Gelsenkirchen-Ückendorf. Im Marienhospital Gelsenkirchen werden Schmerzen mit einem Konzept aus vielen Disziplinen bekämpft. Wie genau, das verrät Facharzt Thomas Marx.

Dauerschmerzen können das Leben zur Hölle machen. Ein großes Problem bei ihrer Bekämpfung ist, dass es in aller Regel nicht eine einfache Ursache gibt, die eine Schmerztablette schnell und dauerhaft beseitigt. Am Marienhospital Gelsenkirchen gibt es seit zehn Jahren eine eigene Schmerztherapie -Abteilung, die neben ambulanter Hilfe und Konzepten für alle Stationen und Disziplinen im eigenen Haus auch stationäre Langzeit-Schmerztherapien anbietet mit verschiedensten Therapiedisziplinen: „multimodal“, so der Fachbegriff.

Experten aus sechs verschiedenen Disziplinen

Thomas Marx arbeitet seit 2010 am Marienhospital Gelsenkirchen. Seither hat er eine umfassende ambulante und stationäre Schmerztherapie mit Experten verschiedenster Disziplinen im Haus aufgebaut. Das Gesamtkonzept wird in allen Fachbereichen genutzt.
Thomas Marx arbeitet seit 2010 am Marienhospital Gelsenkirchen. Seither hat er eine umfassende ambulante und stationäre Schmerztherapie mit Experten verschiedenster Disziplinen im Haus aufgebaut. Das Gesamtkonzept wird in allen Fachbereichen genutzt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Ilona Linde (76) hat das Angebot, im Rahmen einer 18-tägigen stationären Therapie, ihre chronischen Schmerzen inklusive schweren Bewegungseinschränkungen deutlich lindern zu lassen, gern angenommen.

Nach insgesamt sieben Operationen an der Wirbelsäule – „außer der ersten alle eine Katastrophe, aber nicht hier im Haus gemacht!“ – kam für sie ein chirurgischer Eingriff nicht mehr infrage. Hinzu kamen neben den Lendenwirbelsäulenproblemen rheumatische Schmerzen. Um den Klinikaufenthalt von der Kasse genehmigt zu bekommen, gab es mehr als genug Argumente.

In der „multimodalen Schmerztherapie“ lernte sie mit Unterstützung einer Kinästhetikerin das Gehen neu, übte Entspannungstechniken, nutzte Kunsttherapie, Physiotherapie, Fango und auch das Wissen der kooperierenden Schmerz-Psychotherapeutin, um aus dem Schmerzteufelskreis auszubrechen. Noch in dieser Woche wird sie wieder in ihre Wohnung im dritten Stock zurückkehren, in der sie allein lebt. „Aber ich habe sehr hilfreiche Nachbarn. Außerdem kann ich mich schon wieder fast bis zum Boden bücken“, ist sie zuversichtlich.

Aufbau der Spezialabteilung vor zehn Jahren gestartet

Thomas Marx leitet die Schmerztherapie am Marienhospital. Seit er 2010 hier begann, hat er ein umfassendes Schmerzkonzept für das Krankenhaus erarbeitet, das in allen Kliniken genutzt wird. Ein Assistenzarzt und zwei „Pain-Nurses“, auf Schmerzbehandlung spezialisierte Pflegerinnen, unterstützen seine Arbeit auf den verschiedenen Stationen.

Regelmäßig werden neue Mitarbeiter eingehend dazu geschult, um bei Eingriffen und Erkrankungen aller Art möglichst früh den Schmerzkreislauf durchbrechen zu können. So wird mittlerweile auch mit Schmerzpumpen gearbeitet, die über kleine Schläuche die lindernden Medikamente in regelmäßigen Dosen direkt an die Stelle pumpen, wo der Schmerz entsteht.

Viele neue Erkenntnisse in der Schmerztherapie

Schmerz-Expertin Birgit Felski legt der Patientin Ilona Linde die Elektroden an, über die der Reizstrom langfristig für Schmerzlinderung sorgen kann.
Schmerz-Expertin Birgit Felski legt der Patientin Ilona Linde die Elektroden an, über die der Reizstrom langfristig für Schmerzlinderung sorgen kann. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„In den letzten Jahren hat sich in der Schmerztherapie sehr viel verändert . Bei den Medikamenten, aber auch bei der Suche nach den Ursachen“, erklärt Marx. Deshalb sei es wichtig, bei Patienten mit chronischen Schmerzen auch psychotherapeutisch zu arbeiten. Zum einen, weil Dauerschmerz auch mit Depressionen zusammenhängen können beziehungsweise Wechselwirkungen entstehen können, zum anderen weil nicht selten hinter chronischen Schmerzen auch ganz andere, nicht körperliche Ursachen stecken könnten.

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Thomas Marx ist auch Facharzt für Anästhesie, mittlerweile praktiziert er die jedoch nur noch in Ausnahmefällen, da er neben der schmerztherapeutischen Begleitung und Beratung aller Kliniken auch eine Schmerzambulanz (mit Kassenzulassung) im Haus betreut. Bei Viszeraloperationen – Eingriffen an Gefäßen im Bauchraum – allerdings schaltet er sich auch mit lokalen Betäubungen ein über einen Periduralkatheter, der auch bei Geburten genutzt wird. Das habe sich auch bei Operationen als sehr schonend für den Darm etwa erwiesen, der sich danach deutlich schneller erhole als nach anderen Narkoseformen.

Beratung auch zu Hilfsmitteln und Möglichkeiten nach der Entlassung

Bedingungen für die Therapie

Die stationäre, multimodale Schmerztherapie ist geeignet für Patienten mit seit mehreren Monaten anhaltenden Schmerzen , gegen die andere, bisher angewendete Therapien keine Linderung gebracht haben. Sie soll helfen, die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit zu erhalten und die Beeinträchtigungen zu reduzieren.

Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, können niedergelassene Mediziner Patienten eine entsprechende Einweisung ausstellen. Die auch für Kassenpatienten geöffnete Schmerzambulanz am Marienhospital ist nur nach Terminabsprache unter 0209 172 3950 zugängig, erreichbar montags bis freitags von neun bis 15 Uhr.

Neben der ganzheitlichen Therapie gebe es aber auch bei den Medikamenten viele neue Möglichkeiten und Erkenntnisse, die genutzt werden könnten. „Heute sind die Vorbehalte gegenüber Opiaten etwa viel kleiner als früher: Das Wissen um ihre Wirkung und Möglichkeiten, Dosissteigerungen wegen Abhängigkeit zu vermeiden, ist weit vorangeschritten. Sie werden als Basistherapie in festen Einheiten genutzt. Und sind dann nebenwirkungsärmer als andere Schmerzmittel“, versichert Marx. Zudem bekommen Patienten Hilfsmittel wie Reizstrom-Geräte mit nach Hause, um auch dort Linderung jenseits von Medikamenten zu erfahren. Neben den erlernten Entspannungstechniken und Übungen.