Tag, der 8. Februar, so voller Schnee, als er Menschen kennenlernte, die das Möglichste taten, um an eine Impfung zu kommen. Und als sie sahen, dass das „was wir auf dem Papier aufgeschrieben haben, auch im Alltag funktioniert.“