Gelsenkirchen. Bürger beschweren sich bei der Stadt Gelsenkirchen über Missachtung der Corona-Regeln bei Friseuren. Bußgelder werden aber nicht vermehrt fällig.

Alle 14 Tage sitzt Frank Baranowski bei Holger Augustin auf dem Drehsessel und lässt sich die Spitzen schneiden. Natürlich, verrät der Friseur-Obermeiste r , geht es bei der Plauderei mit dem nun ehemaligen Oberbürgermeister dann oft um die aktuelle Situation der Friseure und die vielen Corona-Regeln , die sie befolgen müssen. „Er sagte mir, dass die Stadt eifrig kontrolliert, dass sie relativ viele Betriebe verwarnt haben“, erzählt Augustin – was sich mit den Beobachtungen deckt, die viele seiner Kunden haben. Täglich bekomme der Meister zu hören, dass einer seiner Kunden beim Gang durch die Stadt wieder mal einen maskenfreien Friseur in einem viel zu vollen Salon ertappt habe.

Mehr Beschwerden, aber nicht mehr Ordnungswidrigkeiten

Tatsächlich erreichen das Rathaus im Vergleich zum Einzelhandel, zu Imbissen oder Kioske vermehrt Beschwerden über Friseure, wie Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage mitteilt. Schließlich, so Schulmann, falle den Passanten bei einem Blick durch die großen Fensterfronten vieler Friseure schnell auf, wenn sich einer nicht ganz an die Regeln hält. „Bei weniger offenen Betrieben sieht das natürlich anders aus.“

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Obwohl die Beschwerdelage bei den Friseuren leicht erhöht ist, ist die Anzahl der eingeleiteten Ordnungswidrigkeiten im Vergleich zu anderen Betrieben nach Angaben der Stadt sogar geringer. Das heißt: Angebliche Verstöße gegen die Corona-Auflagen werden hier zwar öfter von Bürgern gemeldet, große Probleme werden bei den Kontrollen dann aber nicht unbedingt festgestellt und dementsprechend auch seltener Bußgelder verhängt. Ohne konkreten Anlass kontrolliere die Stadt zusätzlich etwa zwölf bis 15 Friseurbetriebe in der Woche, einschließlich der Barber-Shops , heißt es.

Gericht steht hinter Friseuren

Dass der Ärger über schwarze Schafe dazu führt, dass wieder vermehrt gefordert wird, Friseurbetriebe müssten wie beim ersten Lockdown schließen, glaubt Saloninhaber und Kreishandwerksmeister Holger Augustin hingegen nicht – und verweist auf jüngste Urteile der Oberverwaltungsgerichte Münster, Berlin-Brandenburg oder Bautzen. Betreiber von Tattoo- und Piercingstudios, Massagediensten und Kosmetikstudios hatten geklagt, weil sie die Türen geschlossen halten müssen und Friseure nicht.

Die Regeln beim Friseur

Friseure sind von der Corona-Schutzverordnung ausgenommen und dürfen weiter öffnen, allerdings gibt es strenge Regeln.

Sowohl Friseur als auch Kunde müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Die Personalien der Kunden müssen schriftlich dokumentiert werden. Nur Kunde und Friseur dürfen sich für die Zeit der Friseurtätigkeit nähern.

Augenbrauen- und Wimpernfärben sind nicht erlaubt. Rasieren und Bartpflege sind hingegen erlaubt, wenn Hygieneregeln eingehalten werden können. Aktuelle Arbeitsschutzstandards schreiben auch vor, dass die die Haare im Friseursalon gewaschen werden müssen.

Die Gerichte argumentierten jedoch, ein Friseur diene der Grundversorgung, was etwa mit einem Tattoo-Studio nicht vergleichbar sei. „Es geht ja nicht nur um einen schönen Haarschnitt, sondern auch um Hygiene“, ergänzt Augustin. Schließlich würden auch ältere Kunden regelmäßig zur Haarwäsche kommen, wenn sie alleine nicht mehr die Arme über den Kopf heben können. Den Ärger anderer Dienstleister kann er trotzdem verstehen. „Ich habe ja gut reden.“

Weniger Kunden, dafür längere Öffnungszeiten

Nur lohnt es sich fürs Geschäft überhaupt, geöffnet zu haben? „Von großer Angst und Zurückhaltung ist bei meinen Kunden wenig zu spüren“, sagt Augustin – gibt zugleich aber zu, dass dies vermutlich nicht für jeden Salon gelte. „Die Friseure in der Innenstadt haben es bestimmt schwerer, weil sich die Leute aktuell nicht gerne in der vollen City aufhalten.“ Er, zumindest nicht mitten im Stadtkern tätig, habe da weniger Probleme. „Ich habe 90 Prozent Stammkundschaft und die haben schon nach der Wiedereröffnung im Mai gemerkt, dass sie sich hier keine Sorgen vor Infektionen machen brauchen.“

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Eigentlich hat der Kreishandwerksmeister in seinem Salon an der Feldmarkstraße Platz für elf Kunden auf 100 Quadratmetern. Um genug Abstand einhalten zu können, sind derzeit jedoch maximal sechs Plätze besetzt. Seine fünf Mitarbeiter arbeiten je sechs Stunden täglich im Schichtsystem. „Wir beginnen früher und schließen später.“ Kurzarbeit sei deshalb immer nur punktuell ein Thema gewesen. „Zwar können wir weniger Kunden bedienen, aber dafür gibt es wegen einer Hygienepauschale von zwei Euro einen höheren Pro-Kopf-Umsatz.“

Wenn Augustin einen Strich unter das Geschäftsjahr macht, hofft er, wird die Rechnung irgendwie aufgehen. Vielleicht gibt es ja zwischendurch auch mal ein großzügiges Trinkgeld von einer stadtbekannten Persönlichkeit.