Oberhausen. Jeder positive PCR-Test wird im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen auf Corona-Mutationen untersucht. Wie wird dabei genau vorgegangen?
- Im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen werden alle positiven PCR-Tests auf die britische, südafrikanische und brasilianische Corona-Variante untersucht.
- Das Laborteam erklärt, wie eine PCR-Analyse genau abläuft, wie der CT-Wert berechnet wird und wie die Mutationen letztendlich gefunden werden.
- Der Laboralltag hat sich durch Corona massiv verändert, das Team hatte 2020 auch mit Engpässen zu kämpfen.
Gegenüber der Tür mit dem Warnschild für Biogefährdung hängt ein freundliches Zettelchen. „Kisten-Parkplatz“ steht hier in bunter Schrift, mit Sternchen verziert. Es passt gut zum aufgeweckten „molekularbiologischen Herz“ dieses Ortes: Dr. Christine Schönfeld, den Frohmut erkennbar hinter der Maske, das halbe Dutzend bunte Kugelschreiber in der Kitteltasche. „Es ist ein bisschen chaotisch hier“, entschuldigt sie sich.
Im Vorraum des molekularbiologischen Labors im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO) kommen in diesen Tagen schließlich auch mal 700 Corona-Abstriche pro Tag an. Und inzwischen muss nicht nur untersucht werden, ob ein PCR-Test positiv ist, sondern auch, ob eine Corona-Mutation vorliegt.
EKO analysiert Proben für acht Kliniken
Das EKO ist Dienstleister für acht Kliniken in der Region. Darunter sind vor allem die Häuser des Evangelischen Klinikums Niederrhein, zu dem auch das Johanniter Krankenhaus in Sterkrade gehört. Wie Schönfeld erläutert, wäscht hier eine Hand die andere: Während das Niederrhein-Labor für das EKO Spezialanalytik übernimmt, leistet man im EKO-Labor die molekularbiologische Analyse - sie ist jetzt in Corona-Zeiten natürlich besonders gefragt.
Hinter der Tür mit dem Warnschild, dort wo Hunderte Proben nach ihrer Ankunft in den Transportboxen landen, riecht es auch durch den Mund-Nasen-Schutz hindurch befremdlich – nach „irgendetwas zwischen warmen Urinproben und Mittagessen aus der Mikrowelle“, sagt Molekularbiologin Schönfeld im Halbscherz. Der Geruch kommt aus dem Raum mit dem gasdichten Druckbehälter, dem Autoklaven: In dem Gerät werden Nährmedien und Erreger abgetötet – das letzte Kapitel der Laboranalyse.
Von der „Werkbank“ zum „Mastermix“
Los geht es bei der Corona-Analyse nach Registrierung der Proben unter der „Werkbank“. Dort schlägt eine Labormitarbeiterin die Abstrich-Tupfer per Hand in Kochsalz aus. „Das müssen wir tun, damit wir eine Lösung bekommen, mit der wir überhaupt arbeiten können“, erläutert Dr. Britt Hornei, Chefärztin am Institut für Laboratoriumsmedizin und klinische Mikrobiologie sowie Leiterin der Krankenhaushygiene.
Gegenüber dem Werkbank-Zimmer befindet sich ein abgeriegelter Raum, in dem der sogenannte Mastermix hergestellt wird. Britt Hornei nennt ihn „das Allerheiligste des PCR-Tests“. Zur Durchführung einer solchen Polymerase-Kettenreaktion werden nicht nur die Polymerasen benötigt, also die Enzyme, die die Arbeit machen. Auch weitere Komponenten wie Primer oder Reaktionspuffer sind wichtig. „Im Mastermix ist außer der Probe alles für einen Test enthalten“, erklärt Hornei. „Allerdings ist dieser sehr anfällig für Kontaminationen, also Verunreinigungen“ – und erhält deswegen einen Raum alleine für sich.
Corona nachweisen: Wie der CT-Wert berechnet wird
Mit der Probe in der Kochsalzlösung geht es zum nächsten Schritt: Der Extraktion, also der Trennung der DNA und RNA von den Zellen, damit diese anschließend sauber vermehrt werden können. „Der Rachenabstrich enthält lauter Zellen. Die müssen aufgeschlüsselt werden, der Zellschrott soll möglichst verschwinden“, sagt Christine Schönfeld. Die Extraktion findet in einem unscheinbaren Gerät statt, in dem der Schrott mittels magnetischer Kügelchen „gewaschen“ wird.
Wenn der Mastermix zur extrahierten Probe gegeben wurde. geht es zu „Tom und Jerry“ – so hat das Laborteam die Geräte (Cycler) getauft, in denen die Polymerase-Kettenreaktion letztendlich durchgeführt wird. Vereinfacht geschrieben, wird hier die DNA mittels Erhitzung und Abkühlung vermehrt und die Zyklen der Vermehrung mit dem sogenannten CT-Wert gezählt, bis man die gesuchten Genabschnitte des Coronavirus nachweisen kann.
Je mehr Zyklen benötigt werden, umso niedriger ist die Virusmenge in der Ausgangsprobe. Eine geringe Virusmenge, also ein hoher CT-Wert, spricht dagegen dafür, dass jemand das Virus oder Reste davon zwar noch in sich trägt – aber nicht mehr ansteckend ist.
Zeitaufwand für einen Test
Von der Ankunft einer Probe bis zum PCR-Testergebnis dauert es nach Angaben des EKO-Laborteams im optimalen Verlauf etwa drei Stunden. Aufgrund der Menge an Abstrichen – und der Tatsache, dass das Labor neben den PCR-Tests auch noch zahlreiche andere mikrobiologische Analysen durchführt – könne es aber auch einen ganzen Tag kosten.
Für akute Fälle wie Notfallpatienten hat das Laborteam die Möglichkeit, auf Geräte zurückzugreifen, in denen der gesamte Laborprozess automatisch abläuft. Hier dauert eine Analyse nur zwei Stunden. Allerdings hat das Gerät nur Platz für zwölf Proben.
Am EKO hat man rückwirkend alle Proben von Ende Januar 2021 auf die Mutationen getestet. Bis zum 3. März wurden fast 30 Mutationen festgestellt, darunter die britische, südafrikanische und brasilianische Variante.
Um nun herauszubekommen, ob es sich um eine mutierte Variante des Coronavirus handelt, werden andere Teile des RNA-Strangs vermehrt. Nämlich Teile, an denen die Mutationen üblicherweise auftreten. „Man kann den PCR-Test so optimieren, dass die Empfindlichkeit im Vordergrund steht oder dass schon eine geringe Veränderung in der Sequenz gefunden wird“, erläutert Britt Hornei. Dafür wird aber eine hohe Virusmenge benötigt.
Weil es sich bei den Mutationen um Punktmutationen handelt, sind sie nur an bestimmten, sehr kleinen Stellen gegenüber dem „Wildtyp“ des Coronavirus verändert. Bei allen drei in Deutschland bekannten Varianten ist eine Veränderung im sogenannten Spike-Protein zu erkennen. Die südafrikanische und brasilianische Variante hat dort aber zusätzlich eine Veränderung, die möglicherweise die Bindung der Antikörper beeinflusst, wie Chefärztin Hornei erklärt.
EKO-Labor war Ostern 2020 in einer Ausnahmesituation
Inzwischen wird hier im Labor jedes Testergebnis mit einem CT-Wert unter 33 nochmals auf die Mutationen untersucht. „Mit jedem positiven Befund multipliziert sich also unser Aufwand“, sagt Christine Schönfeld. Das 18-köpfige-Laborteam legt samstags und sonntags nun auch Sonderschichten ein. Schönfeld will trotzdem nicht über die Lage klagen: „Ich könnte zwar sicher darauf verzichten, falls uns irgendwann auch noch die kalifornische Variante erreicht.“ Aber so belastend wie zu Ostern 2020 werde es wohl nicht mehr.
Die Bevölkerung beschwerte sich damals vor allem über den Mangel an Masken. An den Corona-Fronten wie hier im Labor, fehlte aber noch viel mehr Material – zum Beispiel RNA-Extraktions-Kits, ohne die „Tom“ und „Jerry“ nicht arbeiten konnten. Heute stapeln sie sich im Labor fast bis unter die Decke, vor einem Jahr aber war nichts mehr da. „Wir haben keine Lieferung mehr bekommen, da hat man wirklich verstanden: Wir sind mitten in einer Pandemie.“
Schönfeld und die Mitarbeiter haben zu dieser Zeit viel experimentiert, ständig neue Kits erprobet und sogar per Hand die RNA aufgetrennt. „Man geht in solchen Situationen zurück zu den Wurzeln“, sagt sie. Die liebevoll nach den Comicfiguren benannten Cycler stehen übrigens im einstigen Aufenthaltsraum der Beschäftigten. Der ist Corona zum Opfer gefallen.
Ein kleiner Trost für Chaos und Überstunden der Fachleute: Dass durch die Pandemie viele Menschen zu kleinen Hobby-Naturwissenschaftlern geworden sind. „Ich finde es großartig, dass jetzt sogar Eltern vor der Kita über den CT-Wert sprechen“, sagt Schönfeld. „Da geht mir das Herz auf!“