Gelsenkirchen. Die Stadt setzt die Schuleingangsuntersuchungen in diesem Jahr aus, das Personal ist knapp. Was die Gelsenkirchener Elternvertreter dazu sagen.

Die Schuleingangsuntersuchung – eigentlich ein fixer, ein fester Termin in jedem Kalender der Eltern, deren Kinder bald eingeschult werden. Doch auch in diesem Jahr ist alles anders – coronabedingt. Nach aktuellem Stand finden die Untersuchungen in Gelsenkirchen nur eingeschränkt statt. Heißt: Kinder können bei Bedarf – wenn es etwa um eine Zurückstellung oder vorzeitige Einschulung geht – trotzdem von den Ärztinnen des Kinder- und Jugendmedizinischen Dienstes untersucht werden. Dass nicht mehr alle zukünftigen Erstklässler des Schuljahres 2021/22 betrachtet werden – Elternvertreter sehen das mehr als kritisch.

Schuleingangsuntersuchung: Elternvertreter sehen Aussetzung mehr als kritisch

Svenja Streich, Vorsitzende des Jugendamtselternbeirates Gelsenkirchen, nimmt klar Stellung: „Gerade die Schuleingangsuntersuchungen sind wichtiger denn je. Sie bieten doch die Chance, all die Kinder einmal zu sehen, die sonst in den vergangenen Monaten nicht sichtbar waren“, so Streich. Sie sieht die Kommune in der Pflicht, schließlich gehe es bei der Untersuchung der Kinder nicht nur um das Feststellen der Schulreife an sich.

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„Unabhängig von der Möglichkeit, Eltern frühzeitig noch auf Unterstützungs- und Förderangebote hinsichtlich der Schulreife hinzuweisen, ist die Aussetzung der bis dato verpflichtenden Schuleingangsuntersuchung aus Gründen des Kinderschutzes höchst bedenklich“, sagt der Jugendamtselternbeirat auch. (Was die Corona-Pandemie mit den Kindern macht, können Sie hier nachlesen.)

Alle bis auf eine Ärztin sind in die Pandemie-Bekämpfung eingebunden

Das Problem, das dahinter steckt: „Bis auf eine Ärztin sind alle anderen in das Corona-Geschehen eingebunden“, erklärt Emilia Liebers. Das bedeutet, um es mit den Worten der Amtsärztin und stellvertretenden Leiterin des Gesundheitsamtes zu sagen: „Ich habe keinen, der das machen kann.“ All ihre Kräfte sind beschäftigt mit der Pandemie-Bekämpfung.

Vergangenes Jahr gab es noch Untersuchungen

Zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 hatte das Gesundheitsamt die Schuleingangsuntersuchungen wie auch in diesem Jahr ausgesetzt, konnte sie im Mai aber wieder aufnehmen.

Von 2588 Kindern konnten 2030 – also mehr als 78 Prozent – vor ihrer Einschulung untersucht werden.

Derzeit übernehmen eine Stammärztin und eine weitere Ärztin, die auf Honorarbasis einmal in der Woche dazustößt, die Untersuchungen.

Die Pandemie hat auch hier offen gelegt, welche Missstände eigentlich bei der Suche nach Fachkräften in den Gesundheitsämtern existieren. Brennglas Corona: „Im Grunde war es immer schon knapp, es lief aber mit viel Engagement gut“, sagt Emilia Liebers über die Situation vor der Krise.

Eltern fühlen sich nicht ausreichend über die aktuellen Regelungen informiert

Die Zahl der Kinder, die sich vor Schuleintritt vorstellten, sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Lag die Zahl der Untersuchungen einst bei zehn pro Woche, stieg sie auf zwölf bis 13. „Wir waren sehr sehr gut beschäftigt“, erinnert sich die Ärztin.

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Ein weiterer Punkt, mit dem die Gelsenkirchener Elternvertreter die Wichtigkeit der Schuleingangsuntersuchungen unterstreichen: Gerade in diesen Zeiten seien zahlreiche Meldewege, sonst durch Kinderärzte, Zahnärzte, Kita-Beschäftigte oder auch Sport- und Freizeitleiter aufgefangen, weggefallen. Schon seit langem würde teilweise kein direkter Kontakt mehr zu den Kindern bestehen.

Die betroffenen Eltern seien zudem nicht ausreichend über die diesjährigen Regelungen informiert worden, kritisiert der JAEB auch. Hinweise für Eltern, sich bei Fragen hinsichtlich der Einschulung an die Kinderarztpraxis zu wenden, seien ebenfalls ausgeblieben.

Eine Nachuntersuchung der Kinder ist nicht möglich

Der JAEB wünscht sich in diesem Zusammenhang vor allem „mehr Transparenz und direktere Informationen“ für alle betroffenen Eltern und ein „freiwilliges Angebot zur Wahrnehmung von Schuleingangsuntersuchungen“. Das sieht Emilia Liebers kritisch: „Ich habe echt Sorge, dass wir hier dann überflutet werden“. Dennoch verstehe sie die Eltern, ihre Anliegen und Sorgen sehr gut. Die Amtsärztin sagt auch: „Jedes Elternteil hat ein Recht auf die Beratung.“

Eine Nachuntersuchung sei dennoch nicht möglich – „das tut uns ehrlich leid“, so Emilia Liebers. Denn die nächsten Kinder, die Erstklässler von 2022, warten schon. „Wir bereiten uns schon jetzt auf das nächste Schuljahr vor, sodass wir im September beginnen können“, berichtet die Ärztin. Außerdem hätten die Schulen schon jetzt genug Kinder gemeldet, die für die derzeit priorisierte Untersuchung in Frage kommen.

Und was ist mit den anderen Kindern, die nun irgendwie aufgrund der ausgesetzten Schuleingangsuntersuchungen doch durchs Raster fallen, nicht gesehen werden (können)? „Unsere Hoffnung liegt auf der Aufmerksamkeit der Lehrer und der Sensibilität der Eltern, darauf, dass die Schulen einen besonderen Blick auf die Kinder haben“, so Emilia Liebers.