Gelsenkirchen. Etwa 2500 Proben testet das Gelsenkirchener Eurofins-Labor pro Tag auf Corona und Mutationen. So funktioniert der PCR-Testvorgang konkret.

Im Treppenhaus liegt ein chlorartiger Geruch in der Luft. Professor Matthias Willmann winkt lachend ab – das sei nur das Nachbarlabor: „Die Molekularbiologie ist geruchsneutral.“ Der Ärztliche Leiter des Gelsenkirchener Eurofins-GeLaMed-Labor führt uns zu einer Glastür, an der ein roter Zettel klebt: „PCR-Labor – Zutritt nur nach Aufforderung“. Hier ermitteln Laborkräfte die Antwort auf die Frage aller Fragen: positiv oder negativ?

Hinter der Tür brummen Kühlschränke, piepst ein Barcodescanner, füllen viele schnelle Hände Flüssigkeiten in Pipetten, tragen Mitarbeiterinnen mit weißen Kitteln und Schutzmasken kleine Glasröhrchen von einem Ort zum anderen. Ein Kalender an der Wand verkündet, wann wer aus der „Corona-Crew“ Urlaub hat. Etwa 2500 Proben werden hier, in der Gelsenkirchener Altstadt, täglich auf das Coronavirus getestet. Sie kommen aus ganz NRW, hauptsächlich von Kliniken und Hausärzten und aus dem öffentlichen Gesundheitswesen. Es ist eine Arbeit, die die volle Konzentration und höchste Präzision erfordert.

Beginn der Corona-Pandemie im Labor: Hohe Belastung, viele Überstunden

„Wir mussten unseren Betrieb, wie wahrscheinlich jedes Labor in Deutschland, im letzten Jahr extrem hochfahren“, sagt Professor Willmann. Als im Frühjahr 2020 immer mehr potenzielle SARS-COV-2-Proben angekommen seien, hätten die Laborkräfte zunächst Überstunden angehäuft. „Das war eine extreme Belastung“, erinnert sich der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Denn auch, wenn sich die ganze Welt urplötzlich um das Coronavirus zu drehen schien: „Die Leute bekommen auch immer noch Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hepatitis oder Aids.“

Matthias Willmann ist Ärztlicher Leiter des Gelsenkirchener Eurofins-Labors. Testungen auf das Coronavirus gehören mittlerweile zum Hauptgeschäft des Labors.
Matthias Willmann ist Ärztlicher Leiter des Gelsenkirchener Eurofins-Labors. Testungen auf das Coronavirus gehören mittlerweile zum Hauptgeschäft des Labors. © Eurofins GeLaMed | Melanie Graas

Die Zahl der Blutproben, die vor der Pandemie untersucht werden mussten, wurde also naturgemäß nicht kleiner – die zahlreichen PCR-Tests kamen einfach dazu. Mittlerweile hat das Gelsenkirchener Labor seine Belegschaft deshalb um etwa 50 Mitarbeiter aufgestockt. Rund 240 Beschäftigte arbeiteten im vergangenem Jahr an diesem Eurofins-Standort, jetzt sind es 290.

Im Labor wird die RNA des Corona-Virus extrahiert

Zu Beginn des Testprozesses wird Ordnung geschaffen. Mit ruhiger Hand scannt eine Labormitarbeiterin einen Barcode nach dem anderen. Hinter jedem Code verbirgt sich ein Mensch, der auf das Ergebnis seines PCR-Tests wartet. Die Proben haben eine feste Anordnung, in der sie bis zum Ende der Testung bleiben müssen, sodass eine Zuordnung zu jedem Patienten ermöglicht wird.

Arbeitsalltag im Gelsenkirchener Corona-Testlabor: In den Reagenzgläsern befinden sich menschliche Zellen, die möglicherweise Corona-Viren enthalten. Ob das so ist oder nicht, wird beim PCR-Test ermittelt.
Arbeitsalltag im Gelsenkirchener Corona-Testlabor: In den Reagenzgläsern befinden sich menschliche Zellen, die möglicherweise Corona-Viren enthalten. Ob das so ist oder nicht, wird beim PCR-Test ermittelt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Weiter geht es zum nächsten Arbeitsplatz, wo eine Laborkraft die Abstrichtupfer mit routinierten Handgriffen in Mikroreagenzgefäße steckt, in denen sich bereits steriles Wasser befindet. In jedem Gefäß sind nun menschliche Zellen, in denen sich möglicherweise Corona-Viren befinden. Aus diesen Zellen lässt sich jetzt die RNA des Virus – Träger seiner Erbinformationen – extrahieren, sollte der Probengeber tatsächlich erkrankt sein. Um das Virus jedoch extrahieren zu können, müssen die Zellen zunächst zerstört werden, um die RNA freizusetzen. „Lyse“ nennt sich der entsprechende Vorgang.

PCR-Tests sind in der Lage, schon sehr kleine Virusmengen zu erkennen

Diesen Schritt übernimmt kein Mensch, sondern ein Laborautomat. Danach erfolgt der eigentliche PCR-Test mit einem weiteren Laborgerät, dem sogenannten „Thermocycler“. „Damit vermehren wir nun die Erbinformation des Virus, sofern diese in der Probe vorhanden ist“, erklärt Willmann und bringt gleich den passenden Vergleich: „Das ist, als ob man einen Kopierer anschmeißt und mit den Einzelbestandteilen des Originals eine exakte Kopie erstellt.“ Durch diese Vervielfältigung ist das Testverfahren in der Lage, schon geringe Virenmengen zu erkennen. Kleine Sonden mit sogenannten Fluoreszenzfarbstoffen erkennen anschließend die virale Erbinformation – und zeigen sie durch Leuchten an.

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Die Menge der vorhandenen Virus-RNA gibt der sogenannte Ct-Wert an. Er bezeichnet die Zahl der Zyklen, die es braucht, bevor eine Fluoreszenz messbar ist. Grundsätzlich gilt: Je höher der Ct-Wert, desto niedriger ist die Viruskonzentration in der untersuchten Probe. Ct-Werte über 32 weisen auf eine sehr niedrige Viruskonzentration in der Probe hin. „Ab einem Wert von 38 gehen wir davon aus, dass die Person nicht mit dem Corona-Virus infiziert ist“, sagt Willmann.

Britische Corona-Variante mit einem Anteil von bis zu 98 Prozent

Was der Ärztliche Leiter von Schnelltests hält

Die Zuverlässigkeit von Schnelltests sieht der Ärztliche Leiter des Eurofins-GeLaMed-Labors kritisch. „Die Tests erkennen nur 60 bis 70 Prozent der Corona-Infektionen“, sagt Prof. Matthias Willmann. „Vor allem in der Anfangsphase der Infektion sind sie sehr unischer.“

Ein fälschlicherweise negatives Ergebnis könne dann aber dazu führen, dass der Betroffene das Gefühl habe, er sei auf keinen Fall infiziert – und zum Beispiel die Abstandsregeln außer Acht lasse.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Labors bekommen deshalb statt Schnell- oder Selbsttests die Möglichkeit, wöchentlich einen PCR-Test durchführen zu lassen.

Bei rund zehn Prozent der eingeschickten Proben, schätzt Willmann, steht ein positives Ergebnis am Ende der Laboruntersuchung. Etwa die Hälfte dieser positiven Proben werden dann – je nach Wunsch des Auftraggebers – auf Mutationen getestet. „Um die Mutation zu bestimmen, wird im Grunde wieder der gleiche Test durchgeführt, wieder die Erbinformation vermehrt. Nur die Sonden sind andere und leuchten anders“, erklärt Willmann.

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Die Erfahrungen des Labors bestätigen, worauf das RKI schon länger hinweist: „Die britische Mutation hat die Ursprungsvariante völlig verdrängt“, sagt Willmann. In sogenannten Ganzgenomensequenzierungen, die die Bestimmung des gesamten Erbguts eines Organismus ermöglichen, habe die britische Variante zuletzt einen Anteil von bis zu 98 Prozent gehabt. Auch die südafrikanische, die brasilianische und sogar die indische Variante sind in Gelsenkirchen bereits nachgewiesen worden – allerdings nur in einer sehr geringen Zahl.