Gelsenkirchen. Die Terminsituation in den Bürgercentern in Gelsenkirchen ist und bleibt angespannt. Was man tun kann und was die Stadt verbessern möchte.
Personalausweis verlängern, Hund anmelden, Parkausweis beantragen: Der Bürgerservice ist jener Punkt der Stadtverwaltung, an dem Bürgerinnen und Bürger und Behörden am direktesten miteinander in Kontakt kommen - weshalb es ohne Zweifel besonders wichtig ist, dass er besonders gut funktioniert. In Gelsenkirchen gab es zuletzt aber wieder einige Probleme: Wochenlanges Warten auf Termine, viele Termine, die verfallen. Das sorgt derzeit für lange Diskussionen in den politischen Gremien. Wir bringen Ordnung in die Debatte - mit den wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viel hat der Bürgerservice eigentlich zu tun?
„Wir sind bei unseren Zahlen vor Corona angekommen“, sagte Doris Bußmann, Abteilungsleiterin des Bürger- und Einwohnewesens, im vergangenen Hauptausschuss: Das heißt: Über 10.000 Dienstleistungen im Monat werden in den vier Bürgerservice-Stellen im Hans-Sachs-Haus, in Schloss Horst, an der Cranger Straße in Erle und im Rathaus Buer derzeit erledigt. Darunter fallen langfristig gebuchte Termine, Notfälle, Tagestermine und schriftliche Dienstleistungen. [Lesen Sie auch: Gelsenkirchener Arzt: Bürgerservice ist im Dornröschenschlaf]
Wie können Bürger schnell an Termine kommen?
Termine werden derzeit jeweils für acht Wochen im Voraus vergeben. Allerdings sind diese rasch ausgebucht. Täglich werden jedoch bis zu 150 freie Tagestermine freigeschaltet, nach Angaben der Stadtverwaltung täglich um 8.15 Uhr. Die Buchung ist telefonisch unter 0209/169-2100 oder online (www.gelsenkirchen.de/de/_meta/Buergerservice/Onlinedienste) möglich. Auch im Laufe des Tages werden sehr kurzfristig freie Zeitfenster geöffnet. Abteilungsleiterin Doris Bußmann führte etwa den „nicht selten auftretenden“ Fall an, dass Großfamilien ihren Termin für die Anmeldung nicht wahrnehmen. „Diese Termine kosten uns unglaublich viel Zeit“. Statt solche 45-minütige Termine dann aber komplett verfallen zu lassen, wird der Termin sofort wieder freigegeben, wenn die Familie nach dreimaligem Aufruf nicht erschienen ist. Wer in der Nähe der Bürgerservice-Stelle wohnt, kann dann Glück haben und sich den Termin sofort schnappen. Diese Möglichkeit wird laut Bußmann auch genutzt.
Was gilt eigentlich als Notfall?
Schnell an einen Termin kommen, kann auch jemand, der einen Notfall hat. Nur was gilt als Notfall? „Das können wir nicht im Detail definieren“, so Bußmann. „Das typische Beispiel ist: Jemand muss dringend verreisen – beruflich oder weil es einen Sterbefall im Ausland gibt – und benötigt einen neuen Reisepass.“ Auch wer kurz vor einer gebuchten Urlaubsreise steht und plötzlich realisiert, dass sein Pass nicht mehr gültig ist, gehe als Notfall durch. Dieser, so Bußmann, müsse aber immer nachgewiesen werden.
„Terminuntreue“: Wie viele Termine verfallen aktuell?
Ob tatsächlich die Appelle der Stadt etwas bewirkt haben oder an ganz anderen Faktoren liegt: Da wollte und konnte sich Thomas Schmitt, Dezernent für den Bürgerservice, im vergangenen Hauptausschuss nicht ganz festlegen. Erfreulich sei es aber dennoch, dass gegenwärtig nicht mehr fast die Hälfte aller Termine im Bürgercenter verfallen, weil sie nicht abgesagt werden (wir berichteten) – sondern „nur noch“ 20 bis 25 Prozent. „Das ermöglicht uns, täglich bis zu 50 Notfälle abarbeiten zu können.“ [Lesen Sie auch: Bürgerservice: Dass der Stadt 3G zu unsicher ist, irritiert]
Was macht die Stadt mit Doppelbuchungen?
Noch vor einigen Monaten hatte die Stadt die Möglichkeit, doppelt gebuchte Termine (gleicher Name, gleiches Anliegen, gleiche Mail-Adresse, gleiche IP-Adresse) automatisch löschen zu lassen. Derzeit gibt es hier aber technische Probleme, wie Doris Bußmann eingestehen musste. Man arbeite aber derzeit an einer Lösung, um doppelte Buchung wieder automatisiert filtern zu können - was weitere Kapazitäten im Bürgerservice freiräumen könnte.
Dokumente kommen per Post direkt zum Bürger - ist das möglich?
Automatisierte Terminerinnerung?
Jan Specht, der als Ratsherr von AUF den Bürgerservice mit einem Antrag auf die Tagesordnung des Hauptausschuss brachte, betonte, dass sich im Bürgerservice noch nicht genug in die Bürger hineinversetzt werde: Dass ein Termin nicht abgesagt werde, möge beispielsweise auch einfach daran liegen, dass Bürger nicht automatisch eine Erinnerung erhalten, wenn ihr Termin bevorsteht.
Die Möglichkeit einer automatischen Erinnerungsfunktion sehe man derzeit nicht, hieß es von der Amtsleitung.
Die Grünen hatten bereits im Jahr 2019 einen Haushaltsantrag durchbekommen, mit dem die Verwaltung dazu beauftragt wurde, nach Kurierdiensten Ausschau zu halten, die Dokumente wie fertige Reisepässe zu den Bürgern bringen. Später wurde der Antrag durch E-Auto-Kurier ergänzt. Mit E-Auto-Anbietern sei man im Gespräch, sagte Bußmann. „Wir haben in Gelsenkirchen aber keinen Fahrradkurier, der in der Lage wäre, die Ausweise auszuhändigen.“ Die Grünen zweifeln an der Begründung. Man wisse von passenden Unternehmen auf dem regionalen Markt. Derzeit kommen die Bürger in Gelsenkirchen allerdings auch einfacher an Ihre fertigen Dokumente als in der Vor-Corona-Zeit: Sie können ohne Termin an den Informationstheken an allen vier Bürgercenter-Stellen abgeholt werden.
Sorgt die angespannte Terminsituation für Konflikte?
Auf Anfrage der AfD-Fraktion teilte die Verwaltung mit: Im Bürgerservice gab es 2019 eine Strafanzeige wegen Beleidigung sowie 23 Hausverbote. Im Jahr 2020 sind keine Strafanzeigen erstattet worden und es wurden 19 Hausverbote erteilt. Im Jahr 2021 wurden bis Ende August zwei Strafanzeigen, ebenfalls wegen Beleidigung, sowie 25 Hausverbote gefertigt. „Die Gründe für Hausverbote sind mehrheitlich Beleidigungen, Drohungen und renitentes Verhalten der betroffenen Personen, in der Regel wegen eines abgelehnten Anliegens“, heißt es aus dem Rathaus.