Gelsenkirchen. In Gelsenkirchener Kitas gibt es aktuell nur eine Notbetreuung – jedoch ohne Nachweispflicht. Wie Träger und Gewerkschaft die Belegung bewerten.
Seit dieser Woche greift auch in Gelsenkirchen die bundesweite Notbremse. Für den Betrieb an den Kindertagesstätten heißt das: Ab einer lokalen Inzidenz von 165 Neuinfektionen (pro Woche und 100.000 Einwohner) gibt es nur noch eine „bedarfsorientierte Notbetreuung“. In Gelsenkirchen liegt der Wert seit Tagen um die 250 – wie stellt sich die Lage vor Ort, in den Kitas der Stadt, dar? Wir haben nachgefragt.
Zum Hintergrund: In Nordrhein-Westfalen können sich Eltern den Bedarf der Betreuung selbst bescheinigen, ohne berufliche oder familiäre Zwänge belegen zu müssen. Aus diesem Grund gehen offenbar weiterhin zahlreiche Kinder in die Betreuung, obwohl ein Großteil der NRW-Kommunen über der 165-Inzidenz liegt.
Gekita: Städtische Kitas sind in Gelsenkirchen zu 33 Prozent belegt
Die städtischen Kitas unter Trägerschaft von Gekita sind nach Angaben der Stadt aktuell zu 33 Prozent ausgelastet. Hier müsse man differenzieren, betont Bildungsdezernentin Anne Heselhaus. „Es gibt Kitas, die zu zehn Prozent ausgelastet sind. In anderen kommen noch 50 Prozent der Kinder.“ So oder so: In Gelsenkirchen machen weniger Eltern von der Notbetreuung Gebrauch als in anderen Städten. So gehen in Herne beispielsweise noch rund 64 Prozent der Kinder in die Kita, in Gladbeck sind es 42,9.
„Wir haben immer wieder Appelle an die Eltern gerichtet, ihre Kinder möglichst zu Hause zu betreuen. Das hat gefruchtet“, sagt Heselhaus. „Das zeigt, wie verantwortungsbewusst die Gelsenkirchener Eltern sind und dafür möchten wir uns bei ihnen bedanken.“ Gleichzeitig sei aber klar, dass das Kindeswohl an erster Stelle stehe und es Eltern gebe, die darauf angewiesen seien, ihre Kinder in die Kita zu bringen.
Gekita-Chefin: Genug Selbsttests für Personal und Kinder vorhanden
„In Fällen, wo beispielsweise eine Kindeswohlgefährdung vorliegt oder die Eltern aufgrund ihres Berufes nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu betreuen, muss eine Betreuung in der Kita natürlich zur Verfügung stehen“, so Heselhaus. Gekita-Betriebsleiterin Holle Weiß ergänzt, dass die Kita-Leitungen in der Regel einen guten Blick für die Situation in den Familien hätten und sich ständig in Gesprächen mit Eltern befänden.
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Genügend Selbsttests, um sie sowohl den Erzieherinnen und Erziehern als auch den Kinder zweimal wöchentlich zur Verfügung zu stellen, gibt es laut Holle Weiß mittlerweile. „Falls doch einmal in einer Kita zu wenige ankommen, können andere Kitas unkompliziert welche abgeben, weil die Auslastung ja insgesamt eher gering ist.“
Kita des Bistums Essen: Pandemie ist eine „unsägliche Belastung für Kinder“
Katharina Feldmann, Gebietsleiterin für Gelsenkirchen beim Kita-Zweckverband im Bistum Essen, kann ähnliche Zahlen für ihre Einrichtungen vorweisen: „Die Auslastung liegt bei uns bei 33 Prozent, wir zählen täglich.“ Was sind Ihrer Einschätzung nach die Gründe dafür, dass nahezu zwei Drittel der Kinder nicht gebracht werden? „Bei einigen Eltern dominiert Angst und Vorsicht, aber auch die Unsicherheit und die Sorge um’s Kind.“
Dass viele Kinder aber auch in die Notbetreuung kommen, weil es schlicht nicht anders geht, kann auch Katharina Feldmann bestätigen. Wichtig sei immer, das Kind im Mittelpunkt zu sehen, dass es den Kindern gut gehe, ihre Bedürfnisse be- und geachtet werden. Vor allem weil die Pandemie, „die ganze Situation einfach eine unsägliche Belastung für die Kinder ist“, so Katharina Feldmann. Da versuchen ihre Einrichtungen „größtmögliche Kontinuität und Verlässlichkeit zu geben“ – auch und gerade mit Hilfe der Notbetreuung.
37 Prozent Auslastung beim evangelischen Kita-Träger in Gelsenkirchen
Ähnliche Zahlen wie bei Gekita oder dem Bistum sind auch vom evangelischen Träger zu hören. Bevor die Notbremse in Kraft trat, kamen 55 bis 57 Prozent der Kinder. „Diese Woche liegt die Auslastung bei 37 Prozent“, berichtet Claudia Fleiss, Fachberaterin bei der Evangelischen Kindergartengemeinschaft des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid. Sie glaube allerdings nicht, dass es auf Dauer bei diesen Zahlen bleibt, sondern dass sie wahrscheinlich eher wieder ansteigen.
Kritik an den NRW-Regelungen gibt es von Seiten der Gewerkschaft Verdi. Petra Müller, Verdi-Vertrauensfrau bei Gekita etwa hält sie für „völlig unzureichend“. Ein Problem, das sie nennt: „Wenn Kitas viele berufstätige Eltern haben, dann sind sie voll“, so Petra Müller. Die Belastungen für sie und ihre Kolleginnen empfindet die 60-Jährige, die seit 41 Jahren als Erzieherin arbeitet, in der dritten Welle als „anders und größer“.
Gelsenkirchener Verdi-Vertrauensfrau kritisiert mangelnde Schutzstrategie
Sie fordert beispielsweise eine ausreichende Ausstattung mit kindgerechten Testmöglichkeiten, ihrer Meinung nach gibt es auch heute noch immer keine Schutzstrategie. Dass es keine Testpflicht für Kinder gebe, darüber seien viele Kita-Beschäftigten am empörtesten, berichtet Petra Müller. Viele Eltern würden die Selbsttests verweigern, somit gebe es weder einen verlässlichen Überblick über das Infektionsgeschehen, noch sei das Personal ausreichend geschützt, heißt es seitens Verdi. Petra Müller sieht ein Versagen der Politik – und hätte einen konsequenten Lockdown für richtig gehalten, „nicht immer nur dieses Fahren auf Sicht“, sagt sie auch.
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Gleichwohl stellt die Vertrauensfrau klar: Kinder, deren Wohl gefährdet ist, deren Eltern beispielsweise Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, Kinder, die schlicht: betreut werden müssen, gehören auch in eine echte Notbetreuung.
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