Gelsenkirchen-Bismarck. Anwohner in Gelsenkirchen berichten von einem Angstraum an der Rewe-Filiale in Bismarck. Was Polizei, Stadt und der Filialleiter dazu sagen.

Die Robergstraße in Gelsenkirchen-Bismarck gilt als Hotspot. Polizei, Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) und auch Gelsendienste sind dort ständig verstärkt im Einsatz. Hier treten die Probleme mit Zuwanderern, Schrottimmobilien, Lärm und stetige Vermüllung offen und konzentriert zu Tage. Eine Anwohner-Sprecherin benutzt bei der Beschreibung der Situation vor Ort sogar den Begriff „Angstraum“. Aus Angst vor etwaigen Anfeindungen und Übergriffen will sie aber lieber anonym bleiben.

Anwohner-Sprecherin und Rewe-Filialleiter: Behörden kriegen Situation nicht in Griff

Die alteingesessene Gelsenkirchenerin und auch der Leiter der benachbarten Rewe-Supermarktes sind einer Meinung über die Situation vor Ort: „Polizei und KOD kriegen die Situation nicht in den Griff“, sagen die Bismarckerin und Christian Rieck, ein durchtrainierter junger Mann, der weniger Bedenken hat, namentlich genannt zu werden.

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Was die beiden zu diesem Schluss bringt, sind sich ständig wiederholende Ärgernisse: Der durch ein Stadtteilfest mit einigem Tamtam eingeweihte Aufgang zum Rewe mit dem auffälligen Graffito gleicht immer „wieder einer Müllkippe“, erzählen sie. Zum Beweis präsentiert die Anwohnersprecherin Fotos. Von Essensresten bis zu benutzten Windeln zeigen sie die komplette Bandbreite von Hausmüll, der an Stellen liegt, wo nach der Sanierung noch frisches Grün spross, heute aber nur noch ein spärlicher Rest zu sehen ist. Mancher Abfall, so die Bismarckerin, lande im hohen Bogen über Mauern und Zäune hinweg in benachbarten Gärten und Hinterhöfen.

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Klage: Pflastersteine als zerstörerische Wurfgeschosse, Drogenhandel, Müllberge

Pflastersteine würden dazu aus dem Boden gerissen, dienten als „Wurfgeschosse gegen Wände und Lampen“. Vielleicht Zufall: Eine Elektrofirma wechselt am Dienstag zerstörte Leuchtkörper aus. Und auch das hat gedauert, denn die Arbeiten müssen von der zuständigen Zentrale in Dortmund genehmigt werden. Das Gelände gehört Rewe.

Verwahrlost sieht es immer wieder an der Robergstraße in Gelsenkirchen aus, weil trotz Reinigung immer wieder illegal Müll hingeschmissen wird.
Verwahrlost sieht es immer wieder an der Robergstraße in Gelsenkirchen aus, weil trotz Reinigung immer wieder illegal Müll hingeschmissen wird. © Foto: Kimerlis

Als besonders beängstigend empfindet es die Bismarckerin, dass sich oft Gruppen von 30 Personen und mehr am Aufgang aufhielten. „Hier wird mit Drogen gehandelt“, behauptet sie. Und Rieck nickt zustimmend. „Trotz mehrerer Ortstermine mit KOD und Polizei – zuletzt war die Lage vor Ort noch Thema im Präventionsrat – trotz stärkerer Präsenz von Polizei und KOD hat sich nichts geändert“, berichtet die Anwohnerin frustriert. Insbesondere ältere Menschen trauten sich dort nicht mehr entlang, weil sie Übergriffe befürchten müssten.

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Eine Collage aus mehreren Bildern. Sie dokumentieren nach Angaben einer Anwohnersprecherin die Zustände im Zuwandererviertel an der Robergstraße in Gelsenkirchen.
Eine Collage aus mehreren Bildern. Sie dokumentieren nach Angaben einer Anwohnersprecherin die Zustände im Zuwandererviertel an der Robergstraße in Gelsenkirchen. © Fotos:

Polizeisprecher Thomas Nowaczyk bestätigt die Ortstermine und dass die „Örtlichkeit polizeibekannt“ ist. Und auch Stadtsprecher Martin Schulmann berichtet, dass das Viertel ein häufiger Einsatzort von KOD und Gelsendienste sei.

Eine detailliertere Antwort des KOD steht noch aus. Rewe Dortmund hat unsere Anfrage noch nicht beantwortet.

„Die Polizei teilt die Auffassung der Anwohnerin aber nicht“, so Nowaczyk weiter. Mit Blick auf die Polizeistatistik sei der Bereich Robergstraße/Ferdinandstraße in jeder Hinsicht unauffällig. „In letzter Zeit gab es dort keine Einsätze“, sagt Nowaczyk.

Sprecherin: Anwohner sollten Füße still halten, weil die Polizei verdeckt ermittelt hat

Die Aussage der Polizei wundert die Anwohnersprecherin. „Im Präventionsrat wurden wir Anwohner gebeten, die Füße still zu halten, weil die Polizei mit verdeckten Ermittlern vor Ort im Einsatz sei“, erzählt sie. Und erst vor wenigen Tagen seien doch Drogendealer „hochgenommen worden“.

Blick in die Robergstraße in Gelsenkirchen. Hier wurde rechts eine Schrottimmobilie abgerissen, auf dem Gehweg davor liegen Einkaufswagen.
Blick in die Robergstraße in Gelsenkirchen. Hier wurde rechts eine Schrottimmobilie abgerissen, auf dem Gehweg davor liegen Einkaufswagen. © Foto: Kimerlis

Die Polizeibehörde erwiderte darauf, dass es Hinweise auf mutmaßlichen Drogenhandel an verschiedenen Orten im Stadtgebiet gebe. Auch hätten Polizei und KOD dort in Bismarck verstärkt Präsenz gezeigt. Eine weiterreichende Recherche der Polizei förderte ein eher harmloses Drogendelikt an der Robergstraße zu Tage – allerdings rührt es vom 1. April dieses Jahres her. Damals ist ein per Haftbefehl gesuchter Mann aufgefallen, weil er dort einen Joint geraucht hatte. Außerdem wurden beim ihm „0,1 Gramm Marihuana“ gefunden.

Polizeisprecher Nowaczyk betont daher: „Aus unserer Sicht ist der Bereich im Vergleich zum restlichen Stadtgebiet nicht herausragend“. Die Polizei könne im Übrigen nur repressiv tätig werden, wenn Anwohner oder Händler Vorfälle per Notruf auch der Behörde meldeten.

Anwohnerin und Filialleiter: Resignation macht sich im Gelsenkirchener Viertel breit

Blick in einen der tristen Hinterhöfe an der Robergstraße in Gelsenkirchen-Bismarck. Ein Viertel mit Zuwandererproblemen.
Blick in einen der tristen Hinterhöfe an der Robergstraße in Gelsenkirchen-Bismarck. Ein Viertel mit Zuwandererproblemen. © Foto: Kimerlis

Zurück zum Aufgang an der Robergstraße und zum Rewe-Supermarkt. Schutzgitter haben die Handwerker, die die Leuchten reparieren, nicht im Gepäck, sehr zum Leidwesen von Christian Rieck: „Ich habe Videoüberwachung angeregt, dazu Schutzgitter, Rollsperren für Einkaufswagen und auch einen Wachdienst“, berichtet der Filialleiter. Das sei aber alles eine Kostenfrage. Umgesetzt wurde davon noch nichts, was dazu führt, dass er abends mit seinen Mitarbeitern zusammen den Markt verlässt.

Immerhin, zwei mal die Woche wird das Areal auf Veranlassung von Rewe gereinigt. „Eine Sisyphusarbeit, denn neuer Müll taucht ebenso schnell wieder auf, wie der alte weggeräumt wurde“, sagen die Anwohnersprecherin und der Filialleiter. Ähnliches ist auch von Gelsendienste zu hören, die immer wieder illegal abgelagerten Müll in Sonderschichten beseitigen - etwa ein wenig weiter weg an den Glascontainern, wo sich am Dienstag Berge von Sperr- und Hausmüll stapeln.

„Resignation macht sich breit“, sagen Christian Rieck und die Bismarcker Anwohnersprecherin. Wie zum Beweis liegen in den Hinterhöfen einiger herunter gekommener Häuser und auf der Robergstraße selbst Einkaufswagen herum. Einsammeln? „Das kann und will ich meinen Mitarbeitern auf fremdem Gelände nicht zumuten“, sagt Rieck.