Essen. Corona macht große Unterschiede in Essen: Der reichste Süd-Bezirk hat gemessen an der Einwohnerzahl nicht mal halb soviele Fälle wie der Norden.

Wo sind in Essen die meisten Menschen mit dem Coronavirus infiziert – und wo die wenigsten? Festzustellen ist ein klares Nord-Süd-Gefälle, das heißt im Norden sind prozentual und auch in absoluten Zahlen deutlich mehr Menschen betroffen als im Süden.

Detaillierte Infizierten-Zahlen zu den 50 Essener Stadtteilen gibt die Stadt nicht heraus, weil man um die Anonymität der Betroffenen fürchtet. Da es in manchen einwohnerschwachen Stadtteilen nur wenige Infizierte gebe, könnten Dritte herausfinden, um wen es sich konkret handelt, argumentiert Stadtsprecherin Silke Lenz.

Stadt will zu den 50 Stadtteilen keine detaillierten Infizierten-Zahlen nennen

Was es immerhin gibt, sind Zahlen zu den neun Stadtbezirken, und auch diese vermitteln ein relativ klares Bild. Prozentual gibt es im Stadtbezirk 5, zu dem Altenessen, Karnap und Vogelheim gehören, klar die meisten Infizierten. Hier sind – Stand 7. November – 234 Bürger positiv getestet, was bei 58.406 Einwohnern bedeutet, dass 0,4 Prozent dort nachgewiesenermaßen vom Coronavirus befallen sind - unter den neun Essener Stadtbezirken derzeit der Spitzenwert. Das gilt auch für die Gesamtzahl aller Infizierten seit Beginn der Pandemie: 744 waren es im Norden, was immerhin 1,27 Prozent aller Einwohner ausmacht.

Auch im Nordosten (Bezirk 6) mit Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg sind die Zahlen relativ hoch. Hier sind aktuell 0,33 Prozent der rund 52.500 Bürger infiziert, insgesamt waren schon 1,1 Prozent der Einwohner betroffen.

Etwas freundlicher sieht es im Großraum Borbeck aus

Etwas freundlicher sieht es im Stadtbezirk IV aus, dem Großraum Borbeck. Von den rund 83.700 Einwohner sind 260 positiv, das sind 0,31 Prozent aller Einwohner. Insgesamt gab es im Nordwest-Bezirk insgesamt 786 Infizierte, das sind 0,94 Prozent. Auch Borbeck liegt damit über dem Essener Durchschnitt mit aktuell 0,26 Prozent Infizierten. Bei der Gesamtzahl seit Beginn der Pandemie lautet die Zahl in Essen 0,95 Prozent. Hier liegt Borbeck also im Schnitt.

Im Bezirk 3 mit Altendorf, Frohnhausen, Holsterhausen, Haarzopf und der Margarethenhöhe sind aktuell 0,215 Prozent der gut 99.300 Einwohner betroffen, insgesamt waren es 0,94 Prozent. Im Bezirk 1 mit der Innenstadt und den umliegenden Vierteln sieht es so aus: 0,25 Prozent sind aktuell Corona-positiv und relativ hohe 1,07 Prozent waren es insgesamt seit März. Hier leben fast 68.400 Menschen.

Der Stadtbezirk Kettwig, Werden, Bredeney hat die wenigsten Infizierten

Am unteren Ende der Statistik mit den wenigsten Infizierten rangiert der Stadtbezirk 9 mit Kettwig, Werden und Bredeney: Hier gibt es aktuell nur 79 nachweislich Infizierte, was gemessen an der Zahl von 51.793 Einwohnern 0,152 Prozent entspricht. Insgesamt infizierten sich bislang 332 Menschen, somit 0,64 Prozent – prozentual also weniger als die Hälfte als im Norden.

Im Stadtbezirk 2 (Rüttenscheid, Rellinghausen, Bergerhausen und Stadtwald) gibt es 136 Infizierte, was bei 54.384 Einwohnern bedeutet, dass aktuell 0,25 Prozent der Einwohner infiziert sind. Die Gesamtzahl der Infizierten seit März 2020 beträgt 477 und damit 0,87 Prozent. Auch im Bezirk 8, der den Südosten der Stadt umfasst, sind die Zahlen deutlich freundlicher als im Norden. Aktuell sind dort 0,23 Prozent der fast 52.000 Einwohner infiziert, 0,76 Prozent waren es bislang insgesamt. Im Bezirk 7 mit Steele und Kray (71.300 Einwohner) sieht eine Kennziffer noch günstiger aus: 0,22 Prozent aktuell, dafür aber schon 0,88 Prozent insgesamt.

Hat Corona auch etwas mit sozialer Zusammensetzung zu tun?

Was lässt sich nun aus solchen Zahlen ablesen? Hat Corona auch etwas mit sozialer Schichtung zu tun, sind Migranten sorgloser oder schlechter informiert über die Corona-Regeln als „Bio-Deutsche“? Gesundheitsdezernent Peter Renzel warnt vor allzu vorschnellen Schlüssen. „Wenn ich mir die Listen mit den Namen der Infizierten ansehe, kann ich das nicht bestätigen“, betont Renzel. Es dominierten dort keineswegs ausländische Namen.

Richtig sei aber, dass da, wo mehr Menschen auf engerem Raum lebten – und das ist im Norden durchschnittlich öfter der Fall –, die Gefahr der Ansteckung größer ist. Auch sei es für das Gesundheitsamt generell schwierig, Menschen zu erreichen, die seriöse Medien kaum oder gar nicht zur Kenntnis nähmen. Das habe mitunter auch etwas mit Sprachproblemen zu tun und verursache der Stadt viel Arbeit.

Und: Zu Anfang der Pandemie, als viele das Virus aus dem Wintersporturlaub mitbrachten, war Corona eher in den wohlhabenderen Stadtteilen verbreitet, in denen auch die Zahl der Single-Haushalte größer ist. Mittlerweile seien die Infizierten jünger als zu Anfang, und Familientreffen gelten als gravierendste Anlässe bei der Virusverbreitung. Auch dies habe eine Wandlung bewirkt: Aus dem anfänglichen Süd-Nord-Gefälle wurde das Gegenteil.

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