Essen. Düstere Romanvision: Der Anwalt Burkhard Benecken gibt Einblicke in arabische Parallelwelten – und in eine rassistische deutsche Gesellschaft.
Regiert wird das Land von der rechtsextremen „Zero-Tolerance-Partei“, das Justizsystem wurde grundlegend reformiert, es ist zu einer perversen Show verkommen, in der ein Moderator statt eines Richters den Prozess leitet und das Publikum am Ende über Schuld und Unschuld entscheidet. Muslime sind an den Rand der Gesellschaft und darüber hinaus gedrängt. Sie leben in autonomen Zonen wie Neu-Essen und Neu-Berlin. Das ist Deutschland im Oktober 2044.
Diese dunkle, unheilvolle Vision von der Zukunft Deutschlands und des Ruhrgebiets stammt aus der Feder des Marler Strafverteidigers Burkhard Benecken. Der 44-Jährige gibt in seinem Romandebüt tiefe Einblicke in die Welt arabischer Clans, die, wie er sagt, fürwahr nicht immer gesetzestreu seien, aber von Politik und Medien auch maßlos dämonisiert würden.
Auf 390 Seiten lässt Benecken anonymisiert und im Einverständnis seiner Mandanten seine Erfahrungen als Anwalt führender Clan-Größen der Familien Rammo, El-Zein, Miri, Omeirat und Mahmoud einfließen.
Davon handelt Beneckens Roman „Clan-Land“
Der Protagonist in Beneckens Roman ist wie er Strafverteidiger – und noch mehr. Lorenz van Bergen ist der gut aussehende, schneidige wie skrupellose Star seiner Zeit. Das Publikum liegt ihm zu Füßen und kann es kaum erwarten, wie er etwa vor Millionen Zuschauern im Bezahlfernsehen drei Frauen auseinandernimmt und alles verdreht, bis sein steinreicher Mandant, der diese Frauen brutal vergewaltigt und gefoltert haben soll, von den Zuschauern johlend für unschuldig erklärt wird.
Lorenz van Bergen liebt den großen Auftritt, die Inszenierung, seinen Platz an der Sonne. Bis er eines Tages von respekteinflößenden, arabischen Männern unmissverständlich eingeladen wird, sie nach Neu-Essen zu begleiten – in eine andere Welt hinter hohen Mauern auf dem Gebiet des heutigen Essens und Teilen Oberhausens.
Anti-Clan-Gesetze entrechten Muslime in Deutschland
Das Projekt „Autonome Zone Neu-Essen“ war bei seiner Gründung 2037 das zweite seiner Art nach Neu-Berlin gewesen – eine muslimische Enklave, die gewissermaßen in Privatbesitz eines Clan-Chefs errichtet wurde. Diese Zonen sollten den Schlusspunkt unter die jahrzehntelangen Zusammenstöße zwischen „Biodeutschen“ und muslimischen Migranten bilden und für Ordnung im Staat sorgen, schreibt Benecken.
Das Experiment der rechtsextremen Zero-Tolerance-Partei scheint zu funktionieren. Vor den Toren Neu-Essens bilden sich lange Schlangen, seit den Anti-Clan-Gesetzen von 2037. Für einen Muslim ist es seither nicht mehr möglich, normal in Deutschland zu leben. Abgeschnitten von vielen Berufen und unter permanentem Generalverdacht, wenn irgendwo ein Verbrechen begangen wird, verkommen viele Muslime in Beneckens Vision zu Bürgern zweiter Klasse.
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In diesem gesellschaftlichem Klima ereilt Romanheld Lorenz van Bergen die Einladung des zweitgrößten Clan-Chefs Deutschlands, Abdelkarim Al-Zahidi. Der Libanese steckt in großen Schwierigkeiten, er wird verdächtigt, Bundesinnenminister Hermann Hackner entführt zu haben, der noch strengere Gesetze erlassen wollte, die den Clans das Leben noch schwerer gemacht hätten. Lorenz van Bergen ist fasziniert von Al-Zahidi und von Neu-Essen, zwischen den Männern entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, doch das Unheil nimmt seinen Lauf….
„Der Haupt-Protagonist des Buches, Strafverteidiger Lorenz van Bergen, hat ganz sicherlich Züge von mir. Er macht eine innere Wandlung im Verlauf des Romans durch, die ich auch bei mir festgestellt habe: Man kommt im Laufe seiner Karriere dazu, das Oberflächliche immer mehr zu hinterfragen und sich irgendwann dem Essenziellen zu widmen“, erklärt Anwalt und Autor Burkhard Benecken.
Strafverteidiger kritisiert Medien und Politik
Anlass für das Schreiben dieses Buches sei der Umstand gewesen, „dass arabische Großfamilien von Teilen der Medien und Politik absolut unfair behandelt und unter dem Deckmantel der angeblichen Verbrechensbekämpfung zum Sündenbock gestempelt werden“, sagt Benecken.
Die „Politik der Tausend Nadelstiche“ von NRW-Innenminister Herbert Reul etwa, hält der erfahrene Strafverteidiger für eine Farce und Inszenierung zugleich. Wenn arabische Shisha-Bars auf den Kopf gestellt, geringe Mengen unversteuerter Tabak gefunden und dies in den eigens zur Razzia eingeladenen Medien am Ende noch als „großer Schlag gegen die Clankriminalität“ verkauft würden, dann schüre dies nur Angst und Ressentiments. Eine Argumentation, die es so ähnlich auch im politischen Raum gibt, vor allem bei Grünen und Linken.
„Ich befürchte, dass dies nur der Anfang ist und in Zukunft alle Muslime das neue Feindbild in Deutschland werden könnten“, mahnt Benecken.
Sein Roman solle deshalb auch aufrütteln und einen anderen, „einen realistischeren“ Blick in arabische Parallelgesellschaften in Deutschland geben.
+++„Clan-Land“, Benevento-Verlag, 20 Euro, auch als E-Book (15,99 Euro) erhältlich.+++