Gelsenkirchen. Dicke Überraschung im Rat: Eigentlich sind alle Parteien für den Livestream von Ratssitzungen. Die geheime Abstimmung bringt aber keine Mehrheit.
Gestolpert auf der Zielgeraden: Livestream-Übertragungen von Ratssitzungen wird es weiterhin nicht geben. In geheimer Abstimmung verweigerten sich die Stadtverordneten Donnerstag mit 26 zu 22 Stimmen dem Rats-TV. Die erste Reaktion: Ungläubiges Staunen. Die zweite: Häme und wütende Kritik. Von einem „Fake-Antrag“, einem „abgekarteten Spiel der Groko“ sprach Peter Tertocha (Grüne) und unkte, dass man in seiner Fraktion schon tags zuvor über solch ein Ergebnis spekuliert habe.
Gelsenkirchener GroKo hat den Fraktionszwang aufgehoben
Völlig baff zeigten sich junge SPD-Stadtverordnete wie Taner Ünalgan und Lukas Günther, beide immerhin Mitglieder des Fraktionsvorstands. „Ich kann mir nicht erklären, was da passiert ist“, stellte Günther sichtlich angefressen fest. Der Fraktionszwang war aufgehoben, die Abstimmung freigegeben, auch weil vorab klar war, dass längst nicht alle in den Reihen von SPD und CDU hinter dem Projekt stehen und sich schwer tun, sich bei der Ratsarbeit filmen zu lassen. Dennoch hatte die GroKo zusammen mit FDP und Tierschutz hier! einen gemeinsamen Antrag auf die Beine gestellt, nachdem Grüne und die Partei einen eigenen Entwurf vorgelegt hatten und sich nach sechs Jahren Anlaufzeit endlich am Ziel wähnten.
Das Ergebnis macht die Oberbürgermeisterin kurz sprachlos
Formell ging es Donnerstag zunächst darum, generell über die Live-Übertragung abzustimmen. Danach, so Oberbürgermeisterin Karin Welge, wolle man sich in einer Sitzungspause zwischen den Parteien auf einen möglichst breit getragenen gemeinsamen Antrag verständigen. Allein bei der (von Grünen und Partei verbindlich) geforderten Gebärdendolmetschung und der Nutzung der Aufzeichnungen gab es noch Dissens. Dazu kam es nicht mehr. Stattdessen: Totalschaden. Die OB registrierte das Ergebnis wie vom Donner gerührt.
26 Tagesordnungspunkte allein in öffentlicher Sitzung
Ein ordentliches Paket hatte der Rat der Stadt Donnerstag zu bearbeiten: 26 Tagesordnungspunkte allein in öffentlicher Sitzung, davon einige mit bis zu 18 Unterpunkten standen Corona-konform in kleinerer Besetzung zur Beratung im Sportzentrum Schürenkamp an. Darunter wegweisende für die fernere Zukunft (Wettbewerb für die internationale Gartenausstellung IGA 2027. Regionaler Flächennutzungsplan, Bäderkonzept), naheliegende zu Pandemiemaßnahmen (Gebührenbefreiung für Händler und Gastronomen) und auch etliche Personalien. Die wichtigste: Gelsenkirchen hat wieder einen Kämmerer.
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Mit der Wahl von Karin Welge war die Stelle seit dem 31. Oktober 2020 vakant. Es gingen sechs Bewerbungen ein, fünf wurden zurückgezogen. Wer Welge nachfolgen sollte, ist seit Wochen bekannt: Luidger Wolterhoff, seit 2016 Stadtrat für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, wurde zum Kämmerer gewählt. Glückwünsche, Blumen und Geschenke gab es für den 59-Jährigen, der die „Wahl gerne“ annahm. Für die personelle Nachfolge des Beigeordneten stellte der Rat zudem gleich die Weichen.
Gedenkfeier für die Gelsenkirchener Corona-Opfer geplant
Und auch darauf einigte sich eine breite Rats-Mehrheit rund ein Jahr, nachdem es das erste Corona-Todesopfer in Gelsenkirchen zu beklagen gab. 331 Gelsenkirchener sind seither mit oder an Corona gestorben. Es soll zeitnah eine Gedenkfeier für die Opfer geben. „Wir wollen den Grundstein legen, gemeinsam innezuhalten und gemeinsam zu trauern und ein Signal des Zusammenhalts geben“, formulierte der CDU-Stadtverordnete Sascha Kurth das Ziel des breit getragenen Antrags. Allein die Linke kritisierte den Vorstoß als bloße „Symbolpolitik“, die AfD wertete ihn als reinen „Schnellschuss“.
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