Gelsenkirchen. Die Asylbehörde bestreitet seine Geschichte: Anti-Abschiebungs-Aktivist Alassa Mfouapon soll zurück nach Kamerun. Der Widerstand ist groß.

Er gilt für Flüchtlingsaktivisten als „Leader“, als Anführer in ihrem Kampf gegen die Abschiebe-Praxis der Bundesregierung. Nun soll der Kameruner Alassa Mfouapon selbst Deutschland bis zum 13. August verlassen – obwohl er eigentlich geplant hat, zeitnah seine Verlobte in Gelsenkirchen zu heiraten. Der Grund: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verneint die Echtheit seiner Fluchtgeschichte. Sein Unterstützerkreis spricht von einem „ungehörigen Skandal“ und „Abschiebeterror“.

Alassa Mfouapon hat sie schon oft erzählt: die Geschichte seiner Flucht aus Kamerun, wo man dem Muslim gewaltsam verboten haben soll, seine heutige Ex-Frau, eine Christin, zu heiraten. Die Geschichte seiner menschenunwürdigen Haft in Libyen – und die vom Tod seines zweijährigen Sohnes Darel im Mittelmeer. Ihm und anderen Menschen, die während der Flucht umgekommen sind, wurde am letztjährigen Totensonntag noch eine öffentliche Gedenkveranstaltung in Gelsenkirchen gewidmet.

BAMF: Fluchtgeschichte weist Widersprüche auf

Flüchtling aus Kamerun berichtet über Flucht nach Europa

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    Das BAMF bezeichnet Mfouapons Geschichte nun als zweifelhaft und widersprüchlich, etwa sei seine Gefangenschaft in Libyen wenig wahrscheinlich, heißt es in dem Ablehnungsbescheid. „Dabei sind das Tatsachen“, wehrt sich der 32-Jährige. „Ich wurde in Libyen gefangen genommen.“

    Auch stellt die Behörde infrage, dass sich Mfouapons Ex-Frau 2016 in Italien aufgehalten haben soll und stützt sich damit auf ihre Aussagen im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung. Mfouapon spricht von einer „ungenauen Analyse“ des Antrags: „Sie hätten einfach in die Akten gucken müssen, um zu sehen, wann meine ehemalige Frau ihren Fingerabdruck in Italien abgegeben hat.“

    Kameruner fragt sich: Warum darf ich nicht in Gelsenkirchen wohnen?

    Auch richtet Mfouapon Kritik an die Stadt Gelsenkirchen, weil er vom baden-württembergischen Ravensburg nicht weg- und hierhin ziehen dürfe. „Als Azubi kann ich nicht in meinem Ausbildungsort wohnen, weil man sich in Gelsenkirchen weigert, mich aufzunehmen – obwohl ich keine Kosten von der Stadt anfordern würde.“ Denn anstatt Asylbewerberleistungen zu erhalten, bezahle er „große Mengen“ an die Bundeskasse: Dreiviertel von seinem Azubi-Gehalt müsse er abgeben, sagt Mfouapons, der eine Lehre zum Mediengestalter beim MLPD-nahen Verlag „Neuer Weg“ macht. [Lesen Sie auch:Gelsenkirchen: MLPD-Mann gewinnt Gefährderprozess]

    Alassa Mfouapon (am Mikrofon) bekam bei der Montagsdemo auf dem Heinrich-König-Platz am 9. August Unterstützung von rund 80 Menschen.
    Alassa Mfouapon (am Mikrofon) bekam bei der Montagsdemo auf dem Heinrich-König-Platz am 9. August Unterstützung von rund 80 Menschen. © WAZ Gelsenkirchen | Gordon Wüllner-Adomako

    Die Unterstützung durch die kommunistische und linksextreme Partei sowie durch andere beteiligte Organisationen der wöchentlichen Montagsdemo ist groß: Bei der letzten Demonstration am 9. August versammelten sich rund 80 Menschen, um gegen die Abschiebung des Kameruners sowie anderer Geflüchteter zu demonstrieren. Auch zu Wort meldete sich dort die Verlobte von Mfouapon, Lisa Gärtner, die jugendpolitische Sprecherin der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD).

    Unterstützerkreis wittert „politisch motivierte Abschiebung“

    Gärtner prangerte unter anderem auch die in ihren Augen „rassistischen Formulierungen“ im abgelehnten Asylbescheid ihres Verlobten an. Dort wird Kamerun unter anderem als Land „mittlerer menschlichen Entwicklung“ bezeichnet. Die kamerunische Botschaft in Berlin hingegen stehe ihrer Hochzeit im Wege. Ihr Verlobter müsse dort erst vorsprechen, erhalte jedoch einfach keinen Termin.

    All das werten Mfouapon und seine Unterstützer als „politisch motiviert.“ An ihm werde „erneut ein politisches Exempel statuiert“, weil er seit Jahren den „aktiven Kampf gegen die Flüchtlingspolitik repräsentiere“, heißt es.

    Alassa Mfouapon wurde durch Protest in Erstaufnahmeeinrichtung bundesweit bekannt

    Bundesweit Schlagzeilen machte Mfouapon, als er sich 2018 an einem Protest gegen die Abschiebung eines Togolesen in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen beteiligte. Nachdem 150 Asylbewerber die Polizei hinderten, die Abschiebung durchzuführen, fand ein Großeinsatz mit über 500 Beamten statt.

    Klage gegen Weidel (AfD)

    Alassa Mfouapon schreckt nicht davor zurück, vor Gericht für seine Rechte zu kämpfen - mal erfolgreich, mal nicht. Im September 2020 etwa erzielte er einen Erfolg vor dem Landgericht Hamburg gegen AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Er hatte Klage erhoben, weil Weidel ihn Anfang 2019 auf ihrer Homepage als „Rädelsführer der Ausschreitungen von Asylbewerbern in Ellwangen“ bezeichnet hatte. Das Gericht untersagte Weidel diese Behauptung.

    Weniger Erfolg hatte Alassa Mfouapon 2020 mit einem Eilantrag vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), mit dem er Deutschland zur sofortigen Aufnahme von Geflüchteten aus dem niedergebrannten Lager Moria auf Lesbos in Griechenland verpflichten wollte. Dieser wurde jedoch abgelehnt, weil Mfouapon selbst nicht auf Lesbos lebt.

    Alassa Mfouapon nahm die Rolle als Sprecher der LEA-Bewohner ein. Kurz danach wurde er nach Italien abgeschoben, kam aber wenige Monate später zurück nach Deutschland und stellte hier einen Asyl-Folgeantrag. Infolge der Ereignisse entstand der „Freundeskreis Alassa & Friends“, der mittlerweile zu dem bundesweit aktiven „Flüchtlingskreis Flüchtlingssolidarität“ geworden ist.

    „Seit meiner Rückkehr in Deutschland habe ich diesen Tag erwartet“, sagt Mfouapon nun über seine erneute drohende Abschiebung. „All das ist nicht neu für mich, aber es ist eine Schande für diese Regierung.“

    Wie Mfouapons Anwalt auf Nachfrage mitteilt, wird man nun eine Klage und einen Eilantrag gegen den negativen Asylbescheid einreichen. Wenn dies fristgerecht erfolgt, sei die „akute Gefahr einer Abschiebung“ vorerst aufgehoben. Im nächsten Schritt komme es dann darauf an, ob das Verwaltungsgericht dem Eilantrag auch zustimmt. Insgesamt könne sich der Prozess über Jahre ziehen.