Gelsenkirchen. Im Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid finden zu den Feiertagen keine Gottesdienste statt. Das sagen drei Pfarrer dazu.

Viele Gemeindeglieder werden so etwas in ihrem Leben wahrscheinlich noch nie erlebt haben: ein Weihnachtsfest, einen Jahresabschluss ohne Gottesdienst, ohne Versammlung im Kreise Bekannter, ohne Feier in einer Kirche. Seit kurzem ist klar: Bis zum 10. Januar wird es keine Gottesdienste im Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid geben. Was sagen die Menschen vor Ort dazu? Wir haben drei Pfarrer gefragt.

Evangelische Gottesdienste in Gelsenkirchen: Die Absage schmerzt viele

„Man kann in diesen Zeiten nicht zu einer größeren Versammlung einladen“, sagt Stefan Iwanczik. Das sei nicht verantwortbar, betont der Pfarrer der Evangelischen Trinitatis Gemeinde Buer. Seit Bekanntwerden der Nachricht würden die Telefone der Gemeinde nicht mehr still stehen, so Iwanczik. Verständlich, die Menschen haben schließlich Redebedarf. „Es ist schon deprimierend, auch für uns Pfarrerinnen und Pfarrer“, meint Iwanczik.

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Und dennoch: Kein Grund, stillzustehen und nicht doch noch etwas Besonderes in dieser für viele so schwierigen Zeit zu schaffen. Die Verantwortlichen in der Trinitatis-Gemeinde wollen ihren Gemeindegliedern Gottes Wort auf anderem Weg ins Wohnzimmer bringen: mithilfe des Internets. An allen drei Gottesdienststätten wird gedreht, indirekt Hoffnung und Zuversicht gegeben – um später einen Online-Gottesdienst daraus entstehen zu lassen.

„Wir verzichten schweren Herzens auf die Gottesdienste“

„Es tut schon weh“, äußert sich Michael Schönberg deutlich zur aktuellen Situation. „Wir verzichten schweren Herzens auf die Gottesdienste“, fügt der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Gelsenkirchen-Heßler hinzu. Dabei geht es längst nicht nur um das Beisammensein allein, nein, auch um die Vorbereitungen für die Feiern, an den in der kleinsten Gemeinde Gelsenkirchens und auch allen anderen so intensiv gearbeitet wurde.

Ein kleiner Lichtblick, der an alle Protestanten in Heßler ausgeht: eine CD aus der Gemeinde für die Gemeinde. Darauf sind unter anderem Live-Mitschnitte vieler Gemeindekonzerte. Bereits im Sommer ist das Projekt auf den Weg gebracht worden. Nun, in diesen komischen Zeiten, kommt es mehr als passend. 2000 CDs sind laut Schönberg gepresst worden. Es sei ein kleiner Trost, den jetzt schon viele fest als musikalische Begleitung für das Weihnachtsfest daheim eingeplant haben.

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Für die beiden Pfarrer-Kollegen wird es ein ganz anderes Weihnachtsfest

Und fragt man die beiden Pfarrer, wie sie auf ihr erstes so ganz anderes Weihnachtsfest ohne Gottesdienste und Arbeit schauen – dann nehmen sie es ein Stück weit mit Humor. „Das wird, glaube ich, ganz ungewöhnlich“, sagt Schönberg. Iwanczik sieht es ähnlich – er glaube ebenfalls, dass seine Familie wohl ein wenig irritiert sein wird, erzählt er lachend.

„Für mich ist die Entscheidung richtig“, sagt Andrea Neß, Pfarrerin für die Bereiche Hüllen und Ückendorf der Evangelischen Apostelgemeinde. Auch hier will man online auf der Homepage der Gemeinde das tun, was sonst viel schöner gemeinsam geht: Weihnachten feiern.

Pfarrei St. Urbanus hält an Gottesdiensten fest

„Der Krisenstab der Pfarrei St. Urbanus hat die Entscheidung getroffen, zum jetzigen Zeitpunkt an den öffentlichen Gottesdiensten weitgehend festzuhalten“, heißt es in einer Mitteilung der Pfarrei am Samstag. Die Begründung: „Wir tun dies, weil an allen Standorten Haupt- und Ehrenamtliche unter großem Einsatz gewährleisten, dass alle erforderlichen Hygiene- und Sicherheitsanforderungen erfüllt werden.“

Ausschlaggebend sei, dass „aus unserer Wahrnehmung derzeit bei vielen Menschen eine große Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit vorherrscht. Angesichts der schon so langen Dauer der Pandemie, der dunklen Jahreszeit und der hohen Emotionalität, die für viele mit dem Weihnachtsfest verbunden ist, hoffen wir, ihnen mit den Gottesdiensten ein wenig Trost, Hoffnung und Zuversicht vermitteln zu können“, heißt es in dem Statement.

Für alle Gemeindeglieder, die nicht persönlich am Gottesdienst teilnehmen können oder möchten, bietet die Pfarrei wieder verstärkt Livestreams aus drei Pfarrei-Kirchen an.

„Ich werde das gemeinschaftliche Feiern in unseren Kirchen vermissen, aber für mich stiftet auch das Wissen darum Gemeinschaft, dass in vielen Wohnungen und Häusern die Weihnachtsbotschaft erzählt wird. Sicher mit ganz viel Kreativität“, fügt Andrea Neß hinzu.

Vorfreude auf ein gemeinsames Weihnachtsfest im kommenden Jahr

Kreativität, das könnte in den Augen der Pfarrerin sein: „Vielleicht entstehen in den Familien ja spontane Stegreif-Krippenspiele. In ganz kleiner Besetzung.“ Vielleicht greife jemand aber auch einfach nur zum Telefon und wünsche „Frohe Weihnachten“. Vielleicht lese jemand zu Hause die Weihnachtsgeschichte oder singe ein Weihnachtslied – oder dichte sogar eins.

„Und wahrscheinlich entsteht noch vieles mehr, auf das ich selber gar nicht gekommen wäre“, sagt Andrea Neß. Einfach, weil die Weihnachtsbotschaft auch heute noch die Menschen bewege. Davon ist sie überzeugt. „Und dann wird Weihnachten sein. Und ich freue mich darauf, wenn wir im nächsten Jahr hoffentlich auch wieder gemeinsam in unseren Kirchen Weihnachten feiern können.“