Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Kenan Doric hat massiv investiert in seine Studios. Corona legt den Betrieb lahm, Hilfe lässt auf sich warten: Existenzangst.
Mit den November-Hilfen will der Bund die Folgen des zweiten Lockdowns abfangen. Geld, das viele Betriebe retten kann, wenn der geplante Zuschuss von 75 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes aus dem November 2019 fließt. „Genau das ist das Problem“, sagt der Gelsenkirchener Kenan Doric.
„Man kann noch gar keine Anträge stellen.“ Zusammen mit seiner Frau Mareike führt der 36-Jährige mehrere Fitnessstudios, am 1. November sollte am Möhnesee das fünfte öffnen. Tags darauf kam der Lockdown light. „Folge: Null Einnahmen, aber dafür jede Menge laufende Kosten“, sagt der gelernte Fitness-Ökonom. Er befürchtet, dass sein Existenzkampf scheitert. Und auch der vieler anderer.
„Es ist zu viel Zeit verschwendet worden“, kritisiert Kenan Doric. Es sei den Verantwortlichen seit langem klar gewesen, dass die zweite Corona-Welle kommen werde, und auch, dass ähnlich harte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie getroffen werden müssten wie im Frühjahr. „Da hätte man doch zumindest dafür sorgen können, dass man als Betroffener den Antrag auf die neuen Hilfsgelder schneller auf den Weg bringen kann, um wertvolle Zeit zu sparen“, sagt der zweifache Familienvater. In seinen Läden stecken drei Millionen Euro an Investitionen, kommt die November-Hilfe zu spät, könnten ihn jede Menge Verbindlichkeiten in die Pleite treiben.
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Gelsenkirchener Unternehmer: Abschlagszahlung reicht hinten und vorne nicht
Worauf der Unternehmer aus Erle anspielt, ist folgendes: Weil die Anträge erst einmal gestellt und bearbeitet werden müssen, hatten viele Betriebe zuletzt befürchtet, die versprochenen Hilfen erst deutlich später zu erhalten. Nun sollen sie nach dem Willen des Bundes Abschlagszahlungen bekommen. Für Soloselbstständige sind bis zu 5000 Euro, für andere Unternehmen bis zu 10.000 Euro vorgesehen. Die Antragstellung startet nach Angaben des Finanzministeriums in der letzten Novemberwoche, voraussichtlich am 25. November. Erste Auszahlungen der Abschlagszahlungen sollen Ende des Monats erfolgen.
„Mit 10.000 Euro kann ich nicht einmal die monatlichen Nebenkosten komplett abdecken“, sagt Kenan Doric. Dem Vater zweier Zwillingsmädchen (5) zufolge belaufen sich allein die Betriebskosten der fünf Läden auf monatlich 100.000 Euro. Darin enthalten sind Miete, Strom, Gehälter für rund 60 Angestellte und eben Nebenkosten wie etwa Abwasserkosten oder Müllabfuhr.
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Fünf Niederlassungen in Deutschland, die jüngste am Möhnesee
An fünf Standorten sind die Fitnessstudios von Kenan Doric unter dem Namen „ DK Fitness und Wellness Loft “ vertreten: In Dessau, Zerbst, Mechernich, Schleiden, Herne und seit jüngstem auch am Möhnesee. Der Gelsenkirchener hat sich bewusst für Niederlassungen entschieden, wo er die Konkurrenz großer Ketten wie „FitX“ oder „McFit“ nicht fürchten muss .
Etwa 6000 Mitglieder stark waren die Studios, die Corona-Pandemie hat den Unternehmer 1000 Austritte beschert. Dankbar ist Doric dafür, dass der Großteil der Kunden den Mitgliedsbeitrag (ab16,99 Euro/Monat) weiter zahlen – trotz coronabedingter Schließung. Mit Gutscheinen für kostenloses Training und kostenfreier Verlängerung des Abos erwidert Doric das Vertrauen der Kunden.
Gelsenkirchener Unternehmer sieht von Kündigungen ab, muss aber Stunden streichen
Seine Belegschaft setzt sich zur Hälfte aus Festangestellten und zur anderen Hälfte aus Freiberuflern zusammen, viele junge, etwa Studenten, arbeiten auf 450-Euro-Basis. „Denen zu kündigen, habe ich nicht übers Herz gebracht“, sagt der Fitness-Ökonom. Doric will lieber mit allen gemeinsam untergehen, wie er es ausdrückt, als einen Menschen vor die Tür zu setzen. Er hat aber bei den Minijobbern „die Stundenzahl deutlich herunter setzen müssen“.
Was ist mit Überbrückungskrediten? Die, erklärt der 36-Jährige, habe er im Frühjahr beantragt und auch bekommen. „Dieses Geld ist allerdings für die laufenden Energiekosten in den Studios draufgegangen.“ An Mietminderungen hat er sich nach eigenem Bekunden ebenso die Zähne ausgebissen wie an weiteren Krediten. „Der Fitnessbranche wird kaum Vertrauen entgegengebracht, allenfalls den Branchenriesen“, klagt der gebürtige Bosnier. Spätestens bei der Frage nach der Bürgschaft seien die Gespräche gescheitert.
Umso wichtiger ist es für Kenan Doric und seine Frau Mareike, dass die November-Hilfe so schnell wie möglich fließt. „Das würde uns etwas die Existenzangst nehmen“, so Kenan Doric. Bis es so weit ist, „werde ich wohl aber noch viele schlaflose Nächte haben“, sagt der Gelsenkirchener.