Gelsenkirchen. Pflegekräfte waren die Helden der Corona-Hochphase. Von der Wertschätzung sei aber nichts geblieben, sagt ein Gelsenkirchener Krankenpfleger.
Sie galten als Helden der Corona-Krise. Man beklatschte sie, versprach ihnen Bonus-Zahlungen und sprach von einer bleibenden Aufwertung ihres Berufes. Doch was ist heute noch übrig von der Wertschätzung für Pflegekräfte? Nicht viel, wenn man den Gelsenkirchener Krankenpfleger Volker Doifl fragt. Der 53-jährige Mitarbeiter des Bergmannsheil Buer sagt: „Für uns hat sich nichts zum Positiven verändert.“
Doifl arbeitet seit 31 Jahren als Krankenpfleger, die allermeiste Zeit auf der Intensivstation. Dort erlebte er die Folgen der Corona-Krise hautnah. Eine große Belastung – physisch wie psychisch. „Covid-19 ist ein schreckliches Krankheitsbild“, sagt er. „Wenn man erlebt, wie junge Menschen sterben, Angehörige nicht zu Besuch kommen oder sich im schlimmsten Fall nicht mehr von einem Sterbenden verabschieden können, nimmt einen das sehr mit.“
Klatschen für Pfleger: „Das war eine nette Geste, mehr aber auch nicht“
Dazu müsse man sehr konzentriert arbeiten, um alle Schutzmaßnahmen einzuhalten. Vor allem jüngere Kollegen seien unsicher oder gar verängstigt gewesen. Und dann standen Ende März jeden Tag um 21 Uhr Hunderte auf den Balkonen und klatschten für die Helfer der Krise. Endlich Wertschätzung für die nun als „systemrelevant“ geltenden Kräfte? „Das war eine nette Geste, mehr aber auch nicht“, sagt Doifl.
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Denn noch immer sei das Gehalt für Krankenpfleger viel zu niedrig: „In den aktuellen Tarifverhandlungen macht sich nicht bemerkbar, dass wir so etwas Tolles geleistet haben“, erklärt Doifl. Dazu komme die chronische Unterbesetzung auf den Stationen: „Es fehlen Pflegekräfte en masse. Außerdem nimmt die Dokumentationspflicht so viel Zeit in Anspruch, dass man kaum noch ein Gespräch mit den Patienten führen kann.“ Unter diesen Bedingungen könne er jeden jungen Menschen verstehen, der den Job nicht machen wolle. „Meiner eigenen Tochter habe ich sogar davon abgeraten“, so der Pfleger.
Corona-Bonus für die Krankenpflege erreicht nicht alle Klinikmitarbeiter
Doifl kritisiert auch das gesellschaftliche Bild von Pflegekräften: „Alle denken an die nette Schwester, die mit den Patienten quatscht und Kaffee trinkt.“ Womit Pfleger aber tatsächlich konfrontiert seien – Tod, trauernde Angehörige, Patienten, die bluten oder sich erbrechen –, blendeten viele aus. Und: „Ich gehe bewusst in ein Zimmer, in dem ein infizierter Mensch liegt und setze mich damit einem enormen Risiko aus. Natürlich trage ich dabei Schutzkleidung – aber wer kann mir garantieren, dass ausnahmslos immer alles dicht ist?“
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Um ihre Arbeit während der Corona-Pandemie zu honorieren, hat das Bundesgesundheitsministerium im September eine Bonuszahlung für Krankenpfleger auf den Weg gebracht. An dieser Zahlung gibt es aber bereits Kritik.
Denn, wie es auf der Homepage der Deutschen Krankenhausgesellschaft heißt: „Grundlegend sollen Pflegekräfte im Sinne der ‘Pflege am Bett’ begünstigt werden.“ Anderem Krankenhauspersonal, zum Beispiel Mitarbeitern der Notaufnahme, soll die Prämie nur in begründeten Ausnahmefällen gezahlt werden. Die Höhe der Zahlung soll sich nach der pandemiebedingten Belastung richten.
Wer wie viel Geld bekommt, steht noch nicht fest
Wer wie viel bekommt, steht in Gelsenkirchener Kliniken noch nicht fest. „Die individuelle Prämienhöhe für die Pflegekraft wird vom Krankenhausträger in Abstimmung mit der Mitarbeitervertretung festgelegt. Aktuell gibt es noch keine Aussagen für unsere Klinik“, heißt es aus dem Bergmannsheil Buer. Auch St. Augustinus, Träger der Marienhospitäler und des Elisabeth-Krankenhauses, lässt verlauten, dass es „bisher keine weiteren Ausführungsbestimmungen oder Detail-Klärungen“ gebe.
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Die Corona-Prämie für Krankenhaus-Pflegekräfte
Das von GKV-Spitzenverband und Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) entwickelte Konzept für die Corona-Prämie für Krankenpfleger sieht die Bereitstellung von 100 Millionen Euro vor. Davon sollen bis zu 1000 Euro an durch die Versorgung von Covid-19-Patienten besonders belastete Pflegekräfte gezahlt werden.
Die Bundesländer sollen die Prämie um 500 Euro aufstocken. Eine ähnliche Zahlung gab es auch schon für Mitarbeiter in der Altenpflege. Die Mittel aus dem 100-Millionen-Euro-Topf erhalten aber nur Krankenhäusern, die bis zum 30. September eine bestimmte Mindestzahl von Covid-19-Fällen vorweisen.
Für Doifl steht allerdings schon fest: „Alle sollten gleich viel Geld bekommen.“ Egal ob Pfleger in direktem Kontakt mit Covid-19-Patienten oder Reinigungskraft. „Wir arbeiten alle im Team. Wer nicht direkt Corona-Patienten gepflegt hat, hat mir den Rücken freigehalten, damit ich es tun kann.“ So oder so sei eine einmalige Zahlung zwar schön, es müsse sich aber grundsätzlich etwas ändern: „Sonst werden wir in eine gewaltige Schieflage geraten – und zwar in nicht allzu langer Zeit.“
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