Gelsenkirchen. Die Münchnerin Carola Gruber (37) lebt für drei Monate in Gelsenkirchen. Ihre Eindrücke will sie als Stadtschreiberin literarisch verarbeiten.
Wenn Carola Gruber eine Stadt für sich entdeckt, dann vertraut sie am liebsten dem Zufall. „Ich lasse mich gern treiben“, sagt die 37-jährige Münchnerin. In den kommenden drei Monaten ist sie Gelsenkirchens erste „Writer in Residence“, also Stadtschreiberin. Als solche soll sie Eindrücke, Begegnungen und Beobachtungen, die sie hier vor Ort sammelt, in ihre Texte einfließen lassen. Dieser künstlerisch-literarische Blick einer Außenstehenden soll dabei helfen, dass auch Einheimische ihr Zuhause vielleicht mal wieder mit anderen Augen sehen.
Laut Kulturdezernentin Anne Heselhaus wurde Gruber aus über 20 Bewerbungen ausgewählt, die nach dem Aufruf aus der gesamten Republik eingegangen waren. Die Journalistin, Autorin und Bloggerin aus der bayrischen Landeshauptstadt habe durch ihre Bewerbung überzeugt, so Heselhaus. Denn in der Vita von Gruber sind neben Buchveröffentlichungen auch bereits mehrere Engagements als Stadtschreiberin zu finden – etwa in Rottweil, Regensburg sowie im österreichischen Schwaz.
Gruber lebt in einer frisch renovierten Wohnung der Stadterneuerungsgesellschaft
Nun also das Ruhrgebiet und Gelsenkirchen. Beides sei für Gruber bislang „ein weißer Fleck“ auf ihrer persönlichen Reisekarte gewesen, so Gruber. Doch Freunde und Bekannte von ihr leben in Bochum und Recklinghausen. Und nicht wenige aus ihrem Münchner Umfeld hätten nach Bekanntwerden ihrer Stadtschreiber-Aufgabe erstaunt angekündigt: „Och, dann komme ich dich aber mal in Gelsenkirchen besuchen.“
Leben wird Gruber in einer soeben fertiggestellten Wohnung der Stadterneuerungsgesellschaft (SEG). Diese liegt mitten im Kreativquartier Ückendorf und soll der Stadtschreiberin als Basis dienen, von der aus sie ganz Gelsenkirchen und die Region kennenlernen und erkunden soll. SEG-Geschäftsführerin Helga Sander war es, die gemeinsam mit Kulturreferatsleiterin Andrea Lamest die Idee zu diesem Literatur-Stipendium hatte. Ein frischer, unverstellter Blick auf die Stadt sei nicht nur wichtig, sondern könne auch Impuls für einen Austausch der Argumente sein, so Sander.
Bei Lesungen und Schreibwerkstätten können Bürger die Stadtschreiberin kennenlernen
Lamest selbst wollte mit der Einrichtung einer Stadtschreiber-Stelle zum einen „ein Statement für den Bereich Literatur“ setzen, zum anderen aber auch die kulturelle Infrastruktur der Stadt bereichern. Und auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt selbst sollen profitieren: Sie können Gruber nicht nur auf Lesungen erleben (so etwa am 6. Juli im Stadt-Bau-Raum in der Feldmark), sie können auch an einer ihrer Schreibwerkstätten teilnehmen. Diese sollen in der Stadtbibliothek steigen, kündigte deren Leiterin Anja Herzberg an. „Vielleicht gewinnen wir durch die Kurse von Carola Gruber ja Menschen, die danach etwas über ihre eigene Stadt schreiben wollen“, so Herzberg.
Bibliotheken stehen übrigens bei jedem Stadtbummel von Gruber ganz ober auf der Liste. „Ich liebe Bücher, aber auch die Bibliotheken als Orte. Sie haben fast überall eine besondere, wunderschöne Atmosphäre“, schwärmt die gebürtige Bonnerin. Wie viele Texte Gruber in den kommenden drei Monaten erstellen wird, weiß sie noch nicht. „Ich werde aber regelmäßig meinen Blog im Internet befüllen.“ Zudem will sie an ihrem Roman „Alles über Zebras“ weiterarbeiten, der gerade entsteht. Mal sehen, wie viele Momente aus ihrer Zeit als Stadtschreiberin darin einfließen werden. Gruber vermutet, dass es nicht wenige sein werden: „Das Leben hier wird neue Nahrung für meine Texte sein.“
Neben der SEG unterstützt auch die vor sechs Jahren gegründete Gelsenwasser-Stiftung das Projekt. Deren Geschäftsführerin Dr. Bärbel Kerkhoff betonte: „Unser Motto lautet: Wir investieren in Menschen. Und genau das tun wir hier.“ Obwohl die Stiftung die gesamte Region im Auge haben müsse, so Kerhoff, sei es stets ihr Anliegen, dass auch genügend Bildungs- und Kulturprojekte aus Gelsenkirchen gefördert werden.