Gelsenkirchen. Das Amtsgericht und die Sotha Gelsenkirchen wechseln den Besitzer. Was das für die Expansionspläne der Evangelischen Kliniken bedeutet.
Die Zeichen standen voll auf Expansion. Auf dem Gelände der Evangelischen Kliniken (EvK) Gelsenkirchen sollte Großes entstehen, ein modernes Zentrum für Genesung. Bis dato ist allerdings nichts zu sehen von den fünf- bis zehn Stockwerke hoch aufragenden neuen Gebäudekomplexen an der Munckelstraße, für die das alte Amtsgericht und die Sozialtherapeutische Anstalt für Straftäter (Sotha) weichen sollten. Ist der Traum geplatzt? Nein, es kommt langsam Bewegung in die Sache, aber es gibt auch noch Hindernisse.
Diakoniewerk hat altes Gelsenkirchener Gericht und jetzt auch die Sotha gekauft
Das „alte Amtsgericht und die Sotha sind vom Diakoniewerk Gelsenkirchen und Wattenscheid gekauft worden“, zuletzt die Strafanstalt. Das bestätigen jetzt auf Anfrage sowohl EvK-Geschäftsführer Olaf Walter als auch Andrea Rehder, Sprecherin des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB). Dem BLB gehörten diese Immobilien nebst den Grundstücken. Die ehemalige Sotha Gelsenkirchen wird voraussichtlich im Januar 2021 endgültig in den Besitz des neuen Eigentümers übergehen.
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Endgültig, weil Sotha-Leiter Alwin Molitor und 58 Strafgefangene (Gesamtkapazität: 78) Anfang September zwar in einen 76 Millionen Euro teuren, hochmodernen Neubau an der JVA Bochum direkt gegenüber vom Stadion des VfL Bochum wechselten, aber hier in Gelsenkirchen noch längst nicht alle Arbeiten erledigt sind. „Wir müssen das alte Gebäude noch leerziehen“, erzählt Molitor, seit 45 Jahren in Gelsenkirchen zu Hause. Die alten Möbel müssen noch raus, sie werden weitergenutzt oder auch zum Verkauf ausgeschrieben, „dazu muss noch die komplette Sicherheitstechnik ausgebaut werden – unzählige Türen und Schlösser“. Erst danach kann das Gebäude an den neuen Eigentümer, die Diakonie GE/WAT übergeben werden. Als Erinnerung hat sich Molitor eine alte Haftraumtür, ein Schild und auch Fotos mit in die neue Sotha nach Bochum genommen – Deko für Anstaltswände.
Sicherheitstechnik in der Gelsenkirchener Strafanstalt muss noch ausgebaut werden
Ursprünglich sollte der Umzug von Gelsenkirchen nach Bochum bereits Ende 2016 vonstattengehen, gescheitert ist es an vielen kleineren und größeren Dingen. Beispielsweise fehlten kurz vor Fertigstellung noch „die Starkstromanschlüsse für unsere Werkstätten“, sagt Molitor. Immerhin ein Posten von 200.000 Euro. In Bochum werden unter anderem Möbel hergestellt. Dazu kamen weitere Probleme, die den Neubau hinauszögerten – Denkmalschutzbedenken und auch eine Vergabebeschwerde.
Zurück zur Munckelstraße und zum EvK: Hier sollte den ursprünglichen Plänen nach für das „Diakonische Zentrum für Genesung Gelsenkirchen“ einiges erheblich umgekrempelt werden. Die Eckdaten: Klinikbetrieb und niedergelassene Ärzte sollten mit Pflegediensten unter ein Dach. An der Overwegstraße sollte dafür eine fünfgeschossige neue Blockrandbebauung entstehen, ein bis zu zehnstöckiger Komplex schließt sich an das bisherige Klinikhochhaus an und wird quer zur Munckelstraße gebaut. Anstelle der Sotha soll ein eher grüner Innenbereich mit locker strukturierter Bebauung entstehen.
Ambitionierte Baupläne stoßen auf Kritik, Anpassungen sind in Arbeit
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Ambitionierte Pläne, die aber auf Widerstand gestoßen sind und die einer Anpassung bedürfen. „Wir überarbeiten gerade die Planungen, die unter meinem Vorgänger begonnen haben“, bestätigt EvK-Geschäftsführer Olaf Walter mit Blick auf das, was Karl Bosold auf den Weg gebracht hat. Zum zeitlichen Rahmen des Projekts, etwa zum Baubeginn, wurden seitens der EvK keine Angaben gemacht.
Problematisch gestaltet sich beispielsweise die geplante Anbindung des Klinikgeländes an die stark befahrene Overwegstraße – hier sind täglich rund 30.000 Fahrzeuge unterwegs. Bei der Präsentation des Neubaukonzeptes im November 2015 äußerten SPD, CDU und Bündnisgrüne schon im Ausschuss für Stadtentwicklung und Planung erhebliche Bedenken. Sie befürchteten Verkehrsprobleme durch Parkplatz suchende Autofahrer.
Auch die angedachte Umgestaltung der Munckelstraße war nicht dazu geeignet, Begeisterungsstürme auszulösen. Denn die sollte durch den neuen Krankenhauskomplex nicht nur zweigeteilt und mit Wendekreisen versehen werden, sondern die Anwohnerstraße müsste auch noch mehr Verkehr aufnehmen, wie Experten damals errechnet hatten. Nämlich mit über 3000 Autos täglich rund 1000 Fahrzeuge mehr.
Die Overwegstraße war für die Krankenhauszufahrt und die Einfahrt in die geplante Tiefgarage vorgesehen, gesteuert über eine neue Ampelanlage. Parkhaus und Mitarbeiterverkehr sollte über die „Rückseite“ abgewickelt werden. All das ist nun auf den Prüfstand gestellt worden, die neuen Pläne will EvK-Geschäftsführer Olaf Walter demnächst vorstellen.
Krankenhauslandschaft steht vor einem Umbau, Einfluss auf die Pläne der EvK
Berücksichtigt werden muss bei der geplanten Expansion, dass die Krankenhauslandschaft in Deutschland umgebaut werden, eine Art Flurbereinigung stattfinden soll. Das ist durch die anhaltende Corona-Pandemie in den Hintergrund getreten. Ausgelöst hat die Debatte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, wonach die Zahl der Kliniken von aktuell rund 1400 auf weniger als 600 zu verringern ist. Auf diese Weise, so die Argumentation, könnten die verbleibenden Krankenhäuser großzügiger mit Personal und Technik ausgestattet und so die Patienten besser versorgt werden.
Aufgeschoben heißt aber nicht aufgehoben. Deshalb muss die Expansion der Evangelischen Kliniken wohlüberlegt und zukunftssicher sein. Ansonsten wird der Bauplatz ein Millionengrab.
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