Gelsenkirchen. Hätte es in Gelsenkirchen so stark geregnet wie anderorts im Juli, wäre eine Katastrophe an der Emscher laut Stadt wohl unausweichlich gewesen.

Was würde passieren, wenn es in Gelsenkirchen so massiv regnen würde wie in manchen überfluteten Regionen Mitte Juli? Die Stadtverwaltung musste im vergangenen Umweltausschuss eingestehen, dass es „als Szenario noch nicht durchdacht worden ist“, welche Konsequenzen Regenmengen von bis zu 200 Litern pro Quadratmeter für Gelsenkirchen bedeuten würden. Sollte so ein - laut Stadtmitarbeiterin Ute Niehoff vom technischen Umweltschutzteam - „sehr ungewöhnliches Ereignis“ auch in Gelsenkirchen eintreten, „gäbe es wohl nur noch die Möglichkeit der Evakuierung.“

Wie Niehoff schilderte, hätte ein so starker Regen wie mancherorts in NRW und Rheinland-Pfalz wohl dazu geführt, dass die Deiche der Emscher überströmt worden wären. „Möglicherweise wäre es auch zu einem Deichbruch mit gravierenden Schäden gekommen.“ Dies bestätigte auf Nachfrage auch noch einmal Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. Die Renaturierung und der Bau neuer Abwassersysteme im Zuge des Emscherumbaus würden zwar zur Verbesserung des Hochwasserschutzes beitragen. „Mit so einem starken Regen wie in Hagen hätten wir aber auch große Probleme gehabt.“

Hochwasser-Prävention: Gelsenkirchen will immer mehr zur „Schwammstadt“ werden

Ein Pegelstand von 5,75 Meter wurde am 14. Juli kurzfristig an der Emscher in Gelsenkirchen gemessen. Normal hat der eingedeichte Fluss  einen Pegelstand von etwa einem Meter.
Ein Pegelstand von 5,75 Meter wurde am 14. Juli kurzfristig an der Emscher in Gelsenkirchen gemessen. Normal hat der eingedeichte Fluss einen Pegelstand von etwa einem Meter. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Was kann nun getan werden? Muss etwa das Kanalsystem umfangreich ausgebaut werden, damit es auch außergewöhnlichem Starkregen standhalten könnte? „Dann würden sich alle darüber beschweren, was für hohe Entwässerungsgebühren man zahlen müsste“, warf Stadtbaurat Christoph Heidenreich im Ausschuss ein. Viel entscheidender sei es, das Regenwasser so stark wie möglich von dem Abwassersystem fernzuhalten – durch Entsiegelung, Regenrückhaltung an dezentralen Stellen der Stadt und einem weiteren Umbau von Gelsenkirchen zu einer sogenannten „Schwammstadt“.

Abfluss von Regen um 25 Prozent verringern

Das Land NRW will die Entwicklung im Revier mit 74 Projekten vorantreiben, die im Rahmen der Ruhrkonferenz entwickelt worden sind. Aus dem Themenforum wurden die beiden Projekte „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ und „Offensive Grüne Infrastruktur 2030“ entwickelt, für die bis 2030 insgesamt 375 Millionen Euro zur Verfügung stehen. In Zusammenarbeit mit der Emschergenossenschaft soll über die geförderten Projekte bis 2040 der Abfluss von Regenwasser im Kanalsystem um 25 Prozent reduziert werden. Die Emschergenossenschaft hat mit den Städten bereits vor Initiierung der Programme mit den Städten an einer wasserbewussten Stadtplanung gearbeitet. So haben etwa alle Emscherstädte die Initiative „Wasser in der Stadt von morgen“ unterschrieben.

Jenes immer populärer werdende Konzept zielt darauf, Regenwasser durch unterirdische Speicherbecken unter Straßenbäumen (Baum-Rigolen) oder großzügige Begrünung zu speichern. Auch das Land NRW will entsprechende Vorhaben großzügig finanziell unterstützen (Infobox) - allerdings wartet die Stadt Gelsenkirchen nach eigener Aussage weiterhin auf entsprechende Förderrichtlinien und somit auf eine Klärung, welche „Schwammstadt“-Projekte in welcher Höhe zukünftig bezuschusst werden können.

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Aber rennt den Städten angesichts des Klimawandels nicht die Zeit davon? „Man kann nicht länger warten, wir müssen dringend handeln - Rückhalteräume schaffen und Wassermengen umleiten“, betonte Emschergenossenschaftssprecher Ilias Abawi. Im Ausschuss übte sich Ute Niehoff vom technischen Umweltschutz dagegen in Mäßigung – und betonte noch einmal, dass das Juli-Unwetter und seine Folgen auch mit Blick auf die Emscher als „200-jähriges Hochwasserereignis“ eingestuft wurde. Mit anderen Worten: Um ein alltägliches Risiko handelt es sich nicht.

Stadt Gelsenkirchen will Hochwasser-Ereignis noch mal aufarbeiten

An der Adenauerallee wurde am Abend des 14. Julis ein Emscher-Pegelstand von 5,75 Metern gemessen – normal ist ein Pegelstand von etwa einem Meter. „Aber das ist dann schnell wieder abgeklungen“, sagte Niehoff. Die Situation habe in Gelsenkirchen insgesamt ohne große Schwierigkeiten gemeistert werden können: Feuerwehr und Gelsenkanal seien angesichts der Unwettermeldungen zwar alarmiert gewesen, hätten am Ende aber weitestgehend einen „regulären Betrieb“ fahren können.

„Wir werden uns im Nachhinein noch mal zusammensetzen und das Ereignis noch mal aufarbeiten“, versicherte Niehoff dennoch. Auch wenn Gelsenkirchen Mitte Juli glimpflich davongekommen sei, könne man nicht genug betonen, wie wichtig es sei, den Regen so weit wie möglich zurückzuhalten. Auch Christoph Heidenreich betonte, dass man sich in Gelsenkirchen noch mehr mit Extremwetter-Szenarien auseinandersetzen werde, um die Stadt bestmöglich zu schützen. „Wir werden genau schauen, wie es uns hätte treffen können.“