Gelsenkirchen. Eltern und Schüler laufen Sturm: Bescheinigungen sind nicht zugestellt. Briefdienstleister Postcon und Stadt Gelsenkirchen weisen Schuld von sich.

Neues Spiel, neues Glück: Für viele Schüler ist das erste Schulhalbjahr längst abgehakt seit der Zeugnisausgabe Ende Januar. Für zahlreiche Kinder und Jugendliche allerdings noch nicht – weil sie nach wie vor auf ihre Bescheinigungen warten. Denn der von der Stadt beauftragte Briefdienstleister Postcon hat die Post offenbar (noch) nicht oder mit deutlicher Verspätung zugestellt. Und die betroffenen Schulen können sich vor Anfragen teils wütender Eltern kaum retten.

„Massive Beschwerden“ verzeichnet etwa Andreas Lisson, Leiter der Gesamtschule Erle, zwei Wochen nachdem die Kopien für mehr als 1000 Schüler auf die Reise geschickt worden waren. „175 Schreiben sind nicht angekommen, das sind 17,5 Prozent“, teilte er auf Anfrage der Redaktion verärgert mit. Die Briefe seien ganz bewusst „vor dem 1. Februar“ versandt worden um sicherzugehen, dass sie beim Zeugnis-Besprechungstag am 10. Februar auch vorliegen. „Dass aber auch das nicht klappt, ist für die Außenwirkung einer Schule verheerend.“ Wie berichtet, verschickten viele Schulen im Corona-Lockdown die Zeugnisse per Post.

Lehrer der Gesamtschule Erle mussten Zeugnisse dann doch digital versenden

Besonders ärgerlich sei das Ganze, weil es für die Klassenlehrer und das Sekretariat sehr aufwendig gewesen sei, „blaue Briefe“, Prognosebögen sowie Förderempfehlungen rechtzeitig fertigzustellen und samt Zeugnis-Kopien zu verschicken. „Die Originale liegen zwar bei uns noch vor, um sie später persönlich auszugeben. Aber dann hätten wir uns den ganzen Aufwand auch sparen können.“

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Um Eltern und Schüler zu beraten, hätten die Klassenlehrer am Ende Screenshots der PDF-Dateien verschickt. Wer das Zeugnis etwa für Bewerbungen im Original benötigte, konnte es nach Vereinbarung abholen. „Aber genau das wollten wir ja eigentlich im Sinne des Infektionsschutzes vermeiden“, so Lisson.

Eltern schickten Gesamtschule Buer-Mitte Fotos von zerknüllten Kuverts und Zeugnissen

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Im Fall der Gesamtschule Buer-Mitte (GBM) sind es nach Angaben von Schulleiterin Ulrike Purz „an die 100“ Schreiben mit Zeugnis-Kopien, die nicht oder mit deutlicher Verspätung zugestellt worden seien. Auch sie erhielt zahlreiche Anrufe irritierter oder verärgerter Eltern, einige mailten gar Fotos von zerknüllten, verdreckten Kuverts mit ebenso ramponierten Bescheinigungen. Auch Lisson erhielt derartige „Beweis-Bilder“.

„Wir haben die Post zwischen dem 19. und 22. Januar abgeschickt und erst durch Rückmeldungen von Eltern erfahren, dass an die 100 von insgesamt 1500 nicht eingegangen sind“, berichtete Ulrike Purz. Auch an der GBM mussten die Klassenlehrer für den Besprechungstermin mit den Eltern improvisieren; sie gaben die Noten in den einzelnen Fächern mündlich durch. „Die Originale werden dann später ausgehändigt, wenn die Schüler wieder Präsenzunterricht haben, es sei denn, jemand braucht es für eine Bewerbung früher.“

Postcon weist Vorwurf nicht erfolgter Zustellung zurück

Die Stadt bestätigte entsprechende Beschwerden von „mehreren Schulen“. Der Großteil der Fälle entfalle auf die Gesamtschule Erle. Daneben „soll es nur vereinzelte Fälle gegeben haben. Das kommt immer mal vor. Manchmal gehen Postsendungen auch beim Kunden verloren“, so Stadtsprecher Martin Schulmann.

„Jede der gemeldeten Nichtzustellungen sei bei der Postcon NRW GmbH reklamiert und in Sortierzentrum und Zustelldepot recherchiert worden. Laut Briefdienstleister seien weder Sendungen falsch erfasst noch abgestellt worden oder im Depot verblieben“, so Schulmann über die Postcon-Stellungnahme. Es seien weder Rückstände noch Fehl-Erfassungen von Sendungen festgestellt worden.

Verschwinden von Sendungen sei „faktisch unmöglich“

Dies betonte auch ein Postcon-Sprecher: „Wir sind doch keine Lageristen. Was uns übergeben wird, stellen wir auch nachweislich zu.“ Er räumte ein, dass einige Zeugnisse „in Einzelfällen vielleicht verspätet“ eingegangen seien. Mittlerweile müssten aber alle vorliegen.

„Alle anderen Schreiben, die wir von der Stadt Gelsenkirchen bekommen, werden doch auch immer reibungslos ausgeliefert. Dass Sachen verschwinden, ist faktisch unmöglich. Was wir - etwa wegen Unleserlichkeit - nicht zustellen können, geht an die Stadt zurück.“

Ob der Fehler also möglicherweise bei der Stadt liegen könnte, dazu wollte sich der Postcon-Sprecher nicht äußern. Stadtsprecher Schulmann wies eine Verantwortung jedenfalls zurück: „Was wir von den Schulen bekommen haben, haben wir auch an Postcon weitergeleitet.“ Fakt ist jedenfalls, dass nach Informationen der Redaktion noch immer etliche Schüler auf ihre Zeugnis-Post warten.