Gelsenkirchen. Carola Rackete, Kapitänin des Rettungsschiffs „Seawatch III“, nennt den Klimawandel entscheidend für viele Flüchtlinge. Sie fordert Solidarität.
Die große Aufmerksamkeit scheint ihr beinahe unangenehm zu sein. „Damals wie heute haben die Crew und ich viel mehr im Mittelpunkt gestanden statt der Flüchtlinge auf dem Schiff“, lenkt Carola Rackete den Fokus um. Als Kapitänin der „Seawatch III“ hat sie sich den Behörden widersetzt und das Schiff mit 53 Flüchtlingen in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa gesteuert. 17 Tage lang hatten ihr bei einer Irrfahrt auf dem Mittelmeer Italien, Malta und Spanien das Anlegen verweigert.
„Handeln statt Hoffen“ heißt das Buch der Aktivistin, das sie beim Diskussionsabend im MLPD-nahen Reisebüro „People to People“ in der Altstadt präsentiert, „Aufruf an die letzte Generation“ der Untertitel, dessen Mahnung die Veranstaltung prägt. Denn viel mehr Wert als die Ereignisse rund um die Nacht zum 29. Juni 2019 vor Sizilien legt die 33-Jährige auf die weitreichenden Ursachen.
Viele beklemmende Fragen in Gelsenkirchen
Weshalb sie sich als Einstieg auch auf Passagen aus dem Vorwort des Buches von Hindou Oumarou Ibrahim zurücknimmt, einer Frau aus dem Tschad. „Wo sind denn die Männer aus der Sahel-Zone hin?“, fragt die, und nennt die sichtbaren Gründe für die Flucht, die durch die Wüste oder eben über das Mittelmeer führt: brennende Bäume, vertrocknete Brunnen, Überschwemmungen genauso wie Hitzeperioden.
Der Klimawandel wüte „wie Krebs“, und die „Krankheit für die Seelen“ greife die Würde der Männer an, weil sie ihre Familien nicht mehr versorgen könnten.
„Warum werden 70 Prozent der Flüchtlinge abgelehnt und bekommen keinen Anspruch auf Asyl“, kritisiert er, „und warum werden als politisch Verfolgte nur die anerkannt aus ganz bekannten Kriegsgebieten wie Eritrea?“.
Strafmaß im Vergleich
Fast zynisch klingt da, dass Carola Rackete inzwischen vom obersten Gerichtshof Italiens darin bestätigt wurde, dass internationales Seerecht über dem Landesrecht stehe und sie demnach auch nicht hätte verhaftet werden dürfen. „Dagegen werden Flüchtlinge mit 100 Jahren Haft bestraft, weil einer von ihnen als der Schlepper ausgesucht wird und für jeden Flüchtling 15 Jahre Gefängnis bekommt“, schildert sie zornig.