Gelsenkirchen. Trotz Corona und Pleiten 2020 ist die IG Metall optimistisch. Ralf Goller: Die meisten Signale aus Firmen liefern keinen Anlass zu großer Sorge.

Traditionsbetriebe wie Seppelfricke Armaturen, Küppersbusch Großküchentechnik und auch die Friedrich Geldbach GmbH haben sich 2020 vom Markt und aus Gelsenkirchen verabschiedet, Industriejobs gingen verloren.

"Die Signale aus Gelsenkirchener Betrieben sind nicht so schlecht"

Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschafter wehrten sich vergebich gegen die Firmenschließungen. Involviert war auch jeweils Ralf Goller. Seit Jahresbeginn ist der Gewerkschaftssekretär kommissarischer 1. Bevollmächtigter der IG Metall Gelsenkirchen. Trotz der Hiobsbotschaften der vergangenen Jahres und trotz andauernder Coronakrise ist er für 2021 einigermaßen optimistisch: "Die Signale aus den Betrieben sind nicht so schlecht, dass ich großen Anlass zur Sorge habe. Viele Firmen schauen durchaus positiv ins neue Jahr. Sie hoffen, dass die Impfungen wirken und der Lockdown absehbar endet." Mit einer schnellen Erholungen rechnen allerdings weder die Betriebe noch die IG Metall. Goller: "Den Stand vor Coroa erreichen wir frühestens 2022."

IG Metall Gelsenkirchen: Fokus liegt auf der Arbeitsplatzsicherung

Die Stahl- und Metallbranche steht vor Tarifverhandlungen. "Unser Fokus liegt auf der Arbeitsplatzsicherung", macht Goller für die IG Metall deutlich. Die IG Metall vor Ort betreut rund 60 Firmen, darunter etliche Handwerksbetriebe. "Richtig intensiv", schätzt Goller, sind es sicher nur 30 Unternehmen. Dazu zählt traditionell TKES, Thyssenkrupp Electrical Steel in Schalke, oder ZF in Schalke Nord. Dem Standort an der Freiligrathstraße 8 drohte 2018 das Aus, 350 von 500 Arbeitsplätzen waren bedroht. ZF mit Konzernsitz in Friedrichshafen wagte dann die Kehrtwende, will das Werk des Autozulieferers zum Technologiezentrum umbauen und zukunftsfähig aufstellen. Eigentlich sollte das Projekt 2021 abgeschlossen werden. Es wird wohl länger dauern. Doch der Gewerkschafter geht fest davon aus, dass der Konzern seine Planung realisiert.

Bleistahl hat Werk am ehemaligen Vaillant-Standort aufgebaut

Bei TKES ist - nach unruhigen Jahren am Standort - und trotz der andauernden Krise des Gesamtunternehmens "an der Berliner Brücke einigermaßen Ruhe eingekehrt". Der vereinbarte Zukunftstarifvertrag wird umgesetzt, verbunden mit dem sozialverträglichen Abbau von rund 60 Arbeitsplätzen. Goller geht allerdigs davon aus, dass das Werk dabei nicht "unter 650 Stellen fallen wird". Doch der Gewerkschafter warnt auch, sich zu sicher zu fühlen: "Wie schnell manche Dinge sich ändern, haben wir ja letztes Jahr erfahren müssen."

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Erfreut registriert die IG Metall die Entwicklung bei Bleistahl in Erle. Das mittelständische, in dritter Generation familiengeführte Unternehmen aus Wetter, hat 2017 die zehn Hektar große Produktionsstätte und weitere Immobilien von Vaillant gekauft. Der Automobilzulieferer, spezialisiert auf Ventilsitzringe und Ventilführungen für Verbrennungsmotoren, baut einen zweiten deutschen Standort und ein komplett neues Werk auf. Im Herbst 2018 lief der Probebetrieb auf einer Ofen- und Fertigungsstrecke an. Aus 25 Mitarbeitern wurden laut Goller nahezu 100.

87 Gelsenkirchener Betriebe haben für 5495 Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt

Rund drei Viertel der Metallbetriebe, schätzt Goller, haben in der Pandemiezeit Kurzarbeit angemeldet. Laut Agentur für Arbeit haben allein im Dezember branchenübergreifend weitere 87 Gelsenkirchener Betriebe für 5495 Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt. Mitte 2020 waren 827 lokale Betriebe mit 7057 Beschäftigten in Kurzarbeit. In der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie sank die Zahl der Beschäftigten in Gelsenkirchen zuletzt um 263 oder 5,3 Prozent.

IHK: Viele Unternehmen mit Liquiditätsengpässen

Die generelle Situation bewertet die IHK im Rückblick skeptisch. „Laut einer aktuellen Umfrage der IHK sind viele Unternehmen in Nord-Westfalen klar am Limit“, berichtet Sven Wolf, Teamleiter Gründung und Unternehmensförderung bei der IHK Nord Westfalen. Bei gut einem Viertel der befragten Betriebe sei das Eigenkapital in den vergangenen Monaten „gefährlich abgeschmolzen“, jedes achte Unternehmen räume Liquiditätsengpässe ein. Der aktuelle Lockdown dürfte die Situation in einigen Branchen nochmals verschlechtern. Mittlerweile seien über 28.000 Anrufe bei der im Frühjahr eingerichteten IHK-Finanzierungshotline eingegangen.

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