Gelsenkirchen. Ein Gelsenkirchener Aktionsplan soll die Akzeptanz von LSBTIQ*-Menschen steigern. Die AfD überrascht mit einem Antrag für gendergerechte Sprache.

Die Stadt Gelsenkirchen unternimmt mehr für die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Inzwischen sind die ersten Maßnahmen aus dem sogenannten LSBTIQ*-Aktionsplan angelaufen, den die Verwaltung im Februar 2021 vorgelegt hat. So erhielten mittlerweile rund 40 Lehrerinnen und Lehrer von weiterführenden Schulen eine sexualpädagogische Schulung, in der auch für die Lebenswelten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter* und queeren Menschen, also LSBTIQ*-Personen, sensibilisiert werden soll.

Schulpsychologen wollen mehr Normalität herstellen

„Es geht darum eine Aufgeschlossenheit für das Thema zu erreichen, Normalität dafür herzustellen und Kindern und Jugendlichen mehr Freiheit für ihre Entwicklung zu geben“, erklärt Carsten Joiko, Leiter der Schulberatungsstelle. Der Aktionsplan habe den entschiedenen Anstoß gegeben, um LSBTIQ*-Themen in die Schulungen der Lehrkräfte zu integrieren. Inhalte seien unter anderem die Reflexion der eigenen sexuellen Entwicklung und der Schutz vor sexualisierter Gewalt. Künftig soll auch das Personal an Kitas und Grundschulen zum Thema Diversität geschult werden.

Gelistet werden im Aktionsplan 62 Maßnahmen – darunter Elternbriefe zum Thema geschlechtliche Vielfalt, Öffentlichkeitskampagnen und Unisexkabinen im Sport, Stolpersteine für LSBTIQ*-Personen, Kunstprojekte oder die Umsetzung gendergerechter Sprache in der Verwaltung. So soll die Frühprävention in Kitas, aber auch die Akzeptanz in der Rentnergeneration für Regenbogenfamilien oder Menschen mit diversem Geschlecht verbessert werden. [Lesen Sie hier:Ein Glück der etwas anderen Art: Papi, Papa und der Kleine]

AfD überrascht mit Antrag: Begriff LSBTIQ* gehe nicht weit genug

Die gendersensible Sprache ist auch Thema in der kommenden Ratssitzung am Donnerstag (20. Mai) – und wird überraschenderweise von der AfD-Fraktion eingefordert, deren sozialpolitischer Sprecher Thorsten Pfeil den Aktionsplan erst kürzlich als Zeichen dafür gewertet hatte, „dass Humanressourcen und Steuergeld in Gelsenkirchen gerne zum Fenster hinausgeworfen werden“. Auf Nachfrage der AfD-Fraktion gab die Gleichstellungsstelle an, dass für Entwicklung und Erstellung des Plans Kosten in Höhe von rund 3800 Euro angefallen seien – für die AfD-Fraktion offensichtlich zu teuer.

Opfer erstatten oft keine Anzeige

Die AfD-Fraktion fragte die Stadt vor Kurzem, ob Zahlen zur Häufigkeit von Übergriffen gegen Lesben, Schwule oder Transpersonen vorliegen - und erhielt die Antwort, dass Erkenntnisse nicht vorlägen. Die AfD deutete dies als hinreichenden Beweis für die Nichtexistenz von Diskriminierung im LSBTIQ-Milieu.

Homo- und transfeindliche Straftaten werden in NRW seit 2018 als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ erfasst. Da die Motivation der Täter und die geschlechtliche Orientierung der Opfer zu Beginn einer Ermittlung oft nicht klar sei, gestalte sich die statistische Erfassung als schwierig, teilte die Gleichstellungsstelle mit.

Dunkelfeldstudien würden zeigen, dass bis zu 90 Prozent der Betroffenen ohnehin keine Anzeige erstatten – etwa aus Scham vor Bekanntwerden ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.

Für die kommende Ratssitzung beantragt die rechte Fraktion nun dennoch, in der Verwaltung künftig konsequent den Begriff LSBTIQA+ statt nur LSBTIQ* zu nutzen. Mit dem erweiterten Begriff schließe man Asexuelle und Aromantiker nicht länger aus, heißt es in dem Antrag. Zudem werde durch das Pluszeichen jenen Menschen Rechnung getragen, deren Identität sich nicht durch Buchstaben und Worte erklären ließe.

Die Grünen halten den Antrag für „unauthentisch“ und werfen der AfD vor, sonst nichts gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und Personen diversen Geschlechts zu unternehmen. Den Aktionsplan sieht Grünen-Co-Fraktionschefin Adrianna Gorczyk als Hilfsmittel, um „grundlegende Rechte von Menschen zu sichern, die häufiger als andere in der Selbstbestimmung ihres Lebens eingeschränkt werden.“ Die Kosten in Höhe von 3800 für die Entwicklung des Plans seien moderat und angemessen.

Regenbogenflagge vor SPD-Parteizentrale entfernt

Anlässlich des internationalen Tages gegen Homo- und Trans*phobie (IDAHOT) am 17. Mai und dem Diversity Tag am 18. Mai hat die Stadt Gelsenkirchen eine Regenbogenflagge vor dem Hans-Sachs-Haus gehisst - wie auch die Gelsenkirchener vor ihrer Partei-Zentrale, wo die Flagge allerdings von Unbekannten abgerissen worden ist. Parteichef Markus Töns zeigte sich empört: „Solche Vorfälle machen deutlich, dass wir bei der Akzeptanz und Gleichberechtigung von LSBTIQ*-Personen noch eine Menge zu tun haben.“

Die SPD hält dabei drei Punkte für besonders wichtig: Es sollte bei der Stadt eine feste Stelle geschaffen werden, die als zentraler LSBTIQ*-Ansprechpartner fungiert. Zudem sei es wichtig, dass die Stadt die „Charta der Vielfalt“ unterschreibt, eine Selbstverpflichtung für einen vorurteilsfreien Arbeitsplatz. Auch einen zentralen Gedenkort für Homosexuelle und Personen diversen Geschlechts, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden, hält die SPD für wichtig. „Zentral muss dabei sein, dass wir mit den LSBTIQ*-Communities sprechen und nicht über sie“, sagte Töns.