Gelsenkirchen. Die Maskenbefreiung sorgt für Benachteiligung – das hat ein Gelsenkirchener jetzt erlebt. Warum er mit seiner Tochter nicht einkaufen durfte.
Sie trat am 27. April 2020 in Kraft – seit diesem Montag im ersten Corona-Frühjahr für Deutschland heißt es also: Maske tragen. Beim Einkauf, in der Schule, in Bussen, Bahnen. Und seit wenigen Tagen beispielsweise auch in Einkaufszonen und Innenstädten. Und immer wieder gibt es Aufregung um das kleine Stück Stoff – jüngst erlebte das der Gelsenkirchener Stefan Thieme ganz persönlich.
Gelsenkirchen: Maskenpflicht sorgt für Benachteiligungen
Der 38-Jährige hat besondere Erfahrungen mit der Maskenpflicht gemacht, genauer: seine Tochter. Und in diesem Fall besonders negative. Seine achtjährige Tochter ist schwerstbehindert und von der Maskenpflicht befreit. Ein entsprechendes Attest vom Kinderarzt tragen Thieme und seine Frau stets bei sich, sobald sie das Haus verlassen.
Am vergangenen Donnerstag, 29. Oktober, wollten sie mit ihrer Tochter in einem Gelsenkirchener Poco-Markt einkaufen. Doch ihnen wurde der Zutritt verwehrt. Ohne Maske kein Eintritt, das machte der Sicherheitsdienst vor der Tür schnell klar. Auch das Vorzeigen des Attestes zeigte keine Wirkung. Für die Thiemes blieb nur, den Rückweg anzutreten. „Für uns war das diskriminierend und die Situation überhaupt nicht schön“, berichtet Stefan Thieme im Nachgang im Gespräch mit der WAZ.
Maskenpflicht bei Poco vor allem um Mitarbeiter und andere Kunden zu schützen
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„Seitdem die Maskenpflicht eingeführt worden ist, dürfen unsere Märkte nur noch mit Maske betreten werden“, erklärt eine Poco-Sprecherin auf Nachfrage. Der Grund liegt auf der Hand: „Um unsere Mitarbeiter und die anderen Kunden zu schützen“, so die Sprecherin weiter. Denn gerade die Maske diene ja dazu, nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen zu schützen. Die Pflicht, eine Maske zu tragen, werde von den Kunden sehr gut aufgenommen, sie würden sich beim Einkauf „sehr sicher und wohl fühlen“, sagt die Sprecherin auch.
Ist das schon diskriminierend, dass bestimmte Teile der Bevölkerung von einem Einkauf bei Poco ausgeschlossen werden? Die Sprecherin verweist auf das Hausrecht. Dem muss auch Arndt Kempgens zustimmen: „In diesem Fall hat der Betreiber des Möbelhauses das volle Hausrecht“, bestätigt der Rechtsanwalt. Das einzige, was dieses Hausrecht so gesehen einschränken könnte, ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Würde also Thiemes Tochter aufgrund ihrer Einschränkungen nicht in den Markt gelassen, „dann wäre das unzulässig“, so Kempgens.
Rechtsanwalt hält Entscheidung von Poco „sachgerecht“
Demnach hält der Jurist die Entscheidung von Poco auch für „sachgerecht“. Schließlich bleibt das Mädchen – wie viele andere Menschen derzeit auch, die von der Maskenpflicht befreit sind – aufgrund einer Gefahrerhöhung außen vor. Kempgens bringt einen weiteren Punkt ins Spiel: den der möglichen Haftung und den der Schadenersatzansprüche. Nicht zuletzt würden sich die Kunden schlicht darauf verlassen, dass die Hygienestandards eingehalten werden. Und sie so sicher einkaufen können.
Kinder müssen erst im Grundschulalter Maske tragen
Von der Verpflichtung, eine Maske zu tragen, sind Kinder bis zum Schuleintritt ausgenommen. Kinder müssen vor ihrem ersten Grundschultag also keine Maske tragen.
Die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW besagt außerdem, dass Kräfte von Sicherheitsbehörden, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Katastrophenschutz in Einsatzsituationen ebenfalls von der Maskenpflicht befreit sind.
Möbel gehören nicht zum notwendigen Bedarf – aber wie sieht es mit den Supermärkten aus? Verweigern sie ihren Kunden auch den Zutritt? Bei Edeka Rhein-Ruhr, zu der auch die Marktkauf-Filiale an der Ulrichstraße gehört, gilt: „Kann ein Kunde aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen, kann er trotzdem bei uns einkaufen“, so Sprecherin Julia Denkert. Der Kaufmann dürfe sich im Zweifel durch ein Attest die Begründung aber bestätigen lassen. Die Edeka-Kaufleute müssen für die Umsetzung der Maskenpflicht in ihren Märkten vor Ort selbst Sorge tragen. Dazu gehöre auch, Kunden ohne Mund-Nasen-Bedeckung anzusprechen.
Aldi-Kunden sollten sich zu Beginn des Einkaufs beim Marktpersonal melden
Bei der Rewe Group gilt: „Im Hinblick auf die Vorschriften zum Tragen einer Alltagsmaske sowie auf eine mögliche belegbare Befreiung von dieser Pflicht orientieren wir uns an der Maßgabe der jeweils gültigen Infektionsschutzverordnung des Landes NRW“, so Pressesprecher Andreas Krämer. Das bedeutet, dass Kunden auch ohne Maske einen Rewe-Supermarkt betreten dürfen, wenn sie denn befreit sind.
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Und wie läuft es bei Aldi? „Kunden, die von der Maskenpflicht befreit sind, bitten wir, sich zu Beginn des Einkaufs beim Marktpersonal zu melden, damit die Kolleginnen und Kollegen Bescheid wissen“, sagt Dr. Axel vom Schemm, Manager Unternehmenskommunikation bei Aldi Nord. Aber auch hier heißt es: „Soweit es erforderlich ist, behalten wir uns jedoch auch das Anwenden unseres Hausrechtes vor, um die aktuellen Nutzungsbestimmungen durchzusetzen und damit unsere Kunden und Mitarbeiter bestmöglich zu schützen.“
„Da fühlen sich die Leute doch wie Menschen zweiter Klasse“
Stefan Thieme ist an diesem Tag mit seiner Tochter zu einem anderen großen Möbelhaus gleich in der Nähe gefahren. Dort konnten sie einkaufen, auch ohne Maske. Ein komisches Gefühl bleibt – „Es geht mir ja nicht nur um meine Tochter, sondern um all die anderen, die auch eine Befreiung haben. Da fühlen sich die Leute doch wie Menschen zweiter Klasse.“
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