Gelsenkirchen. Spannende Hommage ans Revier: Der Gelsenkirchener Literat, Musiker, Fotograf Karl-Heinz Gajewsky widmet sich dem Werk von Hans Dieter Baroth.

In seiner Kindheit hörte er sie immer wieder, die Geschichten über den im Bergwerk verschütteten Urgroßvater, den aus der Kriegsgefangenschaft versehrt heimgekehrten Vater, den strengen „Komisskopp-Onkel“. Der Gelsenkirchener Literaturvermittler Karl-Heinz Gajewsky (68) beschloss: „Diese Erinnerungen musst Du irgendwann mal aufschreiben für deine drei Enkelkinder.“ Doch dann stieß er auf die Bücher von Hans Dieter Baroth und staunte: „Der hatte genau meine Familiengeschichte schon längst erzählt.“

Neues Lesebuch aus Gelsenkirchen erinnert an einen Kohlenpott-Chronisten

Weil sie damals so typisch war für das Leben im Ruhrgebiet. Also schrieb Gajewksy nicht selbst, sondern brachte in diesen Tagen ein Lesebuch mit Texten des gebürtigen Oer-Erkenschwicker Arbeiterdichters Hans Dieter Baroth (1937-2008) auf den Markt. Es ist der fünfte Band des fleißigen Chronisten der Arbeiterliteratur, herausgegeben von Walter Gödden in der Reihe „Nylands Kleine Westfälische Bibliothek“.

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Das Buch enthält kurze Erzählungen aus unterschiedlichen Baroth-Veröffentlichungen, die Gajewsky stimmig zusammengestellt hat. Es sind Texte aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, als die Blagen Brause und Klümpkes an der Seltersbude kauften, als der Vater hart unter Tage schuftete und früh verstarb, als zu Weihnachten Karnickelbraten auf den Tisch kam und sich das Leben der Kinder vor allem auf der Straße abspielte. Vertreten sind auch spätere Baroth-Texte zu gesellschaftlich, sportlich und politisch relevanten Themen, immer aus der Sicht der sogenannten kleinen Leute.

Der „Streuselkuchen in Ickern“ von Baroth geriet 1980 zu einem Bestseller

So gibt das kurzweilige Lesebuch einen eindringlichen Einblick in das erzählerische Schaffen eines nüchternen Chronisten des Kohlenpotts, dessen Liebe auch als späterer Wahlberliner stets dem Revier galt. Gajewsky, der den Autor 2007 kennen und schätzen gelernt und sein Lesebuch chronologisch am Leben Baroths aufgebaut hat, weiß: „Dieser Autor war eine echte Ruhrgebietspflanze.“

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Seinen ersten Roman veröffentlichte Hans Dieter Baroth, selbst Bergmann, später Journalist und Romancier, im Jahre 1978 unter dem Titel „Aber es waren schöne Zeiten“, später folgte der Bestseller „Streuselkuchen in Ickern“ (1980). Buchhändlerin Sabine Piechaczek erinnert sich gerne an ihre Lehrzeit, als Baroth-Bücher viel gelesene waren. Sie freut sich, dass nun erneut auf diese Werke aufmerksam gemacht wird. Karl-Heinz Gajewsky schreibt im Nachwort zu seinem Lesebuch über die Begegnung mit Baroth-Texten: „Plötzlich sind sie wieder da, die fünfziger, sechziger und siebziger Jahre. Ich sehe mich in kurzen Hosen, schmecke das Graubrot mit den immer gleichen Aufstrichen, drücke die Schulbank und bin hoffnungslos in ein Nachbarmädchen verliebt.“

Und im Gespräch sagt Gajewsky: „Für mich sind Baroths Bücher schön, weil sie wahrhaftig sind.“ Autor Baroth starb 2008 an einer Krebserkrankung.

Das Lesebuch „Hans Dieter Baroth“ gibt es im Buchhandel. Es kostet 8,50 Euro.