Gelsenkirchen. Dass der Kaue-Mietvertrag gekündigt wurde, löste eine Welle der Empörung aus. Tatsächlich wussten Parteien und Verwaltung das aber schon lange.
Der Kaue drohe das Aus, der Betrieb der beliebten Kulturstätte sei zu teuer und der Mietvertrag ist deshalb schon längst gekündigt. Diese Nachricht überraschte vor fast zwei Wochen nicht nur die Gelsenkirchener Kulturszene, sondern auch die örtliche Politik. Das jedenfalls war der Eindruck, der angesichts der Solidaritätsbekundungen der Parteien aufkam, die alle betonten, sich für den Erhalt der Kaue einzusetzen. Dass den Parteien das Thema schon lange bekannt war, erklärte indes kein Beteiligter - bis jetzt.
Ginge es nur um Mietvertragsverhandlungen, um für den Kaue-Betreiber Emschertainment GmbH – einer hundertprozentigen Stadtwerketochter – günstigere Konditionen auszuhandeln, und nicht um den grundsätzlichen Erhalt der Kaue, so war es aus Sicht der Grünen nachvollziehbar, die Öffentlichkeit nicht über die laufenden Verhandlungen zu informieren.
Mietvertragskündigung der Kaue wurde am 11. März im Stadtwerke-Aufsichtsrat verkündet
Dass dem auch so sei, glaubten die Grünen seit der Aufsichtsratssitzung der Stadtwerke am 11. März, bei der darüber informiert wurde, dass der Kaue-Mietvertrag als eine seiner letzten Amtshandlungen vom ehemaligen Chef der Stadtwerke, Ulrich Köllmann, gekündigt worden war.
Grünen-Aufsichtsratsmitglied Dennis Hoffmann und Fraktionsvorsitzende Adrianna Gorczyk erklären nun auf WAZ-Nachfrage: „Gleichzeitig wurde am 11. März kommuniziert, dass die Kaue weiterhin durch Emschertainment, allerdings nicht mehr in der Häufigkeit, bespielt wird. Für uns hat sich aus dieser Information nicht abgeleitet, dass es kein Konzept für die Nachnutzung gibt, vor allem da die uns bekannte Planung für 2021 der Emschertainment die Kaue berücksichtigt hatte“.
Erst als den Grünen nach den Berichten im Stadtmagazin „isso“ und der WAZ die Tragweite der Entscheidung klar geworden sei, „also dass damit die Kaue als Kulturstätte grundsätzlich gefährdet scheint, haben wir gefordert, dass die nächsten Schritte in der Diskussion um die Zukunft der Kaue öffentlich stattfinden“, so Gorzcyk.
CDU: Kaue-Thematik hätte schon zuvor in den Kulturausschuss gehört
Ähnlich klang das bereits in der Mitteilung (3. Mai) von Annelie Hensel, Sprecherin der CDU-Fraktion im Kulturausschuss. „Ich verstehe nicht, wieso die Kündigung erst jetzt die Öffentlichkeit erreicht und ich frage mich, wieso die Verwaltung es nicht für nötig befunden hatte, die letzte Sitzung des Kulturausschusses dazu zu nutzen, um über den Sachstand zu informieren.“
Dass die Debatte über die Zukunft der Kaue öffentlich geführt werden sollte, findet zwar auch CDU-Chef Sascha Kurth, er sieht die Verantwortlichkeit dafür aber ebenfalls bei der Stadtverwaltung und betont, warum die CDU-Vertreter im Aufsichtsrat bis zu den Kaue-Medienberichten gar nicht hätten über das sprechen dürfen, was hinter den Kulissen bereits seit Wochen geschieht.
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„Es ist nicht Aufgabe der Aufsichtsratsmitglieder und schlicht auch untersagt, solche Sachverhalte in die öffentliche Debatte zu tragen, da muss dann verwaltungsseitig berichtet werden. Unabhängig davon, dass Vertreter in Aufsichtsgremien zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, gehört wie von uns gewünscht und beantragt, die politische Debatte öffentlich in den Kulturausschuss“, so Kurth.
Klar sei aber auch, dass nicht jede aktive Vertragshandlung in der Öffentlichkeit ausgetragen werden könne, vor allem nicht, wenn sich alle im Ziel einig seien. Das wäre kontraproduktiv und würde den Interessen der Bürgerinnen und Bürger auch in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler entgegenstehen, unterstreicht der CDU-Chef.
Den Vorwurf, die SPD hätte den Eindruck erweckt, von der Kaue-Thematik überrascht worden zu sein, widerspricht SPD-Chef Axel Barton ebenso wie die anderen Parteisprecher. „Nach Durchsicht der von uns verfassten Pressemitteilungen kann ich nicht erkennen, dass unsererseits nach Bekanntwerden der Mietvertragskündigung der Eindruck erzeugt wurde, das das Thema neu war. Vielmehr brachte unser kulturpolitischer Sprecher, Taner Ünalgan, sofort zum Ausdruck, dass die Kaue als wichtiger Veranstaltungsort unserer Stadt erhalten werden muss und er sich aktiv darum bemüht“, so Barton.
Die Frage, warum auch die SPD die Gelsenkirchener bis wenige Wochen vor Auslauf des Mietvertrages nicht darüber informiert hat, ließ Barton aber unbeantwortet.
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Auch die AfD hat einen Vertreter im Aufsichtsrat der Stadtwerke und wusste folglich seit spätestens 11. März, dass die Kaue auf der Kippe stand. „Ohne das Protokoll vorliegen zu haben, können wir uns den Sachverhalt nur so erklären, dass die Kündigung des Mietvertrags in der angesprochenen Aufsichtsratssitzung zwar bekannt gegeben worden ist, jedoch so unklar kommuniziert wurde, dass diese Information bei der AfD-Ratsfraktion und auch den politischen Vertretern der anderen Fraktionen schlichtweg nicht angekommen ist“, so Fraktionschef Jan Preuß.
Das zeige sich durch den Umstand, dass die anderen Fraktionen das Thema ebenfalls erst aufgegriffen haben, nachdem es in der Presse bekannt wurde. „Auch Oberbürgermeisterin Karin Welge äußerte sich erst dann öffentlich dazu“, erklärt Preuß, der eine öffentliche Diskussion über das Fortbestehen für zwingend notwendig hält.
Parteien fordern öffentliche Debatte über die Zukunft der Debatte
Tatsächlich ließ OB Karin Welge – die bereits sechs Tage nach Bekanntwerden des avisierten Kaue-Endes plötzlich die Rettung der Spielstätte verkündete – bis heute Presseanfragen unbeantwortet, ob und wann die Stadt über den Sachverhalt informiert und öffentlich neue Konzepte erarbeitet hätte, wenn das Thema nicht wenige Wochen vor Mietvertragsende in der Presse bekannt worden wäre.
Stattdessen erklärte Welge auf Nachfrage, dass die Kulturverwaltung ebenso engagiert daran arbeite, die Kaue als Kulturort zu erhalten, wie sie und der neue Stadtwerke-Chef Harald Förster. „Warum? Um ein breites Bündnis und einen städtischen Ideenpool für unsere Kaue zu gewinnen. Ein gemeinsam entwickeltes und in der Stadtgesellschaft verankertes, konsolidiertes Nutzungskonzept“ so Welge.
Wie die aktuelle Forderung nach einer öffentlichen Debatte zeigt, ist dieses „gemeinsam entwickelte Nutzungskonzept“ aber genau das, was die die anderen Parteien vermissen.