Gelsenkirchen. Seit Jahren schwelt ein millionenschwerer Streit um die Entsorgung großer Mengen Rostasche in Gelsenkirchen. Worauf die Stadt hofft.

Gelsenkirchen hat einen Problemberg. Er erhebt sich weithin sichtbar am Hafen Grimberg, bringt es auf gut 20 Meter Höhe und setzt sich zusammen aus mittlerweile rund 630.000 Tonnen Rostasche. Das sind mehr oder weniger kontaminierte Reste aus der Müllverbrennung , die entsorgt werden müssen. Die Frage, die es zu klären gilt: Wer kommt für die Kosten auf? Die Verwaltung bemüht dafür die Gerichtsbarkeit, die Stadt könnte aber letztlich auf Millionen-Kosten sitzenbleiben, trotz des geltenden Verursacherprinzips.

Hoffnung in Gelsenkirchen: Müll-Anlieferer oder Abfall-Besitzer zur Kasse bitten

Am östlichen Ufer des Hafen Grimberg in Gelsenkirchen türmen sich bei der Firma Heinrich Becker Berge von Rostasche.
Am östlichen Ufer des Hafen Grimberg in Gelsenkirchen türmen sich bei der Firma Heinrich Becker Berge von Rostasche. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Gelsenkirchen hat jetzt das Oberverwaltungsgericht Münster angerufen. Der Stadt geht es darum, die frühere Betreiberin der Bauschuttaufbereitungsanlage – die Heinrich Becker Umwelttechnik GmbH und Co. KG (HBU) – gerichtlich zu zwingen, ihre Abfalllieferanten offenzulegen. Die Hoffnung der Verwaltung: Möglicherweise können so Müll-Anlieferer oder Abfall-Besitzer zur Kasse gebeten werden – frühere wie aktuelle.

Auch interessant

Denn eigentlich dürfte es kein Problem mit der Entsorgung der Rostasche geben: Sie wird angeliefert und entsorgt. Der Anlieferer bezahlt dafür. Solange kein ordnungsgemäßer Entsorgungsnachweis vorliegt, haftet der Anlieferer, so ist das Verursacherprinzip im Kreislaufwirtschaftsgesetz zu verstehen. Genau das ist das Problem: Die Stadt weiß nicht, wer genau die Rostasche angeliefert hat.

Die Rostasche stammt wohl größtenteils aus dem Müllheizkraftwerk Essen-Karnap, Betreiberin und Eigentümerin der Anlage ist die RWE Generation SE. Die HBU am Hafen Grimberg ist 2015 in Insolvenz gegangen, das Verfahren läuft laut der beauftragten Kanzlei Niering Stock Tömp noch. Mutterkonzern der HBU ist die Heinrich Becker GmbH mit Sitz in Bottrop. Ihr gehört auch das Grundstück am Hafen.

Auch interessant

Entsorgungskosten der Rostasche in Gelsenkirchen verschlingt Millionenbetrag

Es geht es um jede Menge Geld. Wer Rostasche anliefert, muss je nach Qualität von drei bis 30 Euro pro Tonne zahlen. Bei den Aschebergen am Hafen Grimberg geht es also um stattliche Entsorgungskosten von zwei bis 20 Millionen Euro. Kosten, auf denen womöglich Gelsenkirchen sitzenbleibt, wenn der Riesenberg von ihr entsorgt werden müsste.

„Die jetzt eingeforderten Auskünfte über frühere Abfalllieferanten beziehen sich unter anderem auf Namen, Kontaktdaten und Bezeichnung der angelieferten Abfälle, dazu Anlieferdatum und Abfallmenge“, sagte ein Sprecher des Oberverwaltungsgerichtes Münster. Von besonderem Interesse seien dabei für die Stadt die Zeiträume vom März 2016 bis Oktober 2017 sowie Auskünfte zu Abfall- und Produktionsausgängen in den vorgenannten Zeiten. Nach Auskunft des Oberverwaltungsgerichtes beruft sich Gelsenkirchen auf die Paragrafen 7 und 15 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, wonach „die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, verpflichtet sind, diese zu beseitigen…“.

Stadt legt 2017 mit Verfügung den Betrieb im Gelsenkirchener Hafen Grimberg still

Die Stadt hatte „am 10. Mai 2017 mit einer Untersagungsverfügung der HBU den Betrieb der Bauschuttaufbereitungsanlage untersagt“. Spätestens hier wird es kompliziert: Die Asche ist da, aber der Entsorgungsbetrieb arbeitet nicht mehr. Und die Verflechtungen der wohl involvierten Firmen macht die Aufklärung nicht leichter. Remondis und RWE und Becker stritten sich schon vor der Stilllegung darüber, wer was an Rostasche wann und wem geliefert hat, und letztlich um Geld. Jeder der Beteiligten verwies bei der Frage nach der Verantwortung auf den anderen.

+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++

Das Müllheizkraftwerk hatte laut Stadt Gelsenkirchen aufgrund „fehlender Entsorgungsnachweise“ im Februar 2014 die Rostaschelieferungen an Becker eingestellt. Becker hingegen klagte darüber, ausstehenden Zahlungen von RWE hinterherzulaufen, weil angeblich stärker kontaminierte Asche aus Karnap angeliefert worden sei. RWE dementierte das postwendend mit dem Verweis, dass man keinen Vertrag mit der HBU habe, sondern mit Remondis. Der Branchenriese wiederum habe eine Arbeitsgemeinschaft mit Becker gebildet, die Frage der Ausstände müssten HBU und Remondis untereinander klären.

Auch interessant

An den Positionen hat sich bis heute nichts geändert. Die HBU und Remondis haben die Anfragen dieser Zeitung unbeantwortet gelassen. Lediglich die Bezirksregierung und RWE haben geantwortet. RWE: Verwertung der Asche nicht abgeschlossen, Karnap-Städte sollen Rücklagen bilden Demnach habe es damals wie heute aus Sicht der zuständigen Behörde in Düsseldorf keine Beanstandungen an den Verbrennungsrückständen gegeben. „Anhand der vorliegenden Ergebnisse war eine Verwertung der Rostaschen möglich“, so Dagmar Groß.

RWE-Sprecher Olaf Winter betonte, dass das Unternehmen für die verwertete Menge der Rostaschen Entsorgungsnachweise bekommen habe. „Allerdings ist die Verwertung des Karnaps zuzurechnenden Anteils nicht vollständig abgeschlossen. „Darum hat RWE die ehemaligen Karnap-Städte gebeten, den Abrechnungsvorgang weiter offen zu halten und gegebenenfalls Rückstellungen zu bilden.“

Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster

Winter betonte, dass der Verwertungsvertrag zwischen RWE und Remondis „planmäßig zum 31. Dezember 2014 ausgelaufen“ ist. Jährlich seien rund 190.000 Tonnen Rostasche aus Karnap geliefert worden, im Jahr 2014 eine anteilige Menge bis Mitte Februar. Die letzte Lieferung Rostasche zum Hafen Grimberg erfolgte am 14. Februar 2014. „Danach wurden aus Essen-Karnap keinerlei Rostaschen mehr zum Hafen Grimberg geliefert.“

Was also ist in der Zeit danach geliefert worden und von wem? Diese Frage soll nun das Verfahren am Oberverwaltungsgericht Münster zu beantworten helfen, zumindest zum Teil. Wann über die Offenlegung der Anlieferer entschieden wird, „lässt sich derzeit noch nicht sagen“, so ein Gerichtssprecher. Und wer am Ende die Rechnung bekommt auch.