Gelsenkirchen. Die Kritik an der Ungleichbehandlung von Geimpften und Genesenen ist nur auf den ersten Blick verständlich. Warum die neue Regel sinnvoll ist.

Da es schon so oft wiederholt wurde, ohne das eine Besserung herbeigeführt wurde oder werden konnte (dies zu beurteilen ist nicht Thema dieses Kommentars), klingt es nur noch wie eine Phrase, was es überhaupt nicht ist: Kinder und junge Menschen leiden besonders unter der Pandemie.

Dass sich angesichts der vermeintlichen „Freiheiten“, die Geimpfte und Genesene nun wieder bekommen sollen, vor allem junge Menschen ungerecht behandelt fühlen, ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Schließlich hatten sie im Regelfall bisher nicht die Chance sich impfen zu lassen.

Ihr Argument lautet: „Wir waren über ein Jahr lang solidarisch, haben akzeptiert, dass zunächst alte und gefährdete Bürger geimpft wurden, haben viele Entbehrungen in Kauf genommen und müssen jetzt mit ansehen, wie andere ein Stück Normalität zurückbekommen, während wir weiter Wochen oder Monate warten müssen. Das ist ungerecht!“

Soll deshalb jeder warten?

Dieser Argumentation folgend müsste also jeder so lange darauf verzichten, seine Rechte – und sei es wie jetzt nur ein kleines bisschen davon – zurückzubekommen, bis alle geimpft sind.

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Mit Verlaub, das ist unsinnig. Inwiefern nützt es einem jungen Menschen, wenn sich weiterhin alle etwa für den Friseurbesuch „freitesten“ lassen müssen, obwohl erwiesenermaßen von einem Teil der Menschen kaum mehr eine Infektionsgefahr ausgeht? Was hat der von der neuen Regelung Enttäuschte davon, wenn Reise-Quarantäneregeln auch für seine Eltern oder Großeltern gelten, wenn doch klar ist, dass das völlig unnötig ist?

Richtig, nichts.

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Es scheint also vielmehr um eine gefühlte Gerechtigkeit zu gehen, denn um eine rationale. Darum, dass sich die Unberücksichtigten einfach besser fühlen wollen, in dem Wissen, dass alle weiterhin gleichermaßen in ihrer Freiheit beschränkt werden.

„Solidarität“ einzufordern, weil man selber solidarisch war, klingt dabei dann auch fast so, als hätte Corona den Jüngeren nichts anhaben können und man die Fete mit den Freunden nur deshalb nicht gefeiert hätte, um die Alten zu schützen.

Zu Beginn der Pandemie beherrschte diese Annahme die allgemeine Wahrnehmung und Berichterstattung. Doch spätestens mit der britischen Mutante gilt das so nicht mehr. Das Solidaritätsargument greift also zu kurz. Wer sich an die Regeln hält, tut dies in erster Linie auch um sich selber zu schützen.

Gerechtigkeit muss Sinn ergeben

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Wir wollen alle so schnell wie möglich Normalität, einige kriegen ein ganz klein wenig davon eben etwas eher zurück. Das ist doch endlich mal ein Lichtchen am Ende des Tunnels.

Gerechtigkeit muss Sinn ergeben. Menschen ihre Rechte nicht wieder zurückzugeben, obwohl von ihnen offenbar keine Gefahr mehr ausgeht, nur weil wir diese Rechte im Moment noch nicht allen gleichzeitig zurückgeben können, ist unsinnig und deshalb am Ende auch nicht gerecht.

Dass es überdies auch noch positive wirtschaftliche Effekte verspricht, wenn dem Geldausgeben so schnell wie möglich weniger Hürden im Weg stehen, kommt noch erschwerend hinzu.

Justus Heinisch ist anderer Meinung

Lesen Sie hier die Gegenmeinung von Justus Heinisch: Die Corona-Pandemie lässt sich nur gemeinsam besiegen: ein bekannter Slogan. Neue Freiheiten für Geimpfte in NRW verhöhnen dieses Motto.