Gelsenkirchen. Eine Frühreha hilft Patienten nach neurologischen Erkrankungen – doch NRW ist chronisch unterversorgt. Die EVK haben ihr Angebot ausgebaut.

Eine „eindeutige Unterversorgung“ attestiert das LVR-Gutachten zur Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen der Neurologisch-Neurochirurgischen Frührehabilitation in der Leistungsphase B 2019. Betroffen sind Patienten mit schweren neurologischen Erkrankungen, die noch vollständig von pflegerischer Hilfe abhängig sind – etwa kurz nach einem Schlaganfall. Die Evangelischen Kliniken (EVK) Gelsenkirchen haben eine eigene Station für Frühreha-Patienten aufgebaut und von maximal sechs auf 30 Plätze aufgestockt. Sie würden ihr Angebot gern noch stärker erweitern.

Prof. Michael Linnebank leitet die Klinik für Neurologie und Neurophysiologie an den EVK. In der Frührehabilitation betreut er Schlaganfallpatienten, Patienten, deren Gehirn während eines Herz-Kreislauf-Stillstandes unterversorgt gewesen ist, aber auch Menschen, die etwa bei einem Unfall ein Schädelhirntrauma erlitten haben. Nicht zuletzt lägen momentan auch einige Patienten mit Covid-19-Folgen auf seiner Station, sagt Linnebank.

30 Plätze in den EVK decken nur einen geringen Teil des Bedarfs ab

Für die Frühreha in Frage kommen Patienten, die an „normalen“ Rehamaßnahmen noch nicht teilnehmen können, eventuell Bewusstseinsstörungen haben oder beamtet werden. „Es geht zum Beispiel darum, die Wahrnehmung zu fördern oder selbstständige Nahrungsaufnahme wieder möglich zu machen“, erklärt Linnebank. Auch sie 15 Minuten in ihrem Bett aufzurichten, helfe den Patienten schon dabei, ihre Mobilität wiederzuerlangen.

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Die nun vorhandenen 30 Frührehabilitationsplätze deckten dabei nur einen sehr geringen Teil des tatsächlichen Bedarfes ab, sagt der Neurologe. Vielen Anfragen müsse man eine Absage erteilen. „In NRW müsste es 300 zusätzliche Frühreha-Plätze geben, um überhaupt den Bundesdurchschnitt zu erreichen“, beschreibt die Linnebank die chronische Unterversorgung. Deshalb sei man zurzeit in Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern, um den Bereich noch weiter ausbauen zu können.

Frühreha benötigt ein großes Team und einen niedrigen Personalschlüssel

Denn: Frührehabilitation ist aufwendig. Für die 30 Betten wird ein großes Team aus Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften benötigt. „Ein Patient bekommt täglich fünf Stunden Therapie durch Physio- und Ergotherapeuten oder Logopäden. Außerdem wird besonders geschultes Pflegepersonal benötigt, das etwa den Patienten nicht einfach wäscht, sondern ihm hilft, dies wieder selbst tun zu können“, so Linnebank.

Das dauere entsprechend länger und der Personalschlüssel sei niedriger. Und schließlich brauche es Neuropsychologen, die den Patienten dabei helfen, die Defizite in ihrer Wahrnehmung zu verarbeiten und mit Angstzuständen zurechtzukommen.

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Zu den Wirkungen der Frührehabilitation gebe es bisher nur wenig Forschung, sagt Linnebank. Die in den EVK durchgeführte Qualitätskontrolle zeige aber, dass Patienten durch die Frühreha erhebliche Fortschritte machten: „Unser Ziel ist es, das große Rehabilitationspotenzial, das am Anfang da ist, herauszuholen – und Defizite zu vermeiden. Liegt ein Patient lange, dann werden sich zum Beispiel seine Gelenke versteifen. Das wollen wir von Anfang an verhindern.“ Er habe auch schon erlebt, dass junge Patienten zu Beginn der Behandlung im Koma lägen und am Ende zu Fuß aus der Klinik laufen könnten.