Ückendorf. Da es einen Kaufinteressenten für den Fußballplatz von ETuS Gelsenkirchen gibt, ist auch die Zukunft des benachbarten Reitvereins bedroht.
Wo liegt das Glück der Pferde? Das der Erde liegt bekanntlich auf deren Rücken. Aber was ist mit dem der Tiere? Bei Johnny ist es eindeutig: Sein Glück liegt direkt neben dem Fußballplatz. Wenige Meter von der roten Asche entfernt, wächst auf einem schmalen Streifen etwas Gras. Als Monika Patryas den Wallach darauf führt, stürzt er sich regelrecht auf das frische Grün, verschlingt es, als wäre es ein saftiges Steak vom Grill. Kein Wunder, denn eine solche Leibspeise ist für das Pferd des Reitvereins ETuS Gelsenkirchen selten. Der schmale Streifen neben dem Ascheplatz ist das einzige Stück Gras, das der Klub seinen Tieren bieten kann.
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Die Reiter sind zugebaut, auf der einen Seite von einem Supermarkt sowie einer Verkaufshalle, auf der anderen Seite vom Betriebshof der Gelsendienste. Eine Weide gibt es nicht. Die einzige Auslauffläche ist der Sportplatz des gleichnamigen Fußballvereins inklusive Gras-Streifen – und auch der könnte bald für ein Bauvorhaben weichen. Für das Gelände der Fußballer gibt es einen Kaufinteressenten, der dort nach WAZ-Informationen Hallen für den gewerblichen Betrieb plant. Die ETuS-Fußballer haben sich deshalb schon nach einer neuen Heimat umgesehen und wollen ins Südstadion umziehen. Was die Bebauungspläne für die Reiter bedeuten, bringt Geschäftsführerin Monika Patryas auf den Punkt: „Dadurch wären unsere langfristigen Überlebenschancen gleich Null.“
Johnny muss um seinen kurzen Auslauf auf den Grünstreifen bangen
Mündlichen Zusagen von Gelsensport und Fußballern, der Reitverein werde vom Besitzerwechsel nicht betroffen sein, da es nur um das Gelände der Fußballer gehe, traut Monika Patryas nicht. „Das hätte für den Reitverein sehr wohl erhebliche Konsequenzen“, betont sie. „Die Wasserversorgung unserer Pferde läuft über den Fußballplatz. Wenn die bestehenden Gebäude abgerissen werden, müssen hier neue Leitungen gelegt werden. Außerdem führt die Zufahrt zu unserem Gelände ebenfalls über das Grundstück der Fußballer. Es ist fraglich, inwiefern eine durchgängige Zufahrt während der Bauarbeiten möglich ist.“
Monika Patryas ergänzt: „Hinzu kommt, dass wir den Ascheplatz bei unserem Reitturnier als Parkfläche nutzen. Diese Möglichkeit würde wegfallen, obwohl das Turnier wichtig ist, um die Versorgung der Tiere finanziell sicherzustellen.“
Auch Johnnys kurzer Auslauf auf den Grünstreifen neben dem Sportplatz wäre dann wohl nicht mehr möglich. Monika Patryas verweist darauf, dass nicht nur die Zukunft des Reitvereins bedroht sei, sondern auch die des gesamten Reitsports im Gelsenkirchener Süden. Denn: ETuS ist der einzige Klub südlich des Kanals, der nächste Gelsenkirchener Reitverein liegt zehn Kilometer entfernt in Resse. „Wir haben deshalb einen riesigen Zulauf“, erzählt die 49-Jährige. „Momentan haben wir etwas mehr als 100 Mitglieder, davon 80 Kinder und Jugendliche. Auf unserer Warteliste stehen aber noch 65 Namen. Wir könnten also noch viele neue Mitglieder dazugewinnen.“
Das Gelände gehört der Eisenbahn
Woran das scheitert? Am fehlenden Platz. Der ist schon jetzt aufgrund der Bebauung ringsherum begrenzt. Zur Verfügung stehen nur ein kleiner Reitplatz, eine noch kleinere Reithalle sowie ein Paddock, auf dem die Pferde nach fünf Galopp-Sprüngen das andere Ende erreicht haben. „Von den 18.000 Quadratmetern, die die Fußballer und wir haben, nutzen wir 3.000“, verrät Monika Patryas kopfschüttelnd. Sie müsse immer wieder auf der Warteliste stehende Kinder vertrösten, da es nicht genug Kapazitäten gebe.
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Doch die Geschäftsführerin hat eine Lösung: „Wir möchten das Gelände der Fußballer langfristig pachten, um dort einen zweiten Reitplatz und eine Wiese anzulegen. Dann könnten wir auch neue Reitschüler aufnehmen.“ Zu entscheiden hat dies das Bundeseisenbahnvermögen (BEV), das das Gelände der Fußballer und Reiter verwaltet.
Monika Patryas: „Eine Verpachtung ist unsere einzige Chance“
Auf WAZ-Anfrage teilt das BEV jedoch mit, auf den Wunsch der Reiter vorerst nicht einzugehen: Da zwischen dem BEV und dem Fußballverein „als Sozialeinrichtung des BEVs ein gültiges Vertragsverhältnis über die Sportfläche besteht, kommt eine Verpachtung der Fläche an Dritte nicht in Betracht“. Die Reiter gelten als Dritte, da sie sich einst von den Fußballern trennten und einen eigenständigen Klub gründeten. Nur der Namen blieb.
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Dass es einen Kaufinteressenten gibt, bestätigt das BEV. Monika Patryas weiß, was das heißt: „Wenn der Sportplatz öffentlich ausgeschrieben wird, haben wir gegen den Interessenten finanziell keine Chance. Eine Verpachtung ist unsere einzige Chance, aus den begrenzten Möglichkeiten eine schöne Reitanlage zu machen, die vielen Kindern und Jugendlichen Sport in ihrem nahen Umfeld bietet. Nur so hat der Reitverein eine sichere Zukunft.“ Doch angesichts der BEV-Aussage rückt das Glück der Pferde in weite Ferne.