Der Gelsenkirchener Steinmetz Martin Künne verleiht seinen Arbeiten Ausdruck und Individualität. So stemmt er sich auch gegen das Vergessen.

Der Mann macht es sich nicht leicht. Schon die kleineren Werke haben geschätzt 120 oder 250 Kilo. Das soll dann aber auch für ein Stückchen Ewigkeit Bestand haben. Martin Künne ist Steinmetz, „mit Hang zum Bildhauer“, schickt er gleich hinterher. Einfach macht er es sich auch nicht, „Steine von der Stange“ sind nicht sein Ding. Fünf Ornamente auf drei verschiedenen Steinen sind in der Werkstatt an der Bismarckstraße für das „Wattenscheider Grab“ in Zusammenarbeit mit dem dortigen Friedhofsleiter entstanden. Die ewige Ruhe gibt’s nun auch unter dem Förderturm oder unter Schlägel & Eisen.

Martin Künne ist Steinmetz, „mit Hang zum Bildhauer. Steine von der Stange“ sind nicht sein Ding.
Martin Künne ist Steinmetz, „mit Hang zum Bildhauer. Steine von der Stange“ sind nicht sein Ding. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Nachhaltigkeit mit Produkten aus der Nähe war dabei eine Zielsetzung. Die Wahl fiel auf Eifelsandstein, Grauwacke aus dem Bergischen Land und Anröchter Dolomit aus Südwestfalen. Außer mit den beiden Revier-Ornamenten versieht Künne die Stelen nach Wahl auch mit einem Kreuz, einem Segelboot oder einer Rose.

Sogar ein Leuchtturm für das Grab entstand in Gelsenkirchen

Die Menschen kommen meist in bedrückender Not zu ihm, ein Trauerfall verlangt viele Entscheidungen. Künne erinnert sich an die Witwe, die fast verzweifelte, als es um den Stein für die Grabgestaltung ging. Bis er mit einem Leuchtturm die Lösung vorschlug, nicht schrill und wuchtig, sondern in Erinnerung an einen vertrauten Menschen, der wie ein Leuchtturm Orientierung gegeben hatte. „Sie war einfach selig“, meint er lächelnd.

Jung und ambitioniert, voller Ideen startete Martin Künne bei der Übernahme des Betriebs vom Vater 1999. Seit 1986 ist er in dem Beruf, und der Arbeitstag des heute 56-Jährigen mit Lärm und Staub hat eigentlich immer zwölf Stunden. Der Teil am Schreibtisch frisst viel davon, so dass der Steinmetz manchmal einfach aus dem Broterwerb mit seiner Routine ausbrechen muss und der Künstler sich dann Raum verschafft.

Entwicklung hin zum Namenlosen und Pflegefreien

Dabei hat es anfangs mit Unikaten gut ausgesehen, wenn auch meistens außerhalb der Stadt. Der Aspekt, der bei der Grabgestaltung inzwischen immer häufiger im Vordergrund steht, „kostendeckelnd und pflegefrei“, der macht ihn unzufrieden. „Es fehlt die Nähe zu den Menschen“, fehlt, sich zu kümmern. So ein namenloses Verschwinden passt nicht in seine Weltsicht.

Die Revier-Symbole

Schlägel und Eisen, das international gebräuchliche Symbol für den Bergbau, waren die wichtigsten Werkzeuge („Gezähe“) seit Beginn. Der Schlaghammer ist ein Fäustel mit viereckigen Schlagflächen, auch „Schlegel“ geschrieben.

In das Bergeisen in Keil- oder Meißelform war der Stiel nur locker gesteckt. Denn ohne Stiel ließ sich tiefer in eine Kluft eindringen und konnte auch ein neues Eisen schneller aufgesteckt werden, wenn es stumpf wurde. Schlägel & Eisen fanden ihre Verbreitung auch schlicht als Symbol für Werktage, etwa auf Fahrplänen. Der Förderturm ist technisch ein Fördergerüst aus Stahlstreben über dem Schacht der Bergbauanlage.

„Was Vernünftiges“, fasst er mit Blick auf die Steine zusammen, „deutsches Material, das ist schon automatisch etwas kostspieliger. Aber dann man sich einfach auch mal mehr bemühen.“ Das ist dann weg von dem üblichen Hellgrauen oder Weißen, „bietet mehr Wahlmöglichkeiten, macht auch mir wieder Spaß.“

Gern mit der „gebrochenen Kante“

Das schwere, harte, erst einmal unzugängliche Material Stein vergleicht er ungewöhnlich, und Künnes Augen blitzen ein bisschen. Den Anröchter Dolomit für das „Wattenscheider Grab“ etwa als „Bildhauerstein, wie gepresster Puderzucker“. Marmor, „der ist für nix zu gebrauchen außer für drinnen“, Basalt dagegen, „ja, die Blöcke in der gewachsenen Form, das ist das Material“, gibt er einen kleinen Exkurs.

Schwere Arbeit: Martin Künne in seiner Werkstatt.
Schwere Arbeit: Martin Künne in seiner Werkstatt. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Er liebt es nicht zu akkurat, vielleicht etwas lässig anzufassen statt scharfkantig, die „gebrochene Kante“ ist seine Schönschrift. „Da fängt mein Herz an, mitzuarbeiten, das tut gut. Und da sieht man, dass das meins ist.“ Dann springt das Ergebnis harmonisch zurück, dann passieren die besten Sachen, ist alles stimmig.“ Bei dem Granit gleich am Eingang lässt er deshalb auch offen, ob da ein Förderturm Vorbild war oder ein japanischer Schrein. Tatsächlich sind es (auch) seine Initialen, M und K.

Neues in der Kombination von Werkzeug und Werkstoff

Für den Arbeitsalltag hat er den Grundsatz „Es gibt bestimmte Regeln, bestimmte Werkzeuge, und dann arbeite ich danach.“ Aber auch, dass Maschinen für den Kenner Spuren hinterlassen, und der Künstler, der abseits vom Alltag auch schon einmal einen Monat an einem Torso schafft, Neues in der Kombination von Werkzeug und Werkstoff freilegt: „Ich will das beim Arbeiten sehen“.