Gelsenkirchen. Helmuth hat Schmerzen. Die Schildkröte aus der Gelsenkirchener Zoom Erlebniswelt kann sich kaum bewegen. Jetzt freut er sich über eine Prothese.
Es braucht mehrere Männer, um den 108 Kilogramm schweren Helmuth auf sein maßgeschneidertes Rollbrett zu hieven. Um etwa Viertel vor neun ist es soweit. Erst zaghaft und bedächtig, dann mit zusehends mehr Selbstvertrauen dreht die Spornschildkröte ihre Runde auf dem Rasen des Geheges in der Gelsenkirchener Zoom Erlebniswelt.
Martina Ernst schaut sich Helmuths erste öffentliche Gehversuche aus der Nähe an. Ernst ist die Tierpflegerin der Schildkröte. Der 24-jährige Helmuth hatte lange auf das Rollbrett warten müssen. Eine Arthritis in der rechten Schulter plagt ihn seit Monaten. Den Befund lieferte ein CT in einer Spezialklinik im münsterländischen Telgte. Im Zoo wird vermutet, dass die Arthrose von einer falschen Ernährung in Kindheitstagen kommen könnte. Am Dienstagmorgen ist Ernst hörbar angetan von Helmuths Prothese: „Er bewegt sich wieder mehr und ist wacher.“
Zoom Erlebniswelt: Schildkröte wird auf Motorradhebebühne vermessen
Dass er eine erhalten hat, liegt an einem gewaltigen Medienecho. Landesweit wurde im April über das Schildkröten-Schicksal berichtet. Experten wie Orthopädietechniker Ulrich Schade aus Bochum sehen die Berichte und bieten der Zoom Erlebniswelt Hilfe an. „Wir haben gemerkt, dass man etwas für Helmuth tun muss“, sagt Schade.
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Vor wenigen Wochen kommt Helmuth bei dem Orthopäden auf eine entsprechend umgebaute Motorradhebebühne. Dort wird ein Gipsabdruck angefertigt. Anschließend baut Schade mit seinem Team eine Unterschale, die später verstärkt wird. Am Ende des Prozesses steht eine Art Brett mit Rollen und Gurten, fast ein Skateboard, das Tierpfleger wie Ernst der Schildkröte umschnallen. Das Board, mehrere Hundert Gramm schwer, entlastet die Schultern des Tieres.
Das sei ein Aufwand, der sich lohnt. Ein Aufwand, so hofft der Zoo, der später nicht mehr nötig sein soll. Die Hoffnung ist, dass sich Helmuth, der zwischen 70 und 80 Jahre alt werden kann, irgendwann wieder ohne sein Rollbrett fortbewegen kann. Wann und wie das funktionieren wird, steht noch nicht fest.
Helmuth bekommt Massagen und Physiotherapie – „Super Erfolg“ für den Zoo aus Gelsenkirchen
Sicher ist: Doris Grütjen hätte ihren Anteil daran. Die Hunde-Osteopathin aus Wesel kümmert sich um Helmuths physiotherapeutische Versorgung, macht mit ihm Übungen, massiert ihn. „Er genießt das“, sagt Grütjen, die die 108-Kilo-Schildkröte seit zwei Monaten betreut. „Er ist stärker geworden und hat schon Fortschritte gemacht.“
Die Muskeln hätten sich bereits verstärkt, so dass sich Helmuth im Innenbereich ohne sein Brett bewegen könne. „Draußen wird er es vermutlich noch länger brauchen“, fügt Tierärztin Judith Wabnitz an. Spritzen bekomme die Schildkröte, deren natürliches Habitat in Afrika liegt, keine mehr. „Er kriegt Ergänzungsmittel. Das ist für uns ein super Erfolg“, sagt Wabnitz.
So dreht Helmuth munter seine Runde, angelockt von Zucchini und Salatköpfen. Nervös wird er im Kamera-Blitzlichtgewitter übrigens nicht – diverse Fernsehsender sind in dem Schildkröten-Gehege der Zoom Erlebniswelt, um sich seine neue Prothese anzuschauen. Von Schildkröte zu Schildkröte sei das Verhalten unterschiedlich, erklärt Wabnitz. Helmuth sei jemand, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lasse. Tatsächlich scheint er Gefallen am Rampenlicht gefunden zu haben. Und an seiner neuen Gehhilfe natürlich auch.