Gelsenkirchen-Hassel. Mieter in Gelsenkirchen-Hassel haben sich zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen. Doch die steht vor dem Aus – es geht auch ums Geld.

Die Idee war sicher eine gute. Hasseler Mieter, die in einem der vielen Zechenhäuser im Stadtteil leben, schließen sich zu einer Genossenschaft zusammen, kaufen ihre Häuser und leben darin, ohne Sorge haben zu müssen, von einer Wohnungsbaugesellschaft auf die Straße gesetzt zu werden. Jetzt sieht es allerdings ganz so aus, als würde die an sich gute Idee an ihrer Realisierung scheitern.

Denn auch fast 15 Jahre nach dem Start von „Wohnen in Hassel“ (Untertitel: Genossenschaft in Gründung) konnte kein einziges Haus gekauft werden. Von den anfangs etwa 300 Mitgliedern sind nur noch etwa 100 übrig geblieben. Das Büro der Genossenschaft am Krummer Weg in Hassel gibt es nicht mehr, der letzte Eintrag auf der Website von „Wohnen in Hassel“ stammt von 2017. „Eigentlich müssen wir uns mal zusammensetzen und beraten, wie es weitergehen soll“, sagt Genossenschaftsvertreter Jürgen Fretwurst, und er klingt etwas resigniert.

Gelsenkirchener warten auf die Rückzahlung ihrer Einlage

Das ist in Zeiten von Corona schwierig – allerdings beklagen einige Mitglieder der Genossenschaft die mangelnde beziehungsweise nicht vorhandene Informationspolitik. Schwierigkeiten gibt es offenbart auch, wenn Mitglieder die Genossenschaft verlassen wollen. In mindestens zwei Fällen warten die ausgetretenen Mitglieder noch auf die Rückzahlung ihrer Einlage in Höhe von 1000 Euro.

Einer davon ist Otto Annuss. 2007 war er Mitglied der Genossenschaft geworden, hatte seine 1000 Euro Einlage bezahlt. Annuss wohnte an der Körnerstraße – bis Ende März 2019. „Jemand hatte das Haus gekauft, in dem ich wohnte, und mir dann wegen Eigenbedarf gekündigt.“ Der Hasseler bezog eine neue Wohnung am Eppmannsweg, aber der Grund, warum er seinerzeit in die Genossenschaft eingetreten war, war entfallen. „Also habe ich kurz nach dem Wohnungswechsel schriftlich meinen Austritt erklärt“, berichtet Annuss.

Beim Versuch der Kontaktaufnahme meldet sich nur der Anrufbeantworter

Nach Ablauf der Frist von einem Jahr hatte Otto Annuss eigentlich erwartet, seine Einlage zurückzubekommen. Geschehen ist das bislang nicht. Mittlerweile hat Annuss zwei Briefe per Einschreiben an die Genossenschaft geschickt, beide blieben unbeantwortet. „Ich warte noch bis Ende März, dann leite ich rechtliche Schritte ein“, sagt Annuss und fügt hinzu: „Ich bin sehr enttäuscht von dem Verein.“

Ähnliches berichtet ein weiteres Genossenschaftsmitglied, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Auch in diesem Fall sei fristgerecht gekündigt worden, auch hier sei die Einlage von 1000 Euro nicht zurückgezahlt worden. Beim Versuch, Kontakt mit Vertretern der Genossenschaft aufzunehmen, habe sich nur der Anrufbeantworter gemeldet.

Letzter Kontakt zur Wohnungsgesellschaft vor einem Jahr

Das Büro, das die Genossenschaft in der Straße Krummer Weg unterhalten hatte, gibt es inzwischen nicht mehr, das bestätigt auch Jürgen Fretwurst. Das Büro befand sich in dem Haus, in dem auch Initiatorin und Vorstandsmitglied Susanne Boymanns bis vor kurzem noch wohnte. „Frau Boymanns ist dort ausgezogen“, berichtet Jürgen Fretwurst, daher musste auch das Büro aufgegeben werden. Das könne auch der Grund dafür sein, dass die Bearbeitung von Vorgängen wie der Kündigung der Mitgliedschaft ins Stocken geraten seien. „Den Ärger kann ich nachvollziehen“, sagt Fretwurst. Die Einlage der Genossenschaftsmitglieder liege aber nach wie vor auf der Bank.

Auch beim Kauf der Häuser sei man nicht weitergekommen, so der Vorstandsvertreter. Die meisten der Häuser gehören der Wohnungsgesellschaft Rhein-Ruhr-Invest. Hieß es 2017 noch in einem WAZ-Bericht, dass eine Einigung mit der Gesellschaft kurz bevorstünde, so ist man davon heute weit entfernt. „Den letzten Kontakt zur Rhein-Ruhr-Invest gab es vor einem Jahr“, so Fretwurst. „Wenn die nicht auf unsere Anfragen reagiert, sind uns die Hände gebunden.“

Auch eine Förderung durch das Land NRW, ohne die eine Finanzierung des Häuserkaufs nicht zustande käme, ist nicht in Sicht, bestätigt Jürgen Fretwurst. Immobilienexperten hatten schon seit langem zu bedenken gegeben, dass eine Einlage von 1000 Euro pro Mitglied nicht ausreichen würde, um den Kauf zu stemmen.