Gelsenkirchen. Ab 16. August finden Patienten, die nach einer Covid-Erkrankung unter Langzeit-Erschöpfung leiden, eine neue Anlaufstelle in Gelsenkirchen.
Nach einer Covid-Infektion leiden viele Patientinnen und Patienten langfristig unter Erschöpfung, klagen über fehlende Belastbarkeit. Das sogenannte „Fatigue-Syndrom“ ist eines der Hauptsymptome bei Long Covid. Ob es sich bei den festgestellten Beschwerden und zum Teil schwer benennbaren Symptomen wirklich um Long Covid oder andere Ursachen handelt und falls ja, wie den Betroffenen neurologisch und psychisch geholfen werden kann, will ab 16. August eine neu eingerichtete Post-Covid-Ambulanz an den Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen ermitteln helfen, um das Leid lindern zu können. Die Arbeit und die Erkenntnisse der neuen Anlaufstelle werden wissenschaftlich begleitet.
Auch auf andere mögliche Ursachen untersuchen
Dabei arbeiten die Klinik für Neurologie und die Klinik für Seelische Gesundheit an der Munckelstraße zusammen: Zunächst werden Betroffene von interdisziplinären Teams bei einem zweitägigen stationären Aufenthalt in der Klinik für Neurologie untersucht, behandelt und beraten. So sollen mögliche bisher unentdeckte organische Schäden – möglicherweise auch Schäden, die nicht in Zusammenhang mit Covid stehen – erkannt werden.
Danach kommt die Klinik für Seelische Gesundheit ins Spiel. Risiken und Spätfolgen der Covid-19-Erkrankung sind bisher wenig erforscht. Klar ist, dass Patienten nach einer schweren Erkrankung und auch bei lang anhaltenden Erschöpfungssymptomen psychisch sehr belastet sind. Prof. Peer Abilgaard, der neue Leiter der Klinik für Seelische Gesundheit und Präventivmedizin, bietet mit seinem Team hierbei Einzel- und Gruppengespräche an, in denen den Betroffenen auch geholfen wird, ihre Defizite zu verstehen und vorhandene Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Da es für den Umgang mit Long Covid noch keine gesicherten Erkenntnisse gibt, geht es auch darum, dass Patienten sich gegenseitig motivieren und voneinander lernen können, etwa Strategien, die sie im Alltag nutzen, um mit den Einschränkungen zurecht zu kommen, so Abilgaard.
Auch praktische Unterstützung im Alltag
„Dennoch ist es wichtig auch zu überprüfen, ob der seelische Zustand des Patienten ein Teil der Covid-Erkrankung ist oder eine Reaktion, zum Beispiel darauf, dass die eigene Leistungsfähigkeit noch nicht wieder so ist wie vor der Erkrankung“, so Abilgaard. Neben aktivierenden Angeboten gibt es auch Unterstützung durch den Sozialdienst, wenn es etwa um die Beantragung von Kranken- oder Rentenversicherungsansprüchen geht.
App macht Wirkung von Einflussfaktoren im Alltag messbar
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Geplant ist zudem die Gründung einer Selbsthilfegruppe für Betroffene, die ärztlich und therapeutisch begleitet wird. Eine neue App soll zudem die „Fatigue“ sichtbar und quantifizierbar machen. Gemessen werden damit allgemeine Einflussfaktoren wie Bewegung, Schlaf und Wetter. Der Zustand der Patienten im Laufe der Behandlung wird durch wissenschaftlich fundierte Tests und Fragebögen erfasst. Solche objektiven Daten sollen helfen, den Einfluss der Therapieansätze und Medikamente auf die Symptome zu dokumentieren.
Anhaltende Erschöpfungszustände auch nach anderen Infektionserkrankungen
Nur mit Überweisung vom behandelnden Arzt
Anmeldungen für die Post-Covid-Ambulanz sind nur über niedergelassene Ärzte möglich. Patienten, die mehr Informationen möchten, kann sich im Sekretariat der Neurologie unter Telefon 0209 16051517 melden.Wer bei der Selbsthilfegruppe mitmachen möchte, sollte sich Sabrina Anders im Sekretariat der Klinik für Seelische Gesundheit und Präventivmedizin wenden unter der Rufnummer 0209 / 160-51601.
In der Forschungsarbeit geht es um mögliche Ursachen und biologische Mechanismen, um Behandlungsmöglichkeiten weiterentwickeln zu können. Fatigue tritt auch im Zusammenhang mit Autoimmun- oder Tumorkrankheiten sowie als vorübergehendes Symptom aufgrund der Aktivierung des Immunsystems bei akuten Infektionskrankheiten auf. „Mit unserer Long-Covid-Ambulanz möchten wir nicht nur den Menschen helfen, die wir in unserem Haus behandeln, sondern erhoffen uns auch Erkenntnisse, die vielen weiteren Menschen zugute kommen werden“ beschreibt Prof. Michael Linnebank, Chefarzt der Klinik für Neurologie, Frührehabilitation und neurologische Komplexbehandlung.