Gelsenkirchen. Rund ein Viertel der Kinder geht aktuell in die Gelsenkirchener Kitas. Wie ein Tag im Pandemie-Betrieb aussieht - ein Besuch vor Ort in Horst.

Diese Pandemie zerrt an den Nerven. Es ist ein stetes Lernen, Organisieren, Überlegen, das dieses Leben in der Lage mit sich bringt. Besonders betroffen: Kinder, Eltern, Familien. Zwar können Kita-Eltern - anders als im Frühjahrs-Lockdown - die eingeschränkte Betreuung im Pandemie-Betrieb nutzen. Doch wie viele machen das überhaupt? Und wie ist die Lage nach Monaten in der Krise in den Gelsenkirchener Einrichtungen? Eine Momentaufnahme, ein Besuch vor Ort.

Betreuung im Pandemie-Betrieb: In den Kitas fehlt die Lebendigkeit

An der Heinrich-Brandhoff-Straße 4a in Horst ist es ruhig an diesem sonnigen Januar-Morgen. 25 Kinder sind heute in die städtische Tageseinrichtung für Kinder gekommen - an normalen Tagen sind es eigentlich bis zu 95. "Es ist eine besondere Situation, es fehlt die Lebendigkeit", sagt Kita-Leiterin Heike Kostarellis dann auch. Und meint nicht nur diesen einen Donnerstag.

Hier und da ist ein zartes Stimmchen zu hören, dort ein helles, glückliches Lachen. Aber so wie sonst? Nein, ganz und gar nicht. Der Kita-Flur ist leer, die Gummistiefel stehen unberührt an der Wand. Die Matschsachen hängen Seit an Seit an Bügeln, die Turnmatten gestapelt übereinander. War da was?

Kita-Leitung und Erzieher wollen Normalität für die Kinder schaffen

Aber ja doch: Denn Heike Kostarellis und ihr Team wollen an jedem einzelnen Corona-Kita-Tag - wie viele andere Teams und Kita-Leitungen auch - ihren Kindern ein Stück Normalität vor- und mit ihnen erleben. Oder, um es mit den Worten der Kita-Leiterin zu sagen: "Wir wollen eine Insel für die Kinder schaffen, in der möglichst viel Normalität herrscht."

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Denn Corona ist so allumfassend, dringt seit Monaten so tief in die Familien ein, lässt ja kaum Raum für Normalität. Dabei ist gerade die für die Kleinsten so wichtig. Neben einer gewissen Kontinuität, einer gewissen Verbindlichkeit. Und: Man müsse behutsam sein, auf die Belange, die Bedürfnisse und die Notwendigkeiten eingehen, das hat Heike Kostarellis gemeinsam mit ihrem Team in elf Monaten Pandemie gelernt.

Ein Drahtseilakt - für die Eltern und auch für alle Kita-Mitarbeiter

"Für die Eltern ist es ein echter Drahtseilakt", weiß Heike Kostarellis und meint damit vor allem das Meistern eines Alltags mit Corona. Doch  es sei auch ein Drahtseilakt für die 15 pädagogischen Fachkräfte, den Hausmeister und die Hauswirtschaftskraft der Einrichtung.

Dabei geht es nicht allein nur um die gesundheitlichen Risiken der Kita-Mitarbeiter. Einen nötigen Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Kind und Erzieher einhalten? Unmöglich! "Wenn man dem Kind etwas vorliest, dann sitzt es dabei natürlich auf dem Schoß", nennt die Kita-Leiterin ein Beispiel.

Betreuung für Schutzbedürftige: Das Kindeswohl geht immer vor

Und da wäre als ein weiteres Beispiel auch diese Sache mit der Maske: Für die Kleinsten ist das schwierig, sind sie doch in ihrer frühkindlichen Entwicklung immens auf die Mimik ihres Gegenüber angewiesen.

Dass gerade Kinder in der Pandemie auf der Strecke bleiben ist oft gesagt, geschrieben, erwähnt. Der Kita-Betrieb derzeit ist ein anderer als noch im Frühjahr 2020. Das Argument der Systemrelevanz ist nun nicht mehr nur allein Garant für die Betreuung. Da wäre der wichtigste Faktor: das Kindeswohl: "Das geht immer vor", sagt Fabian Köhler, Geschäftsführer der Evangelischen Kindergartengemeinschaft. Er appelliert, die Kinder in jedem Fall in die Kita zu schicken, wenn Probleme derart existieren.

Der aktuelle Bedarf bei den Trägern in Gelsenkirchen liegt bei rund einem Viertel

Eine Abfrage bei den größten Kindergarten-Trägern der Stadt zeichnet ein relativ einheitliches Bild zum aktuellen Bedarf. Die Quote bei der städtischen Kindertagespflege liegt bei 39 Prozent, bei den städtischen Kitas liegt sie bei 22 Prozent, wie GeKita-Betriebsleiterin Holle Weiß berichtet. Zum Vergleich: Insgesamt rund 6400 Gelsenkirchener Kinder werden sonst in den städtischen Kitas betreut.

Ähnliche Zahlen weisen auch der Kita Zweckverband des Bistums Essen für Gelsenkirchen und auch die Evangelische Kindergartengemeinschaft des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid aus.

In der Woche nach Weihnachten lag die Quote bei 19 Prozent

Im Kita Zweckverband lag die Quote am Dienstag, 19. Januar, beispielsweise bei 24 Prozent. "Dabei geht die Spanne sehr weit auseinander", berichtet Katharina Feldmann, Gebietsleiterin für Gelsenkirchen beim Kita Zweckverband. In einer Einrichtung seien 45 Kinder vor Ort in der Betreuung, in einer anderen wiederum nur ein Kind. Dennoch seien die Gesamtzahlen relativ konstant.

Diese Konstanz kann auch Claudia Fleiss, Fachberaterin bei der Evangelischen Kindergartengemeinschaft bestätigen. Derzeit steuern rund 25 Prozent der Kinder die zwölf Kindertagesstätten des evangelischen Kirchenkreises in Gelsenkirchen an. "In der Woche nach Weihnachten waren es etwa 19 Prozent", erläutert Claudia Fleiss zum Vergleich.

Man ist mehr zusammengewachsen - im Team und mit den Eltern

Zurück an der Heinrich-Brandhoff-Straße. Hat sich etwas geändert im Vergleich zum ersten Lockdown? Definitiv. Sie fühlen sich dort in Horst ein Stück weit besser vorbereitet, haben eine gute Grundlage geschaffen. Für das, was da noch kommt - und kommen könnte.

Und um noch mehr Positives hervorzuheben: "Dass wir noch näher zusammengewachsen sind - innerhalb des Teams und auch mit der Elternschaft", das sei ein Pluspunkt, den Heike Kostarellis unbedingt nennen möchte. Weil plötzlich mehr Nähe da und möglich war, "wir mehr über Gefühle gesprochen haben."

"Jede Krise ist eine Chance, sich zu optimieren"

Und auch: Dass viele Eltern ihr und ihrem Team gespiegelt hätten, dass sie in den vergangenen Monaten trotz all dem Stress und der Widrigkeiten als Familie noch mehr zusammengewachsen seien und sich anders wahrnehmen würden.

Es ist also bei Weitem nicht alles schlecht. "Jede Krise ist eine Chance, sich zu optimieren. Wir gehen gestärkt da raus", ist sich Heike Kostarellis sicher. "Es wird aber eine gewisse Vorsicht bleiben", davon ist sie überzeugt.

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