Gelsenkirchen-Buer. Röbers aus Gelsenkirchen müssen kreativ sein, um die Krise zu überleben. Zum Drive-in auf der Königswiese kommt jetzt ein Lieferdienst.

„Ich habe letztes Jahr 58 Bücher gelesen. In diesem Jahr sind es bis jetzt schon 94“, sagt Andreas Röber. Diese Zahl beeindruckt, ist aber durch und durch tragisch. So viel Zeit nämlich hätte der belesene Schausteller aus Gelsenkirchen-Buer lieber nicht. Seit dem Ausbruch der Pandemie kann die Familie, die schon lange auf der buerschen Königswiese in ihren Wohnwagen lebt, nicht mehr arbeiten. Keine Kirmes, kein Weihnachtsmarkt – und für die nahe Zukunft wenig Hoffnung.

„Wir hoffen jetzt auf den Weihnachtsmarkt“, sagt Petra Röber, die Frau von Andreas Röber. Soll heißen: Die Hoffnung auf baldige Kirmesveranstaltungen und Volksfeste hat die Familie schon aufgegeben. Bis es wieder läuft heißt es, durchhalten. Seit einem Jahr betreibt Bruder Sascha Röber auf der Königswiese einen Drive-in für gebrannte Mandeln und Co., während Petra und Andreas Röber zunächst bei einer Zeitarbeitsfirma anheuerten. Seit Dezember stand das Paar mit ihrem Mandelwagen bei Rewe-Schüler an der Horster Straße – bis vergangenen Samstag. „Jetzt wird es zu warm“, erklärt Petra Röber, dass das alte Fahrgeschäft in Sachen Kühlung für Sommertage nicht geeignet ist.

Gelsenkirchener sprechen den Röbers Mut zu

Auf den letzten Metern geschieht ein Drama: Ein Autofahrer fährt beim Rangieren mit Vollgas in den Mandelwagen, schiebt ihn über einen Meter zurück ins Schaufenster der anliegenden Bäckerei. Andreas Röber ist leicht verletzt, für drei Wochen krank geschrieben. Der Wagen steht nun stark beschädigt auf der Königswiese. Den Mut aber gibt die Familie dennoch nicht auf.

Der Fuhrpark der Familie Röber auf der Königswiese aus der Vogelperspektive.
Der Fuhrpark der Familie Röber auf der Königswiese aus der Vogelperspektive. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Diese Perspektivlosigkeit ist natürlich hart“, sagt Petra Röber und räumt offen ein, finanziell sei das vergangene Jahr natürlich auch schwierig gewesen. „Die Einnahmen aus beiden Geschäften waren natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber wir waren beschäftigt, hatten eine Tagesstruktur. Und wir haben viele Stammkunden getroffen, die uns Mut zugesprochen haben oder ihre Corona-Geschichten erzählt. So haben wir gespürt, wir sind nicht alleine.“ – „Nach dem Motto, geteiltes Leid ist halbes Leid“, sagt Andreas Röber.

Warum die Röbers trotz allem nicht aufgeben wollen

Eigentlich hatte man gehofft, im Mai alle Fahrgeschäfte überholen zu können und ab Juni wieder in der buerschen Innenstadt stehen zu können, zunächst mit einem Crêpe-Wagen. Doch daraus werde, in Anbetracht der aktuellen Fallzahlen und Bestimmungen, wohl auch nichts. Daher richten Petra und Andreas Röber nun einen Lieferdienst für Kirmes-Leckereien ein, den sie natürlich bis zu seiner Genesung zunächst alleine betreibt. Ob frisches Popcorn, gebrannte Mandeln oder die selbst gemachten Obstspieße, auf Wunsch auch auf großen Platten: Das Angebot ist groß und geliefert wird an sieben Tagen in der Woche.

So erreicht man den Lieferdienst

Der Drive-in auf der Königswiese ist montags bis samstags von 14 bis 19 Uhr geöffnet.

Der Lieferdienst der Röbers ist ab sofort erreichbar unter 01522 7270134 (auch Whatsapp). Ab einem Mindestbestellwert von 20 Euro wird im Umkreis von fünf Kilometern kostenlos ausgeliefert. Weitere Stadtteile nach Absprache.

Es ist wieder ein Versuch, in der Krise zu bestehen. Dabei machen sich die Röbers gegenseitig Mut. Meistens klappt das auch. „Natürlich gibt es auch andere Momente. Ich weiß noch, im späten Herbst war ich in meinem Fadenzieh-Wagen, habe alles überprüft, auch die Musikanlage. Dann habe ich mich hingesetzt und bittere Tränen geweint. Mein Bruder kam rein und ich habe nur gesagt, was machen die mit uns?“ Sorgen, erzählen sie, machen sich alle Schausteller. Manche würden die Krise vielleicht auch nicht überstehen. Jene, die es irgendwie schaffen, die stünden aber bereit.

„Sobald wir wieder dürfen, sind wir wieder unterwegs“, sagt Petra Röber. „Und dann kommt auch das Publikum zurück. Da bin ich sicher. Wir hören so oft, wir vermissen euch.“ Die Frage, die Schaustellerei an den Nagel zu hängen, stellt sich nicht für die Familie. „Es gibt doch nichts Schöneres, als sein Leben selbstbestimmt gestalten zu können“, sagt Andreas Röber. Es sei eine ganz interessante Erfahrung gewesen, bei der Zeitarbeitsfirma tätig zu sein. „Aber es ist eben nicht das, wo ich rein geboren wurde und wofür mein Herz schlägt.“