Gelsenkirchen. Die Stadt Gelsenkirchen hat erstmals detaillierte Angaben zu den Corona-Todesfällen in der Stadt gegeben. Wann eine Ausgangssperre droht.

In den vergangenen sieben Tagen steckten sich in Gelsenkirchen täglich mindestens 82 Menschen nachweislich mit dem Coronavirus an. Der für den Grad der Coronaschutzmaßnahmen maßgebliche Inzidenzwert stieg damit zuletzt wieder auf 216,4, wie das Robert-Koch-Institut am Dienstagmorgen meldete. Erst bei einem Sieben-Tage-Wert von unter 50 gilt das Infektionsgeschehen wieder als kontrollierbar.

Seit rund vier Wochen bewegt sich Gelsenkirchen um einen Wert von 200. „Der Wert ist sehr hoch, aber stabil“, erklärte Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff bei einer Pressekonferenz am Dienstag dazu. „Die meisten Infektionen ergeben sich in Gelsenkirchen nach wie vor aus privaten, häufig familiären Begegnungen“, berichtete unlängst schon Stadtsprecher Martin Schulmann.

Einen auffälligen Unterschied zwischen den Stadtteilen erkennt die Stadt nicht. Zuletzt hatte das Gesundheitsamt das Infektionsgeschehen auf WAZ-Nachfrage nach Postleitzahlbezirken aufgeschlüsselt, wonach es deutlich mehr Infektionen je Einwohner in Bulmke-Hüllen und in Schalke und Schalke-Nord gab als im Stadtdurchschnitt.

Stadt Gelsenkirchen veröffentlicht erstmals weitere Informationen

Viele Städte tun sich weiterhin schwer damit, das Infektionsgeschehen stadtteilscharf zu veröffentlichen. Dort, wo die Gesundheitsämter die Werte zumindest punktuell mal veröffentlichten, bestätigt sich die Annahme, dass sich das Coronavirus in strukturschwachen Stadtteilen schneller verbreitet als in einkommensstärkeren Vierteln.

Nicht nur schwergetan, sondern geweigert hatte sich die Stadt Gelsenkirchen bisher, Informationen zu den Corona-Toten in der Stadt preiszugeben. Wie alt waren die Betroffenen, hatten sie relevante Vorerkrankungen, wo haben sie sich wahrscheinlich angesteckt? Während die Stadt Essen seit Beginn der Pandemie mit diesen Fragen vergleichsweise transparent umging, argumentierte man im Hans-Sachs-Haus mit dem Datenschutz.

Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff erklärte nun, die Stadt werde fortan zwar nicht täglich wie andere Städte, aber zumindest einmal monatlich detaillierte Informationen mitteilen.

So alt waren die verstorbenen Gelsenkirchener

Demnach waren 33 der bisher in Gelsenkirchen mit einer Covid-19-Infektion verstorbenen 48 Menschen männlich, 15 Personen weiblich.

Schon früh zu Beginn der Pandemie starb bereits ein Mädchen zwischen 0 und 9 Jahren. In der Altersgruppe 30 bis 39 Jahre ist ein Mann gestorben. Ein weiterer Mann war zwischen 40 und 49 Jahre alt. Vier Männer und eine Frau waren zwischen 50 und 59. In der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre sind neun Männer und drei Frauen verstorben. 70 Jahre oder älter waren 18 Männer und zehn Frauen, als sie mit Corona starben. Keine Todesfälle gab es bislang in den Altersgruppen 10 bis 19 und 20 bis 29 Jahre.

Mehr Infektionen in Altenheimen

Sorge bereitet der Stadt vor allem, dass in den vergangenen Wochen die Zahl der Neuinfektionen in Alten- und Wohnheimen deutlich gestiegen ist, was in der Folge auch zu den zuletzt ebenfalls deutlich gestiegenen Todeszahlen geführt habe. Ein Drittel der Verstorbenen lebte in einem Heim. „Wir müssen die älteren und kranken Menschen noch besser schützen“, appelliert deshalb Gesundheitsdezernent Wolterhoff.

Und er fügt hinzu: „Der Lockdown schränkt unser Leben natürlich ein, aber er wird auch Leben retten können. Wenn die Inzidenzzahl in Gelsenkirchen dennoch weiter deutlich steigt, dann muss der Krisenstab über weitere Einschränkungen beraten. Ich hoffe allerdings, dass dies in den kommenden Wochen nicht notwendig sein wird.“

Als mögliche weitere Maßnahmen würde die Stadt beispielsweise eine Ausgangssperre in den Abend- und Nachtstunden verhängen und die Plätze in Bussen und Bahnen deutlich limitieren. Frühestens Anfang Januar und dann auch in Relation zum Infektionsgeschehen in den Nachbarstädten wolle der Krisenstab über möglicherweise verschärfte Maßnahmen befinden. Arbeiten werde man im Krisenstab indes selbstverständlich auch über die Feiertage. Denn trotz aller Appelle zur Kontaktbeschränkung befürchtet man dort, dass die Weihnachtstage zu einem Infektionstreiber werden könnten.

Personalsituation im Gesundheitsamt

Aufatmen kann Wolterhoff dagegen mit Blick auf die Situation im Gelsenkirchener Gesundheitsamt. „Bis spät in den November rein gab es berechtigterweise große Kritik in der Bürgerschaft, doch inzwischen konnten wir das Personal so aufstocken, dass wir wieder zeitnah Quarantänefestsetzungen verschicken können“, so der Dezernent.

Arbeiteten vor der Pandemie im gesamten Gesundheitsamt etwa 90 Mitarbeiter, so sind es inzwischen 190 Mitarbeiter, die alleine mit Corona beschäftigt sind. Die abgeordneten Kräfte kommen von anderen Verwaltungseinheiten der Stadt und werden von 31 Bundeswehrsoldaten zur Nachverfolgung der Ansteckungswege unterstützt.

So zählt die Stadt die Zahl der aktiven Infektionen

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Anders als andere Städte gibt Gelsenkirchen auch seit einigen Tagen nur noch gerundete Werte bei der Zahl der „aktiven Infektionen“ an - 1500 am Dienstagmorgen beispielsweise.

Stadtsprecher Martin Schulmann erklärt das so: „Die Zahl der Genesenen ist ein berechneter und auf 100er gerundeter Schätzwert. Die Schätzung basiert auf einem durch das RKI entwickelten mathematischen Algorithmus. Dieser berücksichtigt verschiedene Parameter, der wichtigste davon ist der Erkrankungsbeginn.“

Nach einem gewissen Zeitraum (bei leichten Fällen 14 Tage nach dem Erkrankungsbeginn, bei Krankenhaus-Fällen oder Fällen mit schweren Symptomen etwas länger) gelte ein Fall als Genesener. Liegt der Erkrankungsbeginn nicht vor, wird ersatzweise das Meldedatum verwendet.

„Die aktiven Fälle werden aus der Zahl der gemeldeten Fälle, der Zahl der Verstorbenen und der geschätzten Zahl der Genesenen berechnet und ebenfalls gerundet. Die Genauigkeit der Schätzwerte hängt maßgeblich davon ab, wie vollständig die Meldungen ausgefüllt sind. Die Zahl der Infizierten und Genesenen dient lediglich der Orientierung. Sie werden nicht für die Einschätzung des Infektionsgeschehens oder für die Ableitung von Maßnahmen herangezogen“, macht Schulmann klar.